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Gefährliche Legalisierung? Cannabis-Pläne in Deutschland wecken Sorgen

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Ein Mann raucht einen Joint mit Marihuana (Symbolbild).Bild: DPA dpa

Cannabis-Pläne in Deutschland wecken Sorgen

Die deutsche Regierung will Vereinen den Anbau der Droge erlauben. Gesundheitsminister Lauterbach spricht von einem Meilenstein, doch Fachleute reagieren skeptisch.
16.08.2023, 16:27
Hansjörg Friedrich Müller, Berlin / ch media
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Die deutsche Regierung aus SPD, Grünen und FDP ist mit dem Anspruch angetreten, eine «Fortschrittskoalition» zu sein. Eines der Vorhaben, die dieses Label rechtfertigen sollen, ist die Legalisierung von Cannabis. So weit wie im Koalitionsvertrag vom Herbst 2021 vorgesehen, wollen die drei Parteien allerdings doch nicht gehen: Dort hiess es, der Verkauf «zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften» solle erlaubt werden. Davon war keine Rede mehr, als Gesundheitsminister Karl Lauterbach am Mittwoch die Pläne vorstellte, auf die sich die Regierung geeinigt hat.

Gestattet werden soll der Besitz von bis zu 25 Gramm und der Anbau von drei Pflanzen für den Eigenbedarf. In Läden soll die Droge nicht verkauft werden dürfen. Stattdessen ist der gemeinschaftliche Anbau in Vereinen vorgesehen, die Cannabis nur an ihre Mitglieder abgeben dürfen. Die Clubs dürfen höchstens 500 Mitglieder haben, die volljährig sein müssen.

Einsparungen von einer Milliarde Euro?

In der Nähe von Schulen und Kindertagesstätten soll der Konsum verboten sein. Ein Verein darf jedem Mitglied höchstens 25 Gramm pro Tag und 50 Gramm pro Monat abgeben. Personen unter 21 Jahren dürfen pro Monat nur höchstens 30 Gramm bekommen; zudem soll der Gehalt des Wirkstoffs THC begrenzt werden.

epa10802798 German Health Minister Karl Lauterbach poses in front of a display reading 'Cannabis. Legal, but... I prefer broccoli. Regular cannabis use does not fit into a healthy lifestyle.&#039 ...
Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach nach der Pressekonferenz am 16. August 2023 in Berlin. Bild: keystone

Von der Legalisierung, die im Herbst vom Bundestag verabschiedet werden soll, verspricht sich die Regierung eine Entlastung von Polizei und Justiz; eine Milliarde Euro soll jedes Jahr eingespart werden. 2020 wurden in Deutschland 188'000 Gesetzesverstösse im Zusammenhang mit Cannabis registriert.

Vertreter der oppositionellen Christdemokraten sprechen von einem «kompletten Kontrollverlust», doch auch sozialdemokratische Parteikollegen Lauterbachs äussern sich ablehnend: «Wenn wir irgendetwas jetzt nicht brauchen, dann dieses Gesetz», sagte der Hamburger Innensenator Andy Grote.

Auch in Justizkreisen herrscht Skepsis: Da Handel und Einfuhr weiterhin unter Strafe stünden, werde der Schwarzmarkt nicht zurückgedrängt, argumentiert der Deutsche Richterbund. Durch die Legalisierung könnte sich allenfalls der Schwerpunkt der Ermittlungen verlagern: Verfolgt würden nicht mehr Inhaber von Kleinstmengen, sondern grenzüberschreitend operierende Banden.

Aufklärungskampagnen für Jugendliche

Die Bundesärztekammer gibt zu bedenken, das menschliche Gehirn sei bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs nicht vollständig ausgereift. Cannabis-Konsum könne mit strukturellen Veränderungen des Gehirns einhergehen. Dass Volljährige die Droge bald legal erwerben könnten, sei ein Problem.

Lauterbach sagte, man wolle weder Verhältnisse wie in einigen US-Bundesstaaten, wo kommerzielle Händler möglichst grossen Profit machen wollten, noch wie in den Niederlanden, wo es einen grossen Schwarzmarkt gebe. Da die Vereine nicht gewinnorientiert wären, würden die Preise niedriger als auf dem Schwarzmarkt sein. Dem Konsum unter Jugendlichen will der Minister durch Aufklärungskampagnen entgegenwirken. Dass die Zahl der jugendlichen Kiffer seit Jahren steige, sei vor allem mangelndem Risikobewusstsein geschuldet.

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68 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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H.P. Liebling
16.08.2023 16:46registriert September 2018
Alkohol ist in DE - analog zur Schweiz - ab 16 Jahren legal (zumindest zum Teil). Da spielt die Entwicklung des Gehirns wohl keine so grosse Rolle. Solange Alkohol einfach dazugehört, braucht man gar keine weiteren Argumente für eine Cannabis-Legalisierung. Alles andere ist Doppelmoral vom Feinsten.
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sheshe
16.08.2023 17:27registriert November 2015
"Für Erwachsene ab 18 Jahren soll der Besitz von 25 Gramm erlaubt werden. Privat sollen maximal drei Cannabis-Pflanzen angebaut werden dürfen." (SDA)

Das ist auch wieder nicht durchdacht. Eine Pflanze alleine kann schon weit über 100g Ertrag abgeben. Da wär man als legaler Gärtner ja wieder in der Illegalität nach der Ernte.
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Cpt. Jeppesen
16.08.2023 16:49registriert Juni 2018
Das ist eine Kopfgeburt und keine Legalisierung. Ich hoffe das Bundesverfassungsgericht weist diesen Gesetzesentwurf zurück.
Das Argument, man will keine vollständige Liberalisierung wie in den USA, weil sonst die "Grossen" das Feld übernehmen, zieht nicht. Es würde grosse und kleine geben, aber der Schwarzmarkt würde weitestgehend verschwinden, der Mafia das Geld abgegraben, Steuern können erhoben werden. So aber sollen "Clubs" das regeln. Wenn ich nun Mitglied in mehreren Clubs bin, wer will das kontrollieren?
Mit dem jetzigen Entwurf wird bestenfalls der Schwarzmarkt reorganisiert.
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