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SPD zieht im Asyl-Streit rote Linie

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Haben Gesprächsbedarf: SPD-Parteichefin Andrea Nahles und Angela Merkel. Bild: EPA/EPA

SPD zieht im Asyl-Streit rote Linie – Flüchtlinge sollen nicht eingesperrt werden

03.07.2018, 18:3703.07.2018, 22:06
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Der SPD hält sich eine Zustimmung zum hart errungenen Asylkompromiss von CDU und CSU offen. Nach einem Treffen der Koalitionsspitzen in Berlin zeigten sich SPD-Chefin Andrea Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz am Dienstagabend aber trotz Vorbehalten verhalten optimistisch, mit der Union eine Einigung zu erzielen.

Besonders umstritten sind von der Union geplante Transitzentren an der deutsch-österreichischen Grenze in Bayern, in denen Flüchtlinge auf ihre Zurückweisung warten sollen.

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Zeigen sich verhalten optimistisch: Andrea Nahles und Olaf Scholz. Bild: EPA/EPA

«Alles ist noch im Fluss und wir brauchen noch etwas Zeit, um das präzise zu machen», sagte Scholz nach dem Gespräch, an dem auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer teilnahmen. «Mit einem politischen Bekenntnissatz ist es nicht getan.» Ziel sei eine «vernünftige, pragmatische, gesetzliche ordentliche Regelung», sagte Scholz ohne Details zu nennen.

Gegen Gefängnisse

SPD-Vize Ralf Stegner hatte vor Beginn des Treffens betont, gefängnisähnliche Einrichtungen lehne seine Partei ab. «Wir wollen keine Flüchtlingsfamilien hinter bewachten Zäunen».

CDU und CSU wollen an der deutsch-österreichischen Grenze von ihnen so genannte Transitzentren für Flüchtlinge einrichten. Von dort sollen Asylbewerber, für deren Verfahren ein anderer EU-Staat zuständig ist, in diesen Staat zurückgebracht werden - wenn es denn entsprechende Abkommen gibt.

In den Transitzentren sollen nach den Unionsplänen Menschen nur wenige Tagen bis zu einer Rückführung bleiben. Die SPD hatte aber bereits 2015 solche Einrichtungen als «Haftzentren» abgelehnt. Damals ging es allerdings um tausende die Grenze überquerende Menschen, heute nur um wenige Fälle mit zudem kurzer Aufenthaltszeit.

Eine Umsetzung des Kompromisses hängt auch stark von Österreich ab. So ist die Frage, was mit Flüchtlingen geschehen soll, die schon in anderen Staaten wie zum Beispiel Italien registriert sind, und über Österreich nach Deutschland eingereist sind.

Da Deutschland mit der Mehrheit der EU-Staaten - darunter Italien - keine Vereinbarungen für beschleunigte Rückführungen hat, würden diese Menschen einfach nach Österreich geschickt werden.

Österreichs Sympathie hat Grenzen

«Wir sind sicherlich nicht bereit, Verträge zu Lasten Österreichs abzuschliessen», sagte dazu am Dienstag Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. Die grundsätzliche Sympathie für die neue deutsche migrationskritische Linie habe ihre Grenzen. «Es ist noch nicht ganz klar geworden, was Deutschland hier genau vorhat.»

Kurz erwartet von einem Treffen mit dem deutschen Innenminister Seehofer am Donnerstag in Wien weitere Aufklärung. Seehofer hatte zunächst im Asylstreit mit Kanzlerin Merkel mit Rücktritt gedroht. Er wollte schon woanders registrierte Flüchtlinge direkt an der Grenze durch neue Kontrollen abfangen und wegschicken - auch wenn unklar ist, wohin sie dann gehen könnten. Merkel lehnte das ab. Als Lösung wurde die alte Idee der Transitzentren neu belebt.

Austrian Chancellor Sebastian Kurz adjusts his earphones during a joint press conference held at the European Parliament, in Strasbourg, eastern France, Tuesday, July 3, 2018. Austria takes over the E ...
Sebastian Kurz: «Es ist nicht klargeworden, was Deutschland hier vor hat.»Bild: AP/AP

Führende SPD-Landespolitiker kritisierten, der Unions-Kompromiss sei zu schwammig. Opposition und Hilfsorganisationen riefen die SPD auf, den Beschluss abzulehnen. Mit der Einigung war nach wochenlangem Streit ein Kompromiss zwischen Kanzlerin Merkel Seehofer vorerst befriedet worden. Auch ein Bruch zwischen CDU und CSU schien zwischenzeitlich möglich.

Viele Fragen

Am Dienstagabend hatten SPD-Chefin Nahles und Vizekanzler Scholz bei dem Treffen mit Merkel und Seehofer noch viele Fragen, am Donnerstag soll es den nächsten Koalitionsausschuss geben.

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig warf Merkel mangelnde Absprachen vor. Die Ergebnisse der Unionseinigung seien ohne Beratung mit dem Koalitionspartner SPD präsentiert worden, sagte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern im NDR.

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Angela Merkel: Der Bundeskanzlerin wird seitens des Koalitionspartners mangelnde Kommunikation vorgeworfen. Bild: EPA/EPA

Die österreichische Aussenministerin Karin Kneissl kritisierte, die Pläne der Union würden «eine ganze Reihe von europarechtlichen und damit auch politischen Fragen» aufwerfen. «Wir wurden zu keinem Zeitpunkt einbezogen. Und wir warten jetzt auf weitere Details von deutscher Seite», sagte Kneissl am Dienstag in Schengen (Luxemburg) am Rande eines Treffens mehrerer europäischer Aussenminister.

Kurz, Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) haben sich vorbehalten, Massnahmen zur Sicherung der österreichischen Südgrenze mit Italien zu ergreifen - von dort kommen mit die meisten Asylsuchenden über Österreich nach Deutschland.

«Ungedeckte Schecks»

In Deutschland hängt innenpolitisch nun alles an der SPD: Parteichefin Andrea Nahles sagte, es gebe «noch ungedeckte Schecks in dieser Verabredung». Neben fehlenden Abkommen mit Italien und Österreich sei der Begriff Transitzentren irreführend.

SPD-Generalsekretär Klingbeil sagte der «Rheinischen Post» (Mittwoch). «Unser Beschluss gilt: Wir wollen keine geschlossenen Lager.» SPD-Justizministerin Katarina Barley kritisierte in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: «Diese sogenannte Einigung lässt mehr Fragen offen, als sie beantwortet.» Grundlage für die Zusammenarbeit in der Regierung bleibe der Koalitionsvertrag.

Auch Juso-Chef Kevin Kühnert sagte der Nachrichtenagentur DPA, die SPD lehne geschlossene Lager klar ab - «egal ob in Nordafrika, an der europäischen Aussengrenze oder in Passau.»

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Wehrt sich gegen geschlossene Lager: Juso-Chef Kevin Kühnert.Bild: EPA/EPA

Kritik von Hilfsorganisationen

Scharfe Kritik an dem Kompromiss gab es aus der Opposition. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch rief die SPD dazu auf, den Plänen des Koalitionspartners nicht zuzustimmen. Die angepeilten Transitzonen seien rechtswidrig, kritisierte Bartsch. Auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte von der SPD, die Einigung der Union abzulehnen.

Ebenso argumentierten die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl und das internationale Kinderhilfswerk Terre des Hommes. «Schutzsuchende wegzusperren ist eine Verrohung unserer Gesellschaft. Wir fordern die SPD auf, nicht teilnahmslos zuzusehen und bei ihrer gut begründeten Position aus 2015 zu bleiben», sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. (cma/sda/dpa)

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34 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Spooky
03.07.2018 20:50registriert November 2015
Seid ihr Gutmenschen eigentlich von allen guten Geistern verlassen? Wenn ich in der Schweiz an Leib und Leben bedroht würde und darum nach Deutschland geflüchtet wäre, dann wäre es mir doch total egal, dass ich eine Zeitlang irgendwo eingesperrt würde, damit die Deutschen abklären könnten, ob es wahr sei, was ich ihnen erzähle.
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Scaros_2
03.07.2018 18:58registriert Juni 2015
Ist die Rote Linie jetzt die neue Windfahne der SPD?
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Bündn0r
03.07.2018 23:32registriert Januar 2018
In diesen Einrichtungen landen einzig Personen, die gegen geltendes Recht verstosen haben und trotz Registrierung unerlaubterweise nach DE weitergereist sind.
Wenn man nicht einmal mehr überführte Straftäter einsperren darf, wie wollen wir denn noch unseren (bzw sie ihren) Rechtsstaat verteidigen?
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