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Bundestagswahl 2025: Das sagen Schweizer Parlamentarier zu Deutschland

epa11919051 Chairman of Germany's Christian Democratic Union (CDU) Friedrich Merz (R) and State Premier of Bavaria and Christian Social Union (CSU) chairman Markus Soeder (L) celebrate during the ...
Friedrich Merz wird neuer Bundeskanzler Deutschlands. Hier freut er sich mit CSU-Chef Markus Söder.Bild: keystone

«Schwarzer Tag für Deutschland» – das sagen Schweizer Parlamentarier zur Bundestagswahl

Die CDU/CSU gewinnt die Bundestagswahl, SPD und Grüne werden abgestraft. Die AfD kann ihren Wähleranteil verdoppeln und ist neu zweitstärkste Kraft. Bürgerliche Schweizer Parlamentarier zeigen sich über das Wahlresultat erfreut, für Links-Grün ist es dramatisch.
24.02.2025, 04:5324.02.2025, 13:20
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Deutschland hat gewählt und die Schweiz mit Argusaugen zugeschaut. Die Bundestagswahl sorgt auch hierzulande für Aufregung. Wie bewerten Schweizer Parlamentarier das Wahlresultat? Was halten sie von Wahlsieger Friedrich Merz? Wie beurteilen sie den Absturz der SPD und den Erfolg der AfD? watson hat bei allen grossen Parteien nachgefragt.

Fabian Molina, Nationalrat SP

«Das Ergebnis der Bundestagswahl ist dramatisch. Ein schwarzer Tag nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa. Man hat nun eine Partei mit 20 Prozent Wähleranteil im Bundestag, die in Teilen als gesichert rechtsextrem gilt. Das macht Angst. Gerade in Deutschland haben rechtsextreme Parteien in der Vergangenheit viel Schaden angerichtet.

Zweitstimmen

Vorläufiges Amtliches Ergebnis | Total: 630 Sitze

CDU/CSU

28.5%

+4.4

AfD

20.8%

+10.5

SPD

16.4%

-9.3

Grüne

11.6%

-3.2

Linke

8.8%

+3.9

BSW

4.9%

+4.9

FDP

4.3%

-7.2

Sonstige

4.7%

-4.0

Quelle: Bundeswahlleiterin | Grafik: watson

Was ich sehr bedauere, ist der Absturz der SPD auf das historisch schlechteste Ergebnis in der Geschichte Deutschlands. Was man als positiv werten kann, ist, dass SPD, Grüne und Linke zusammen doch auf 37 Prozent kommen.

Dass CDU-Chef Friedrich Merz bezüglich der Brandmauer zur AfD nicht zu trauen ist, hat man in den vergangenen Wahlkampfwochen gesehen. Ein Antrag zu Verschärfungen in der Migrationspolitik kam mithilfe von AfD-Stimmen zustande. Dies, obwohl Merz eine solche Zusammenarbeit kurz zuvor noch kategorisch ausgeschlossen hatte. Es zeigt, dass Merz in der Hitze des Gefechts schnell seine Grundsätze verrät und die Nerven verliert.

Fabian Molina, SP-ZH, spricht waehrend der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 19. September 2024 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
SP-Nationalrat Fabian Molina zeigt sich über das Resultat der Bundestagswahl besorgt.Bild: keystone

Es ist legitim, dass die CDU/CSU eine Regierung mit der AfD ausschliesst. Für eine Koalition braucht es kompromissfähige Partner, und das ist die AfD sicher nicht. Als das deutsche Bürgertum zudem das letzte Mal die Rechtsextremen in die Regierung eingebunden hat, kam Adolf Hitler an die Macht. Es gibt sehr viele gute Gründe, dass die Brandmauer in Deutschland eine solch grosse Bedeutung hat.

«Die AfD fährt einen russlandfreundlichen Kurs. Gleichzeitig ist die grösste Gefahr für Deutschland aktuell sicher Russland und nicht ein paar Asylsuchende, die ein Attentat begehen.»

Dass möglicherweise viele Menschen die AfD aufgrund der Attentate in den vergangenen Wochen wählten, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Die AfD ist in keiner Weise eine glaubwürdige Kraft, um die Sicherheit in Deutschland zu erhöhen. Sie fährt einen wahnsinnig russlandfreundlichen Kurs. Gleichzeitig ist die grösste Gefahr für Deutschland aktuell sicher Russland und nicht ein paar Asylsuchende, die ein Attentat begehen. Auch wenn diesbezüglich im Einzelfall natürlich Handlungsbedarf besteht.

Letztlich hat die CDU/CSU das gute Resultat der AfD massgeblich begünstigt. Sie hat während des Wahlkampfs über nichts anderes geredet als die Migrationspolitik. Hätte die CDU einen anderen Wahlkampf geführt, wäre sie nun bei über 30 und die AfD bei 15 Prozent.»

Pascal Schmid, Nationalrat und Asylchef SVP

«Es war absehbar, dass SPD und Grüne für ihre desaströse Migrations- und Wirtschaftspolitik abgestraft werden. Das starke Abschneiden der CDU/CSU und der AfD wiederum ist ein Ausdruck des Wählerwillens, die unkontrollierte Asylmigration zu stoppen, die eigene Bevölkerung besser zu schützen und die vielen Kriminellen und Illegalen endlich abzuschieben. Deutschland hat da sehr ähnliche Probleme wie die Schweiz. Mich freut es, wenn jene politischen Kräfte in Europa gestärkt werden, welche die unkontrollierte Migration eindämmen wollen.

«In einer Demokratie darf es jedoch keine Brandmauern geben. Es ist undemokratisch, wenn man die AfD als undemokratisch bezeichnet.»

Die naheliegendste, die logischste Koalition bestünde aus CDU/CSU und AfD. Das grösste Paradox dieser Wahl ist, dass diese Koalition bereits im Vorfeld ausgeschlossen worden ist. In einer Demokratie darf es jedoch keine Brandmauern geben. Es ist undemokratisch, wenn man die AfD als undemokratisch bezeichnet.

Nationalrat und SVP Asylchef Pascal Schmid, TG, nimmt an einer Podiumsdiskussion zur geplanten Grenzschutzinitiative teil, an der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz, am Samstag, 17. August 2024 in ...
Für SVP-Nationalrat Pascal Schmid war der Absturz von SPD und Grünen zu erwarten.Bild: keystone

Dass man sogar Anträge nur deshalb nicht stellen darf, weil sie von der AfD unterstützt werden, ist grotesk und schiesst völlig am Wählerwillen vorbei. Dabei ist dieser eindeutig, wenn eine Partei, die von allen Seiten, auch von den Medien, verteufelt wurde, ihren Wähleranteil verdoppelt.

Sitze

Vorläufiges Amtliches Ergebnis | Total: 630 Sitze

CDU/CSU

208 Sitze

AfD

152 Sitze

SPD

120 Sitze

Grüne

85 Sitze

Linke

64 Sitze

BSW

0 Sitze

FDP

0 Sitze

Sonstige

1 Sitze

Quelle: Bundeswahlleiterin | Grafik: watson

Die Extremismus-Diskussion müsste man nicht nur rechts, sondern auch links führen. Linksextremismus scheint in Deutschland aber kein Problem zu sein, Rechtsextremismus schon. Bei uns ist das ähnlich. Die meisten Medien sind auf dem linken Auge blind.

Für die CDU/CSU wird es schwierig bis unmöglich, ihre Versprechen im Bereich Migration umzusetzen, wenn es zu einer Regierung kommt, der auch SPD oder Grüne angehören. In der Schweiz würde man die AfD in die Regierungsverantwortung einbinden, wie in jedem anderen demokratischen Land, es wäre das Normalste der Welt.»

Thierry Burkart, Parteipräsident FDP

«Das Wahlresultat ist ein klarer Regierungsauftrag an die CDU/CSU. Gleichzeitig werden die Ampel-Parteien klar abgestraft, Deutschland möchte einen Regierungswechsel in eine bürgerliche Richtung. Für den designierten Kanzler Friedrich Merz dürfte es jedoch ziemlich schwierig werden, eine Regierung zu bilden und so sein Wahlprogramm zu realisieren.

Das Scheitern der FDP hat klare Gründe. Die FDP war Teil der Ampelregierung, im Wahlkampf konnte sie jedoch nicht aufzeigen, dass sie sich von der Politik der Ampel lösen kann. Dafür wurde sie ganz klar abgestraft. Nur Schlimmeres zu verhindern, reicht in einer Regierung nicht. Die Wählerschaft der FDP möchte eine liberale Politik sehen, das ist der FDP zu wenig gelungen.

Ich bedauere, dass es im neuen Bundestag keine liberale Stimme mehr gibt, muss aber auch sagen, dass dies zu einem sehr grossen Teil selbst verschuldet ist. Die FDP war viel zu lange Teil der Ampelkoalition.

Thierry Burkart, Parteipraesident der FDP, spricht an der Delegiertenversammlung der FDP Die Liberalen Schweiz, am Samstag, 18. Januar 2025 in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
FDP-Chef Thierry Burkart betrachtet den Absturz der deutschen FDP zu einem grossen Teil als selbst verschuldet.Bild: keystone

Der primäre Fokus von Friedrich Merz liegt nun auf der dringend notwendigen wirtschaftspolitischen Stärkung Deutschlands und der EU. Er wird sich für einen Abbau von Bürokratie und für mehr wirtschaftliche Freiheiten einsetzen. Ob ihm dies gelingen wird, ist angesichts der Koalitionsmöglichkeiten zumindest fraglich.

Ein wirtschaftlich starkes Deutschland ist für Europa aber entscheidend. Nur so kann Europa auf der weltpolitischen Bühne wieder mehr mitreden, was sich wiederum positiv auf die Sicherheitspolitik auswirkt, welche bei Merz einen hohen Stellenwert geniesst. Dies würde auch der Schweiz zugutekommen.

«Das gute Resultat der AfD hängt mit dem dringend notwendigen Korrekturbedarf bei der Migrationspolitik zusammen – ein Bedürfnis vieler Wählerinnen und Wähler.»

Das gute Resultat der AfD hängt mit dem dringend notwendigen Korrekturbedarf bei der Migrationspolitik zusammen – ein Bedürfnis vieler Wählerinnen und Wähler. Dieses Signal müssen die künftigen Regierungsparteien ernst nehmen, sonst droht, dass die AfD in Zukunft noch stärker wird.

Es ist ein freier Entscheid der Regierungspartei, auswählen zu können, mit wem sie zusammenarbeiten möchte. Dass Merz eine Koalition mit der AfD ausschliesst, ist etwas, das man aus der Schweiz so nicht kennt. Hier arbeiten wir je nach Sachgeschäft über alle demokratisch gewählten Parteigrenzen hinweg zusammen.»

Philipp Matthias Bregy, Fraktionspräsident Mitte

«Ich bin erfreut, dass die CDU/CSU, unsere deutsche Schwesterpartei, so deutlich dazugewinnt. Plus 4,4 auf fast 29 Prozent. Das ist ein starkes Zeichen und lässt hoffen, dass die Politik in Deutschland wieder an Stabilität gewinnt. Das Wahlresultat zeigt aber auch, dass es nicht einfach werden wird, eine solide Regierungskoalition zu bilden.

«An den Polen links und rechts lassen sich keine guten und nachhaltigen Lösungen realisieren. Ob AfD oder die Linke, beide Parteien betreiben extreme Ideologiepolitik.»

Die guten Resultate der AfD und der Linken zeigen, dass die Polparteien immer populärer werden. Das macht es schwieriger, eine sachliche, lösungsorientierte Politik zu betreiben. Umso wichtiger ist es, dass die konsensorientierten Mitte-Parteien in Europa – in Deutschland die CDU/CSU, in der Schweiz die Mitte – eine starke Position einnehmen und für einen Ausgleich sorgen. An den Polen links und rechts lassen sich keine guten und nachhaltigen Lösungen realisieren. Ob AfD oder die Linke, beide Parteien betreiben extreme Ideologiepolitik.

Philipp Matthias Bregy, Mitte-VS, spricht zur Grossen Kammer, an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 13. Juni 2024 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Mitte-Fraktionspräsident Philipp Matthias Bregy zeigt sich erfreut über den Erfolg der Schwesterpartei CDU/CSU.Bild: keystone

Dass die CDU/CSU nicht mit der AfD regieren möchte, ist legitim. Eine Regierung benötigt mehr als eine rein mathematische Mehrheit, sie muss inhaltlich funktionieren. Liegen die beteiligten Parteien inhaltlich zu weit auseinander, wird es schwierig. Man hat bei der Ampel-Regierung gesehen, wozu dies führen kann.

Als Schweiz haben wir ein grosses Interesse, dass Deutschland als wichtiger Verbündeter stabile Verhältnisse vorweist. Europa ist für die Schweiz wichtig, Deutschland darin ein zentraler Player, ein Nachbarland, das die gleiche Sprache spricht. Ein starkes Deutschland hilft der Schweiz.»

Balthasar Glättli, Nationalrat Grüne

«Ich halte es für bemerkenswert, dass trotz der Themenlage der vergangenen Wochen, die den Rechtspopulisten in die Hände spielte, die AfD ziemlich genau dort landet, wo es die Prognosen vermutet haben. Ich bin froh, dass die AfD in diesem aufgeheizten Klima, mit vielen Einflüssen von Online-Plattformen und Desinformationskampagnen, nicht viel mehr als 20 Prozent Wähleranteil erreicht hat.

«Die CDU ist klar unter 30 Prozent und macht das zweitschlechteste Resultat ihrer Geschichte.»

Gleichzeitig hat sich das Hinwenden nach Rechtsaussen für die CDU offenbar nicht ausbezahlt. Die CDU ist klar unter 30 Prozent und macht das zweitschlechteste Resultat ihrer Geschichte.

Balthasar Glaettli, Parteipraesident Gruene Schweiz, spricht waehrend der Medienkonferenz zur Lancierung der Klimafonds-Initiative der Gruenen und SP, am Dienstag, 6. September 2022, in Bern. (KEYSTON ...
Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli verweist auf das gute Resultat der Grünen.Bild: keystone

Wenn man schaut, wie die Grünen bei der letzten Bundestagswahl abgeschnitten haben, als grüne Themen hochaktuell waren, und wie heute, wo nur Gegenwind da war und Umwelt und Klima keine Rolle spielten, sind die knapp 12 Prozent ein respektables Resultat. Das deutlich zweitbeste in der Geschichte der Bundesrepublik.

Einer von Robert Habecks Fehlern war, dass er sich zu lange auf eine redliche Debatte mit der Koalitionspartnerin FDP verlassen hat. Er und Olaf Scholz haben zu spät realisiert, dass Lindner die Ampel-Regierung innerlich längst aufgekündigt hatte. Beim Heizungsgesetz hätte er zudem sehr viel schneller Dinge klarstellen und Fehlinformationen korrigieren müssen. Im Wahlkampf hat er das dann gut gemacht, aber da hatte sich das klar falsche Narrativ bei der Bevölkerung bereits verfestigt.

Ich möchte gerne noch klarstellen, dass der Grund für die höheren Energiepreise nicht die ökologische Wende war, im Gegenteil. Der Grund war der Angriffskrieg von Wladimir Putin auf die Ukraine und die damit verbundene Explosion der Gaspreise.»

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In vino veritas
24.02.2025 06:05registriert August 2018
Der Herr Molina ist der Beste Grund die AfD oder hierzulande eben die SVP zu wählen. Die Probleme werden schlicht geleugnet und es sind ja lediglich Einzelfälle (aktuell im Wochentakt!). Mit solchen Politikern wird es die AfD bei den nächsten Wahlen noch leichter haben und auch bei der SVP dürfte man sich über solche Aussagen freuen.
383173
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Hirngespinst
24.02.2025 05:24registriert August 2019
«Die AfD fährt einen russlandfreundlichen Kurs. Gleichzeitig ist die grösste Gefahr für Deutschland aktuell sicher Russland und nicht ein paar Asylsuchende, die ein Attentat begehen.»

Sehen die Betroffenen sicher genauso....
Meine Güte, manchmal sollte man lieber nur denken statt sprechen.
406205
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Troll26
24.02.2025 06:01registriert März 2020
"Gleichzeitig ist die grösste Gefahr für Deutschland aktuell sicher Russland und nicht ein paar Asylsuchende, die ein Attentat begehen. Auch wenn diesbezüglich im Einzelfall natürlich Handlungsbedarf besteht".
Fabian Molina, ist auch einer der es nie lernt.
358161
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