International
Deutschland

Deutscher Verfassungsschutz: AfD ist gesichert rechtsextremistisch

Verfassungsschutz: AfD ist gesichert rechtsextremistisch – jetzt reagiert die Partei

Der deutsche Verfassungsschutz stuft die AfD nach mehrjähriger Prüfung als Partei mit extremistischen Positionen ein. Was das bedeutet und wie die Partei darauf reagiert, erfährst du hier.
02.05.2025, 12:3002.05.2025, 21:09
Mehr «International»

Was ist neu?

Die Partei AfD ist für den deutschen Verfassungsschutz (BfV) gesichert rechtsextremistisch. Der Verdacht, dass die Partei gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen verfolge, habe sich bestätigt und in wesentlichen Teilen zur Gewissheit verdichtet, so der Inlandsgeheimdienst.

epa12020818 German party Alternative for Germany (AfD) co-chairwoman Alice Weidel speaks in Berlin, Germany, 09 April 2025, about the coalition agreement between the CDU/CSU and SPD. EPA/CHRISTOPH SOE ...
Alice Weidel, Co-Chefin der AfD.Bild: keystone

Die geschäftsführende deutsche Innenministerin Nancy Faeser betonte, der Inlandsnachrichtendienst habe die Entscheidung zur neuen Einstufung der AfD eigenständig getroffen. «Es hat keinerlei politischen Einfluss auf das neue Gutachten gegeben», versicherte Faeser.

Was ist die Begründung?

«Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmässige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar», teilte die Sicherheitsbehörde mit. Es ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschliessen.

«Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern als nicht gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes», heisst es in der Mitteilung des Inlandsgeheimdienstes.

Äusserungen und Positionen der Partei und führender AfD-Vertreter verstiessen gegen das Prinzip der Menschenwürde, erklärten die Vizepräsidenten der Behörde, Sinan Selen und Silke Willems. Dies sei massgeblich für die nun getroffene Einschätzung.

Thuringia right-wing Alternative for Germany (AfD) party leader Bjoern Hoecke reacts after first exit polls of the Brandenburg state election, in Potsdam, Germany, Sunday, Sept. 22, 2024. (Liesa Johan ...
AfD-Politiker Björn Höcke wurde als Rechtsextremist eingestuft und wird seit 2020 vom Verfassungsschutz überwacht.Bild: keystone

Grundlage der getroffenen Entscheidung ist ein umfangreiches Gutachten des BfV, das nur für den internen Dienstgebrauch bestimmt ist. Eine Veröffentlichung des internen Arbeitspapiers, in das auch Erkenntnisse aus dem zurückliegenden Bundestagswahlkampf eingeflossen sind, ist nicht vorgesehen.

Was sagt die AfD dazu?

Die beiden AfD-Vorsitzenden, Tino Chrupalla und Alice Weidel, schrieben in einer Mitteilung, die AfD als Oppositionspartei werde nun «kurz vor dem Regierungswechsel öffentlich diskreditiert und kriminalisiert». Das sei erkennbar politisch motiviert. Die beiden haben die Einstufung ihrer Partei als gesichert rechtsextremistisch als schweren Schlag gegen die Demokratie in Deutschland kritisiert.

«Die Bundesregierung ist nur noch vier Tage im Amt. Der Geheimdienst verfügt noch nicht einmal mehr über einen Präsidenten. Und die Einstufung als sog. ‹Verdachtsfall› ist nicht rechtskräftig abgeschlossen», schrieben die beiden Politiker in einer in Berlin verbreiteten Presseerklärung.

Trotzdem werde die AfD als Oppositionspartei nun kurz vor dem Regierungswechsel am 6. Mai öffentlich diskreditiert und kriminalisiert. «Der damit verbundene, zielgerichtete Eingriff in den demokratischen Willensbildungsprozess ist daher erkennbar politisch motiviert. Die AfD wird sich gegen diese demokratiegefährdenden Diffamierungen weiter juristisch zur Wehr setzen», erklärten die beiden Politiker. Sie verwiesen auch auf die zuletzt zunehmende Unterstützung für die AfD, die in aktuellen Umfragen geführt habe.

epa11920680 Alternative for Germany (AfD) party co-chairman Tino Chrupalla (L) and co-chairwoman and top candidate for the federal election Alice Weidel (R) attend an AfD party press conference in Ber ...
Tino Chrupalla und Alice Weidel.Bild: keystone

Auch Stephan Brandner, der stellvertretende Bundessprecher der AfD, sagt laut deutschen Medien: die Entscheidung sei «inhaltlich völliger Blödsinn, hat mit Recht und Gesetz überhaupt nichts zu tun und ist eine rein politische im Kampf der Kartellparteien gegen die AfD.»

«[Die Entscheidung ist] inhaltlich völliger Blödsinn, hat mit Recht und Gesetz überhaupt nichts zu tun und ist eine rein politische im Kampf der Kartellparteien gegen die AfD.»
Stephan Brandner, AfD

Es handle sich dabei um «eine weitere unfaire Kampfmassnahme gegen die einzige Oppositionskraft», so der AfD-Mann weiter.

Was sagt der Rest der Welt (USA und Russland) dazu?

Nach der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch hat US-Aussenminister Marco Rubio Deutschland der Tyrannei bezichtigt. Deutschland habe seiner Spionagebehörde gerade neue Befugnisse zur Überwachung der Opposition erteilt, schrieb Rubio auf X. Und weiter:

«Das ist keine Demokratie – es ist eine verdeckte Ty­ran­nei.»
Marco Rubio

Wirklich extremistisch sei nicht die AfD – die bei den jüngsten Wahlen den zweiten Platz belegte – sondern die tödliche Politik der offenen Grenzen, die die Partei ablehne, schrieb der US-Aussenminister. «Deutschland sollte seinen Kurs ändern.»

Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew hat die Einstufung der Alternative für Deutschland (AfD) als gesichert rechtsextremistisch kritisiert. Das seien «starke Worte» gegen eine Partei, die in Parlamenten vertreten sei, schrieb er auf Englisch im sozialen Netzwerk X.

Der jetzige Vizechef des russischen Sicherheitsrates schrieb:

«Anscheinend halten CDU/CSU, die SPD und andere deutsche Kleinparteien alles für extremistisch, was bessere Umfragewerte hat als sie.»
Dmitri Medwedew

Russland pflegt seit mehreren Jahren Drähte zur AfD und anderen rechtsgerichteten Parteien in Europa. Die AfD vertritt ihrerseits immer wieder russlandfreundliche Positionen.

Was für Folgen hat das für die AfD?

Die Partei will sich weiter juristisch wehren. Zuständig ist dann in erster Instanz das Verwaltungsgericht in Köln, wo das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen Sitz hat.

Dafür hat die AfD guten Grund, da Einstufung als «gesichert rechtsextremistisch» krasse Folgen für sie hat und langfristig gesehen das Ende der Partei bedeuten kann.

Vor allem diese fünf Konsequenzen sind dabei relevant und in der Partei gefürchtet:

  • Die Debatte um ein AfD-Verbotsverfahren wird wieder aufleben – und hat sie bereits schon. Erste Wortmeldungen aus der Politik am Freitag zeigen: Vor allem SPD, die Linken und Grüne werden die Diskussion nun vorantreiben. Unklar aber ist dabei vor allem, wie die Union sich positioniert. Ohne sie ist im Bundestag in der Frage kaum eine Mehrheit zu erreichen.
  • Auch unterhalb des Verbotsverfahrens kann die Einstufung als gesichert rechtsextrem massive Folgen haben. Der AfD könnte die staatliche Finanzierung gestrichen werden – sie würde damit Zuwendungen in Millionenhöhe und die wichtigste Grundlage für ihre Wahlkämpfe verlieren. Der Schritt klingt weniger invasiv als ein Verbot, käme aber ebenfalls einem Ende der Partei gleich.
  • Beamte, die einen Eid auf das Grundgesetz ablegen, kann die Mitgliedschaft in einer gesichert rechtsextremen Vereinigung unter bestimmten Umständen den Job kosten oder zumindest empfindliche Einschränkungen und Probleme bringen. Selbst wenn AfD-Mitglieder nicht sofort reihenweise aus der Partei austreten: Den Zuwachs an Neumitgliedern, den die Partei zuletzt stetig verzeichnete, dürfte die Einstufung und daraus drohende juristische Konsequenzen drosseln.
  • Bei der Bundestagswahl wurde die AfD zweitstärkste Kraft, in Umfragen lag sie zuletzt sogar auf Platz 1. Das Gutachten des Verfassungsschutzes könnte manchen Wähler sensibilisieren und abschrecken. Das muss es aber nicht zwangsweise: Drei Ost-Landesverbände der AfD tragen schon seit Längerem das Label «gesichert rechtsextremistisch» – dem Erfolg der Partei dort hat das nicht geschadet.

Galt die AfD nicht schon zuvor als rechtsextremistisch?

Auf Bundesebene nicht, in einzelnen Bundesländern aber schon. Die Landesämter für Verfassungsschutz in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt hatten die jeweiligen AfD-Landesverbände bereits zuvor als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft.

Auf nationaler Ebene war die Situation etwas komplizierter: Nachdem Medien im Februar 2021 über eine mutmassliche Einstufung der Gesamtpartei als sogenannter Verdachtsfall berichtet hatten, musste der Verfassungsschutz auf Geheiss des Kölner Verwaltungsgerichts noch rund ein Jahr warten, bis er diese Einschätzung publik machen und die Partei entsprechend beobachten konnte.

Im Mai 2024 hat das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden, dass der Verfassungsschutz die AfD zu Recht als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft hat. Der Rechtsstreit geht noch weiter.

Kommt jetzt das AfD-Verbot?

Mehrere Politikerinnen und Politiker nahmen diese Einordnung zum Anlass für Forderungen nach einem Verbot der Partei.

epa11921156 Heidi Reichinnek, top candidate of the Left Party (Die Linke), attends a Left Party (Die Linke) press conference in Berlin, Germany, 24 February 2025. Germany held its federal elections on ...
Heidi Reichinnek von den Linken fordert das Verbot der AfD.Bild: keystone

Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Heidi Reichinnek, sagte:

«Das Verbotsverfahren gegen die AfD muss endlich auf den Weg gebracht werden.»
Heidi Reichinnek, Die Linke

Man dürfe nicht akzeptieren, dass eine rechtsextremistische Partei die Demokratie «von innen bekämpft und zerstört».

Etwas vorsichtiger formulierten Konstantin von Notz und Irene Mihalic von den Grünen. Sie erklärten, die Neubewertung sei «ein wichtiger Baustein mit Blick auf die Frage, wie es um die Erfolgsaussichten eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens bestellt ist».

Doch so einfach ist das nicht, denn mit einem Parteiverbot hat die Beobachtung durch das BfV vordergründig nichts zu tun. Denn dieses kann nur von Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden. Eines der drei Verfassungsorgane könnte sich aber durch die neue Einschätzung des Inlandsnachrichtendienstes ermutigt fühlen, einen solchen Antrag zu stellen.

Ein Verbot dürfen Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat beantragen. Entschieden wird über den Antrag vom Bundesverfassungsgericht. Eines der drei Verfassungsorgane könnte sich aber durch die neue Einschätzung des Inlandsnachrichtendienstes ermutigt fühlen, einen solchen Antrag zu stellen.

Outgoing Chancellor Olaf Scholz arrives at the last expected cabinet meeting of his government at the chancellery in Berlin, Germany, Wednesday, April 30, 2025. (AP Photo/Markus Schreiber)
Germany New ...
Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz warnt vor einem «Schnellschuss».Bild: keystone

Deutschlands Noch-Kanzler Olaf Scholz warnt aber trotz der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch vor einem voreiligen Verbotsverfahren. «Ich finde, das ist eine Sache, die man nicht übers Knie brechen darf», sagte der Politiker beim Kirchentag in Hannover. Das Bundesverfassungsgericht habe alle Verbotsanträge der letzten Zeit abgelehnt.

«Ich bin gegen einen Schnellschuss und werde deshalb auch nicht sagen, so sollten wir es machen.»
Olaf Scholz, SPD

Auf die Frage, ob das Erstarken der AfD ein Schatten auf seiner Kanzlerschaft sei, sagte Scholz beim Kirchentag in Hannover: «Das bedrückt mich als Bürger, als Kanzler, als Abgeordneter im Deutschen Bundestag.»

Auf die Frage der Deutschen Presse-Agentur nach einem möglichen Verbotsverfahren gegen die AfD antwortete Faeser in Wiesbaden, diese «sollten wir immer von der notwendigen politischen Auseinandersetzung trennen». Aus guten Gründen gebe es sehr hohe verfassungsrechtliche Hürden. «Es gibt jedenfalls keinerlei Automatismus.»

Bringt die Einordnung überhaupt etwas?

Ja. Was die AfD besonders ärgern dürfte: Bereits im Verdachtsfall darf der Bundesnachrichtendienst aktiv werden. So dürfte der deutsche Geheimdienst nun Informanten in die Partei einschleusen. Auch Observationen mittels Bild- und Tonaufnahmen werden nun wahrscheinlicher, wie t-online schreibt.

Die Alternative für Deutschland (AfD) war 2013 gegründet worden, zunächst als Partei der Eurokritiker. Sie rückte im Laufe der Jahre weit nach rechts. (dab/lyn/leo/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
So zerstört man Rechtspopulismus
1 / 24
So zerstört man Rechtspopulismus
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Gegen Nazis und die AfD – zu Besuch bei den «Omas gegen Rechts»
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
649 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
ich_habe_da_mal_eine_frage
02.05.2025 10:17registriert November 2024
Gibt es wirklich Leute, die das noch nicht mitgekriegt haben? Spätestens jetzt gilt, dass "Wir haben nichts gewusst" als Ausrede nicht mehr zählt. In Deutschland, in der Schweiz, überall. Nie wieder ist jetzt,
543133
Melden
Zum Kommentar
avatar
Palpatine
02.05.2025 10:18registriert August 2018
Zuerst einmal etwas Ironie: WAS? ECHT? Hätte ich jetzt aber nicht gedacht, dass die AfD "gesichert rechtsextrem" ist...

Und jetzt ohne Ironie:
Folgt jetzt auf diese "gesicherte" Erkenntnis eine politische Reaktion?
29276
Melden
Zum Kommentar
avatar
ItsMee
02.05.2025 10:12registriert Juni 2017
Lieber spät als nie … das Problem ist, dass man eine Partei mit fast 30% Stimmanteilen jetzt nicht mehr verbieten kann … das würde einen Bürgerkrieg zurfolge haben und die AFD wähler in ihrer Ideologie nur noch bestärken…
250140
Melden
Zum Kommentar
649
    Kardinäle aus Valencia und Nairobi kommen nicht zur Konklave

    Der Vatikan hat die zwei Kardinäle benannt, die nicht am Konklave zur Wahl des neuen Papstes teilnehmen werden: der ehemalige Erzbischof von Valencia, der Spanier Antonio Cañizares, und der frühere Erzbischof von Kenias Hauptstadt Nairobi, John Njue.

    Zur Story