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Sahra Wagenknecht und das BSW suchen nach der Wahlpleite nach Ausreden

Sahra Wagenknechts BSW findet viele Schuldige für die Wahlpleite – nur nicht sich selber

Obwohl das BSW nicht in den Bundestag gekommen ist, möchte Sahra Wagenknecht weitermachen. Schuld am schlechten Ergebnis sind laut Wagenknecht andere.
24.02.2025, 14:49
Carsten Janz / t-online
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t-online

Für das Bündnis Sahra Wagenknecht fehlten bei der Bundestagswahl 0,03 Prozentpunkte oder umgerechnet gut 13'000 Stimmen, um in das Parlament einzuziehen. Wagenknecht macht für den verpassten Einzug in den Bundestag vor allem äussere Faktoren verantwortlich. Von Selbstkritik keine Rede Laut der Parteispitze gab es viele Gründe, warum es die Partei nicht geschafft hat.

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Sahra Wagenknecht am Tag nach den für sie enttäuschenden Bundestagswahlen.Bild: keystone

Widerspenstige Mitglieder aus dem Hamburger Landesverband sind etwa ein Thema. Die Regierungsverantwortung in den Bundesländern, die mit vielen Kompromissen verbunden ist. Die Attentate im Vorfeld der Wahl, die das Thema Migration in den Fokus rückten, eine «mediale Negativkampagne» gegen ihre Partei und auch die Umfrageinstitute, die das BSW künstlich kleingerechnet hätten.

Das sind Narrative, die an den Grundfesten der Demokratie rütteln. Das BSW scheint nach der Wahl den gefährlichen Pfad der Verschwörungserzählungen einzuschlagen. Und sie kündigt eine Prüfung der Rechtmässigkeit der Wahl an.

Es schien, als schlage Sahra Wagenknecht wild in alle Richtungen, als sie in der Bundespressekonferenz ihre Erklärungen für das Scheitern des BSW vortrug. Sie hatte ihr Schicksal vor der Wahl eigentlich an das Ergebnis geknüpft, wörtlich gesagt, dass eine Partei, die nicht im Bundestag ist, «in der deutschen Politik kein relevanter Faktor mehr» sei. Politisch müsste Wagenknecht also tot sein. Doch nun, nach der Wahl, will sie davon nichts mehr wissen.

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Sahra Wagenknecht äussert sich in Berlin zu den Ergebnissen der Bundestagswahl.Bild: keystone

Schuld sind alle anderen

Statt ihren Abschied zu verkünden, trug sie eine Liste von Gründen vor, die ihrer Meinung nach für die Misere verantwortlich seien. Zuerst nannte sie die Koalitionen auf Länderebene, die bei potenziellen BSW-Wählern abschreckend gewirkt hätten. Denn in den Landeshaushalten sei wenig Spielraum für BSW-Politik, wenn noch nicht einmal das Geld für «kostenlose Mittagessen» in Schulen vorhanden sei. Man kann das als harten Aufschlag in der Realität werten – und es zeigt auch die populistische Seite der Partei. Die Lösungen sind meist komplizierter als Wahlslogans wie «Krieg oder Frieden».

Der Digitalminister Steffen Schütz aus Thüringen reagierte auf die Kritik der Parteispitze. «Thüringen, Sachsen und Branden liegen deutlich über dem Bundesdurchschnitt», sagte er gegenüber t-online. Er rate davon ab, vorschnelle Schlüsse zu ziehen. Stattdessen wünsche er sich, dass «wir das gemeinsam und geschlossen zwischen Bundesvorstand und Landesverbänden tun». Er gehe davon aus, «dass wir alle miteinander gestärkt aus dieser Debatte hervorgehen».

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Steffen Schütz (BSW), Thüringer Minister für Digitales und Infrastruktur.Bild: www.imago-images.de

Der zweite Grund, den Wagenknecht für das knappe Scheitern des BSW anführte, hatte zum Erstaunen vieler mit der Mitgliederaufnahme zu tun. Junge Parteien würden nicht nur engagierte Menschen anziehen, sondern auch schwierige Charaktere mit negativen Absichten. Sie nannte explizit die Hamburger BSW-Rebellen, die gegen die restriktive Aufnahmepraxis aufbegehrt hatten. Sie hatten sogar gegen die Satzung des BSW geklagt. Das Ziel der beiden BSW-Mitglieder war eigentlich, das Bündnis demokratischer zu gestalten, mit mehr Mitwirkungsmöglichkeiten für Mitglieder. Nun werden sie von Wagenknecht für den Abstieg der Partei mitverantwortlich gemacht.

«Schwierige Charaktere»

Auf Anfrage teilte Dejan Lazić, einer der beiden Verstossenen, mit: «Schwierige Charaktere und Geltungssüchtige finden sich in den Parteivorständen des BSW. Ihr Hauptinteresse: Mandate und gut dotierte Posten sichern». Lazić weiter: «Statt mit uns Kritikern zu reden, wurden wir sektenartig exkommuniziert. Es glich einer mittelalterlichen Inquisition.» Er spielt also den Ball an die Parteispitze zurück.

Die Zerrissenheit in der jungen Partei ist an diesem Montag zu spüren. Niemand will verantwortlich sein. Einige der von Wagenknecht vorgebrachten Punkte hatten aber auch Hand und Fuss. Etwa, dass es eine grosse Herausforderung gewesen sei, eine schlagfertige Kampagne für eine vorgezogene Neuwahl zu erstellen. Hier hatte die Partei Wettbewerbsnachteile, konnte nicht auf Erfahrungswerte zurückgreifen und musste stark improvisieren.

Auch die Anschläge in Magdeburg, Aschaffenburg und München halfen dem BSW nicht. Der Fokus, der dadurch auf das Thema Migration gelenkt wurde, stellte das Bündnis vor Probleme. «Die Forderung nach Begrenzung der Zuwanderung ist kein Alleinstellungsmerkmal», so Wagenknecht. Viele ihrer Anhänger stammen zudem aus dem Linken Spektrum und können mit der härteren Migrationslinie der Partei nur wenig anfangen. Gut zwei Drittel wünschten sich diese aber. Hier konnte die junge Partei also nur verlieren. Und gerade, wenn es noch keine Stammwähler gibt, fallen selbst wenige Stimmen umso mehr ins Gewicht.

Wenige tausend Stimmen fehlen

13'000 Stimmen fehlten am Ende. Dafür machte Wagenknecht zum Schluss noch zwei Hauptfaktoren aus: die Medien und die Wahlforschungsinstitute. Seit Mitte vergangenen Jahres hätten die Medien im ganzen Land eine Negativkampagne gegen die Partei gefahren. Nachdem am Anfang fair über ihr Bündnis berichtet worden sei, habe sich dies nach der Sommerpause geändert. Das BSW hätte mit seinen Themen «nicht mehr stattgefunden». Diese Erzählung einer Medienbranche, die sich gegen das BSW gewendet habe, läuft Gefahr, den bereits bestehenden Vertrauensverlust in klassische Medien weiter zu befeuern. Und sie entspricht nicht der Realität.

Für die Chefin einer Partei, die den Umfragen zufolge kaum 5 Prozent erreichen würde, spielte Wagenknecht medial eine grosse Rolle. Sie sass in Talkshows, Wahlarenen und Podcasts, in nahezu allen Leitmedien. Wagenknecht nutzt dieses Beschuldigen der Medien offenbar, um von eigenen Versäumnissen abzulenken.

Dann kommt Wagenknecht zu den anderen angeblichen Hauptverantwortlichen: den Wahlforschungsinstituten. Dabei stellt sie das Institut Forsa heraus, und nennt sogar den Namen des Geschäftsführers, Manfred Güllner. Dieser hätte mit einer Umfrage 48 Stunden vor der Wahl, bei der das BSW bei drei Prozent stand, negativen Einfluss genommen. «Gut 66 Prozent Abweichung vom endgültigen Ergebnis kann kein seriöses Wahlforschungsinstitut leisten», so Wagenknecht auf der Bundespressekonferenz.

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Manfred Güllner, Forsa-Chef (Archivbild).Bild: www.imago-images.de

Die Vorsitzende des BSW witterte hier Vorsatz. Das Umfrageergebnis hätte viele davon abgehalten, ihre Partei zu wählen. Sie unterschlägt dabei, dass die Fehlertoleranz nahezu bei allen Instituten bei 2,5 Prozentpunkten liegt. Und dass das BSW bei allen anderen Wahlforschungsinstituten zwischen vier und fünf Prozent lag – also innerhalb der Toleranzgrenzen. Die vermeintliche Verschwörung, die Wagenknecht nun gegen ihre Partei herbeiredet, passt kaum mit einem demokratischen Grundverständnis zusammen.

Vielleicht sucht sie aber auch nach Gründen, ihren Vorsitz nicht abzugeben. Denn auf Nachfrage, ob sie nicht eigentlich hinschmeissen müsste, sagte sie: «Die Schlagzeile wollen sie gerne haben, die werde ich aber nicht liefern.» Sie macht also zunächst als politisch Untote weiter. Mal sehen, wie lange.

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147 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Überdimensionierte Riesenshrimps aka Reaper
24.02.2025 14:58registriert Juni 2016
Wollte Sahra Wagnerknecht nicht Aufhören wenn ihre Partei die 5% nicht knackt?

Schade, hätte mich über ihre neue Wahlheimat Moskau gefreut...
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Kafeetrinker
24.02.2025 15:14registriert Januar 2023
Ich habe noch nie gehört von einem Populist : "Ja, es ist meine Schuld, ich übernehme volle Verantwortung."
Nur ein Erfolg ist allein dem Populist zu verdanken.
... und Sahra Wagenknecht ist Populistin von die gröbste Sorte.
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Ben_solo
24.02.2025 15:16registriert Januar 2021
Ich denke es wäre an der Zeit für Sahra eine eigene Partei zu gründen….oh wait! Es ist halt schon bedauerlich und unverständlich für sie, dass in Deutschland bei Wahlen keine russischen Regeln gelten. Arme, arme Sahra! 🥺
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