Es ist ein «Skandal» ganz nach dem Geschmack von Boulevardmedien und Linken-Hassern: Auf Instagram hat sich Jette Nietzard, die Chefin der Grünen Jugend Deutschlands, mit einem Pulli abgelichtet, der gut lesbar den Schriftzug «acab» trägt und mit dem sie sich auch im Parlament zeigte. Das Akronym steht im Englischen für «all cops are bastards» («Alle Polizisten sind Bastarde») und wird gerne «im linken bis linksextremen Milieu» verwendet, wie die deutsche «Bild»-Zeitung süffig anmerkt.
Der Sturm der Entrüstung, der auf die Publikation folgte, war von der 26-Jährigen bestimmt einkalkuliert – und hat die provokationserprobte Jungpolitikerin wohl trotzdem überrascht. Dass der Chef der deutschen Polizeigewerkschaft sie als Kopf im «wohlstandsverwahrlosten Haufen von Linksextremisten» beschimpft, dürfte Teil der beabsichtigten Wirkung gewesen sein. Zahlreiche Solidaritätsbekundungen aus der bürgerlichen Politik an die Helferinnen und Helfer in Uniform kommen ebenso wenig unerwartet.
Inzwischen liest aber auch eine grüne Kultfigur wie Cem Özdemir der eigenen Nachwuchschefin die Leviten. Der sonst umgängliche Schwabe mit türkischen Wurzeln kann am Montag in den sozialen Medien seinen Ärger kaum zurückhalten: «Das Problem dieser permanenten Grenzüberschreitungen Einzelner ist, dass der Eindruck entsteht, sie hätten irgendwas mit den Grünen zu tun.» Und weiter: «Die Polizei verteidigt in höchstem persönlichen Einsatz jeden Tag die Werte, die uns als Partei ausmachen. Wer das nicht kapiert hat, ist bei uns falsch.»
Özdemirs öffentliche Zurückweisung ist doppelt nachvollziehbar: Der ehemalige Landwirtschaftsminister der Ampelregierung ist am Wochenende von den Grünen Baden-Württembergs als Spitzenkandidat für die Nachfolge von Landesvater und Parteikollege Winfried Kretschmann nominiert worden. Noch aber liegt Özdemir gemäss Umfragen hinter dem CDU-Herausforderer Manuel Hagel zurück. Da kommen Schlagzeilen wie jene um Jette Nietzard höchst ungelegen.
Grünen-Parteichef Felix Banaszak hat sich ebenso entschieden von Nietzards Insta-Story distanziert, die mittlerweile abgelaufen und im Netz nicht mehr abrufbar ist. Angesichts solch geballter Kritik aus den eigenen Reihen dürfte der Jugend-Chefin fast nichts anderes als der geordnete Rückzug übrig geblieben sein.
Im Podcast «5-Minuten-Talk» nimmt Nietzard zu ihrer Kleiderwahl Stellung: Den Pulli besitze sie bloss als Privatperson und natürlich hasse sie «die Polizei nicht als Ganzes» – jedoch das «System dahinter und wie es gerade aufgebaut ist». Indes glaube sie nicht mehr, «dass das der richtige Weg war, um auf die Probleme aufmerksam zu machen.»
Alles bloss eine Ausrede, findet die prompt urteilende «Bild». Womit auch die bisher letzte Schlagzeile in dieser – zweifellos kurzlebigen – Mode-Geschichte gesetzt worden ist. (nib/aargauerzeitung.ch)