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Deutsche Richterkandidatin Brosius-Gersdorf zieht sich zurück

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Frauke Brosius-Gersdorf war nominierte Kandidatin für Deutschlands Bundesverfassungsgericht. Bild: www.imago-images.de

Deutsche Richterkandidatin Brosius-Gersdorf zieht sich zurück

07.08.2025, 13:2207.08.2025, 13:57

Die von der sozialdemokratischen SPD nominierte Kandidatin für Deutschlands Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, steht für das Amt nicht mehr zur Verfügung.

Dies teilte die 54-Jährige über ihre Bonner Anwaltskanzlei mit. Hintergrund ist Widerstand in den Reihen der Fraktion der christdemokratischen Union (CDU/CSU) im Bundestag gegen die Kandidatin der sozialdemokratischen Koalitionspartnerin SPD.

«Wahl ausgeschlossen»

«Nach reiflicher Überlegung stehe ich für die Wahl als Richterin des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr zur Verfügung», erklärte die Potsdamer Juraprofessorin demnach. «Mir wurde aus der CDU/CSU-Fraktion – öffentlich und nicht-öffentlich – in den letzten Wochen und Tagen sehr deutlich signalisiert, dass meine Wahl ausgeschlossen ist. Teile der CDU/CSU-Fraktion lehnen meine Wahl kategorisch ab.»

Auch drohe ein «Aufschnüren des 'Gesamtpakets'» für die Richterwahl. Das gefährde die beiden anderen Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht, «die ich schützen möchte», hiess es weiter. Es müsse verhindert werden, dass sich der Koalitionsstreit wegen der Richterwahl zuspitze «und eine Entwicklung in Gang gesetzt wird, deren Auswirkungen auf die Demokratie nicht absehbar sind».

Brosius-Gersdorf wollte Schaden für Gericht vermeiden

Die Wahl von Brosius-Gersdorf und zwei weiteren Nominierten für das höchste deutsche Gericht war im Juli im Parlament kurzfristig abgesetzt worden. Teile der Unionsfraktion hatten Vorbehalte gegen die von der SPD nominierte Brosius-Gersdorf. Als Grund wurden unter anderem Äusserungen zum Schwangerschaftsabbruch und zu einer möglichen Impfpflicht in Corona-Zeiten angeführt. Auch meldete sich kurz vor der geplanten Wahl der Plagiatssucher Stefan Weber mit Fragen zur Dissertation der Staatsrechtlerin zu Wort.

Brosius-Gersdorf hatte zunächst an ihrer Nominierung festgehalten. Sie hatte in der ZDF-Sendung «Markus Lanz» aber auch erklärt, sie würde verzichten, falls dem Gericht in der Debatte Schaden drohen sollte. «Das ist ein Schaden, den kann ich gar nicht verantworten.» Das Bundesverfassungsgericht müsse in Ruhe arbeiten können und funktionsfähig bleiben.

Die Jura-Professorin betonte damals: «Ich möchte auch nicht verantwortlich sein für eine Regierungskrise in diesem Land, weil wir nicht wissen, was dann hinterher passiert. Das sind alles Aspekte, die nehme ich unheimlich ernst und die bedenke ich.»

Geplatzte Wahl im Bundestag

Obwohl die Fraktionsführung der Union die Nominierung von Brosius-Gersdorf zunächst mitgetragen hatte, konnte sie die mit dem Koalitionspartner verabredete Unterstützung unmittelbar vor der geplanten Wahl nicht mehr garantieren. Auch die Wahlen des Unionskandidaten Günter Spinner und der zweiten SPD-Kandidatin Ann-Katrin Kaufhold wurden von der Tagesordnung genommen.

German Chancellor Friedrich Merz attends a cabinet meeting at the chancellery in Berlin, Germany, Wednesday, Aug. 6, 2025, (AP Photo/Ebrahim Noroozi)
Friedrich Merz
Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz ist seit Mai 2025 im Amt.Bild: keystone

Wie die seit Mai regierenden Koalitionspartner der Union von Kanzler Friedrich Merz und der SPD das Dilemma auflösen würden, war damit völlig unklar. Die Unionspolitiker hielten an ihrer Kritik fest, die SPD an ihrer Kandidatin.

Brosius-Gersdorf hatte von Drohungen berichtet

In einer früheren schriftlichen Stellungnahme hatte die Juristin die gegen sie erhobene Vorwürfe deutlich zurückgewiesen. «Die Bezeichnung meiner Person als »ultralinks« oder »linksradikal« ist diffamierend und realitätsfern», heisst es darin. In manchen Medien sei zudem falsch über ihre Position zum Schwangerschaftsabbruch berichtet worden. Im ZDF betonte Brosius-Gersdorf: «Ich vertrete absolut gemässigte Positionen aus der Mitte unserer Gesellschaft.» Dies könne jeder nachlesen.

Brosius-Gersdorf hatte auch berichtet, sie habe Drohungen und verdächtige Poststücke erhalten. «Ich musste vorsorglich meine Mitarbeitenden bitten, nicht mehr am Lehrstuhl zu arbeiten», sagte die Juristin im ZDF. Die Berichterstattung über die Verfassungsrichterwahl und ihre Person sei «nicht spurlos an mir vorbeigegangen - nicht an mir, nicht an meinem Mann, an meiner Familie, meinem gesamten sozialen Umfeld.»

Schlappe für die Koalition

Für die «schwarz-rote» Koalition war die geplatzte Richterwahl eine Schlappe. «Die Dimension der grundlegenden und inhaltlich fundierten Bedenken gegen eine der Kandidatinnen haben wir unterschätzt», hatte Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) in einem Brief an seine Fraktion geschrieben. Er gab aber auch der SPD eine Mitverantwortung für die gescheiterte Suche nach einem Kompromiss. (sda/dpa)

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61 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Der Eggu
07.08.2025 14:47registriert Januar 2017
Was sind das für "Politiker", die eine Juristin mit bestem Ruf und hervorragender Ausbildung mit derart fiesen Methoden aus dem KanditatInnen-Feld ekeln, auf hinterhältigste Art und Weise. Wie es nur feige Memmen und IntrigantInnen zustande bringen. Die, die jetzt jubeln, sollten sich in Grund und Boden schämen!
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Gerd Müller
07.08.2025 16:49registriert August 2022
Jetzt wird es nur noch Mittelmaß für das Bundesverfassungsgericht geben, denn welcher Jurist von Rang wird sich durch derartige Kampagnen den Ruf ruinieren lassen.
Zumal die Union im Wahlausschuss der Kandidatin noch zugestimmt hatte.
Ein rabenschwarzer Tag für Deutschland.
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