Nach dem Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt steht auch die Arbeit der Sicherheitsbehörden in Deutschland im Fokus. Innenminister Thomas de Maizière kündigte eine eingehende Untersuchung an, schloss ein pauschales Versagen bezüglich des mutmasslichen Attentäters Anis Amri jedoch aus.
«Selbstverständlich werden wir den Fall aber bis ins Detail aufarbeiten und einen entsprechenden Bericht vorlegen», sagte der CDU-Politiker der «Bild am Sonntag». Eine Mehrheit der Deutschen fordert laut einer Umfrage mehr Sicherheitsmassnahmen im Land.
Der 2015 nach Deutschland gekommene Tunesier Amri war nach Überzeugung der Ermittler der Mann, der am Abend des 19. Dezember mit einem gestohlenen Sattelzug in den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche raste. Zwölf Menschen starben, 53 wurden verletzt, einige von ihnen lebensgefährlich.
Die Todesopfer des Anschlags sind inzwischen identifiziert. Unter ihnen sind laut Bundeskriminalamt sieben Deutsche sowie Menschen mit tschechischer, ukrainischer, italienischer, israelischer sowie polnischer Staatsangehörigkeit.
Amri selbst war am Freitag bei einem Schusswechsel mit der italienischen Polizei nahe Mailand getötet worden. Die Ermittlungen liefen auch an den Weihnachtsfeiertagen mit Hochdruck. Unter anderem soll geklärt werden, ob der 24-Jährige ein Unterstützernetzwerk, Mitwisser oder Gehilfen hatte.Der 24-jährige Amri gelangte offenbar über Lyon nach Italien.
In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für die Nachrichtenagentur dpa sprechen sich 73 Prozent der Befragten dafür aus, die Polizeikräfte aufzustocken. Eine grosse Mehrheit von 60 Prozent der Deutschen ist der Befragung zufolge für eine stärkere Videoüberwachung öffentlicher Räume.
Der Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz an der Gedächtniskirche wurde nicht von der Polizei mit Kameras observiert. Der rot-rot-grüne Berliner Senat will die Videoüberwachung derzeit nicht ausweiten.
Innenminister de Maizière forderte den Senat in der «Bild am Sonntag» auf, seine Haltung zur Videoüberwachung «dringend» zu überdenken. Die Berliner Innenverwaltung will sich nicht unter Druck setzen lassen. Nach dem Anschlag sollten erst die Ermittlungen zu Ende geführt werden, sagte der Sprecher von Innensenator Andreas Geisel (SPD), Martin Pallgen.
Da Amri als abgelehnter Asylbewerber und Gefährder aus dem Visier der deutschen Behörden verschwunden war, kommen aus der Politik Rufe nach schärferen Gesetzen. Seine Abschiebung war gescheitert, weil er keinen Pass hatte.
Erst zwei Tage vor dem Anschlag hatte das tunesische Aussenministerium die Abschiebung Amris akzeptiert. Am Samstag vor dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt gaben die tunesischen Behörden ihr Einverständnis für die Abschiebung Amris in sein Heimatland, wie ein Ministeriumssprecher der dpa sagte.
«Es gibt bisher juristisch keine ausreichende Möglichkeit, jeden dieser Gefährder rund um die Uhr überwachen zu lassen», sagte Innenminister de Maizière in der «Bild am Sonntag». Zugleich betonte er, dass die deutschen Sicherheitsbehörden eine hochprofessionelle Arbeit leisteten und so bereits Anschläge verhindert hätten.
Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht warf der Bundesregierung vor, das Erstarken terroristischer Gruppen mitverantwortet zu haben. Seit 15 Jahren werde ein «Krieg gegen den Terror» geführt, zuerst in Afghanistan, dann im Irak, in Libyen und in Syrien. «Und die Bilanz all dieser Kriege ist, dass der islamistische Terrorismus nicht geschwächt, sondern massiv verstärkt wurde», sagte sie der dpa. (viw/sda/dpa)