Nach einer ungewöhnlichen Häufung von Handfehlbildungen bei Neugeborenen in einer Gelsenkirchener Klinik in Deutschland melden sich immer mehr Betroffene zu Wort. Auch über die Landesgrenzen hinweg verfolgen Eltern von Kindern mit ähnlichen Fehlbildungen die Berichterstattung. Wie beispielsweise Nadine Bach und Andreas Fünfrock aus dem Saarland (De): Sie haben im Juli eine kleine Tochter mit nur einer gesunden Hand bekommen. Nadine Bach erzählt, wie sie die Fehlbildung ihrer Tochter erleben.
Zunächst war es ein grosser Schock für Nadine Bach, als ihr der Säugling nach der Geburt in die Arme gelegt wurde. Denn erst da bemerkte die Mutter, dass etwas mit ihrem Kind nicht stimmte: Die linke Hand von Nelja ist nicht voll ausgebildet, der zwei Monate alte Säugling hat nur einen halben Handteller, einen kleinen Daumen und Fingerkuppen.
«Wir haben ja schon zwei gesunde Kinder, da rechnet man einfach nicht mit so etwas», sagt die Mutter. Vor der Geburt habe niemand die Fehlbildung ihrer Tochter erkannt, auch danach habe man ihr nichts gesagt. «Zunächst ist niemandem etwas aufgefallen, ich habe es schliesslich selbst gesehen», erinnert sie sich. In der Klinik im Saarland habe man ihr zur Geburt am 2. Juli 2019 gesagt, die Fehlbildung sei «eine Laune der Natur».
Und so habe man sie 48 Stunden nach der Geburt auch aus dem Krankenhaus entlassen und gesagt, der Kinderarzt könne sicher mehr Informationen geben. «Aber das war alles sehr enttäuschend: Weder in der Klinik, noch von der Hebamme oder dem Kinderarzt haben wir Unterstützung bekommen», erinnert sich Nadine Bach. Bis heute habe sich die Klinik nie mehr gemeldet.
«Es gibt auch keine Beratungsstellen, wir waren bisher nur in einer Spezialklinik», erzählt Nadine Bach, in der näheren Umgebung seien alle mit der Situation überfordert, auch die Spezialklinik in Ludwigshafen habe sie sich selbst suchen müssen. «Das finde ich unverständlich – offenbar gibt es doch sehr viele Betroffene.»
Nach dem Schock im Krankenhaus kam dann eine besonders schwierige Zeit für die 33-Jährige. Während ihr Mann sich recht schnell mit der Fehlbildung seiner Tochter arrangiert habe, habe sie «wochenlang nur geweint». «Ich hatte riesige Schuldgefühle: Nelja ist ein Wunschkind, Alkohol, Zigaretten oder Medikamente kamen nicht in Frage – aber als Mama denkt man sofort, dass man etwas falsch gemacht haben muss.»
Zu den Schuldgefühlen mischte sich auch die Sorge: Wird ihre Tochter später alles machen können, was sie möchte? Wird es ihr gut gehen? Wird sie gehänselt werden? Die beiden älteren Brüder von Nelja hätten besonders erwachsen reagiert, erzählt Nadine Bach, trotzdem sei es ihre grösste Sorge, dass ihre Tochter später Mobbing ausgesetzt sein könnte, weil sie nicht ist wie die anderen Kinder. «Ich hoffe, dass wir sie bis dahin so selbstbewusst erzogen haben, dass sie da drüber steht.»
Für Nadine Bach hatten die vielen Medienberichte über Fehlbildungen bei Säuglingen aber schon jetzt etwas Gutes: «Wir haben Kontakt zu anderen Betroffenen geknüpft», erzählt sie, deren Kinder seien zwar schon älter als Nelja, das sei aber besonders positiv, um Ängste zu nehmen. «Die anderen Kinder können auch alles ganz normal machen, das beruhigt natürlich etwas.»
Nadine Bach und Andreas Fünfrock könnten ihre Tochter auch operieren und einen Zeh als Finger transplantieren lassen, wie sie in der Spezialklinik erfahren haben. Das sei jedoch keine Option. Auch von einer Prothese sei abgeraten worden, Kinder wie Nelja würden sich viel besser ohne Hilfsmittel zurechtfinden und Prothesen nur ablehnen.
«Aber ich hätte mir eben gewünscht, dass man schon direkt nach der Geburt soviel Unterstützung erhält», betont die Mutter. Mindestens eine Anlaufstelle hätte sie gebraucht – eigentlich erwarte sie aber, dass Ärzte «zumindest ein gewisses Grundwissen» über Handfehlbildungen haben. Stattdessen habe sich die Medizin in diesem Bereich seit etwa 40 Jahren nicht weiterentwickelt.
Abgesehen von den regelmässigen Besuchen in der Spezialklinik wollen Nadine Bach und ihr Mann ihre Tochter nun aber erst einmal «Kind sein lassen» und in etwa einem Jahr noch einmal schauen, wie sie sie unterstützen können. Dann soll Nelja zunächst geröntgt werden, um zu sehen, ob sich ihr Körper normal entwickelt. «Und egal, was die Forschung herausfindet: Eine Hand bekommt Nelja davon nicht.»
Das wäre nämlich die einzige Möglichkeit schnell und effizient auf einen eventuellen neuen schweren Fall von Medikamentennebenwirkungen oder auch Pestizidnebenwirkungen zu reagieren.
Die Krankenkassen speichern ja sonst auch alles. Warum ausgerechnet sowas nicht?
Wegen dem Datenschutz? Eine Zentrale Meldung muss nicht bedeuten "Hans Meier hat keine Hände", sondern "Kind, männlich, Landkreis XY, keine Hände".