Anschlag auf Weihnachtsmarkt in Magdeburg – Prozess beginnt
Fast elf Monate nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt im deutschen Magdeburg mit sechs Toten und mehr als 300 Verletzten hat unter starken Sicherheitsvorkehrungen der Prozess gegen den Todesfahrer begonnen.
Der 51-jährige Angeklagte wurde mit einem Hubschrauber aus der Haftanstalt Burg nach Magdeburg gebracht. Seit mehreren Tagen befindet sich der aus Saudi-Arabien stammende Mann in der Obhut des Justizvollzugs Sachsen-Anhalt. Davor hatte er mehrere Monate in Berlin in Untersuchungshaft gesessen. Weitere Details nannte ein Sprecher des Justizministeriums dazu nicht. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) wird al-Abdulmohsen jeweils zu den Prozesstagen geflogen.
Fotografen hielt der Angeklagte einen Laptop entgegen, auf dem Bildschirm stand «#MagdeburgGate» und «Sept. 2026». «Da ist die nächste politische Wahl in Sachsen-Anhalt», erklärte der aus Saudi-Arabien stammende Mann, der als Islamkritiker bekannt ist. Am 6. September 2026 wird im ostdeutschen Bundesland Sachsen-Anhalt - deren Hauptstadt Magdeburg ist - ein neues Parlament, der Landtag, gewählt.
Zum Schutz in Glasbox
Erfolglos kritisierte der Verteidiger den Sitzplatz hinter schusssicheren Scheiben. Der Vorsitzende Richter Dirk Sternberg betonte, der Platz sei wichtig zum Schutz des Angeklagten, er solle so vor möglichen Racheakten geschützt werden.
Der 51-Jährige, der als Arzt im Massregelvollzug mit psychisch kranken Straftätern arbeitete, war kurz vor Weihnachten mit einem Mietwagen über den Weihnachtsmarkt gerast.
Schlangenlinien, um besonders viele Personen zu treffen
Die Anklage wirft ihm unter anderem vollendeten Mord in sechs Fällen und versuchten Mord in 338 weiteren Fällen vor. Oberstaatsanwalt Matthias Böttcher vollzog in der Anklage den Weg des Angeklagten über den Weihnachtsmarkt nach.
Zuerst erfasste Taleb al-Abdulmohsen Passanten, die an einer Fussgängerampel warteten. Er lenkte den mehr als zwei Tonnen schweren und 340 PS starken Wagen auf den Weihnachtsmarkt, etwa 350 Meter weit und mit bis zu 48 Kilometern pro Stunde.
Aus einer «vermeintlich persönlichen Frustration» heraus sei es dem Beschuldigten darum gegangen, eine «möglichst grosse Menge von Personen» zu erfassen. Dafür sei er in Schlangenlinien gefahren - um so die «von ihm gewünschte Aufmerksamkeit zu erlangen», so Böttcher.
Herumfliegende Gegenstände und Körper
Der Todesfahrer überfuhr Menschen, andere wurden angefahren oder von herumfliegenden Gegenständen oder Personen getroffen - teils liess sich das laut Generalstaatsanwaltschaft nicht mehr genau nachvollziehen. Immer wieder war von Frakturen an Beinen und Hüften, von Trümmerfrakturen, Schädel-Hirn-Traumata und schmerzhaften Prellungen die Rede. Kinder waren ebenso unter den Opfern wie Frauen und Männer. Eine Schwangere wurde so stark verletzt, dass die Fruchtblase platzte, ein Tag später kam das Kind zur Welt.
Am Ende starben sechs Menschen - fünf Frauen im Alter von 45 bis 75 Jahren sowie ein neunjähriger Junge. Mehr als 300 Menschen wurden verletzt oder traumatisiert. Sie kamen nicht nur aus Sachsen-Anhalt. Unter den Betroffenen des Anschlags sind nach Angaben des Bundesopferbeauftragten Menschen aus fast allen Bundesländern. Einige kommen auch aus dem Ausland wie etwa Spanien, den USA und Grossbritannien.
Betroffene nehmen am Prozess als Nebenkläger teil
Rund 180 Betroffene und Hinterbliebene treten bislang als Nebenkläger auf, vertreten durch etwa 40 Anwälte. Das Interims-Gerichtsgebäude wurde errichtet, damit alle Betroffenen teilnehmen können. Zum Prozessauftakt liessen sich viele der Nebenkläger von ihren Anwälten vertreten und kamen nicht persönlich. Manchen ist eine Teilnahme aus psychischen Gründen nicht möglich, wie es hiess. Andere leiden noch unter körperlichen Beeinträchtigungen.
Das Verfahren gehört zu den grössten der deutschen Nachkriegsgeschichte. Zum Prozessauftakt reisten zahlreiche Medienvertreter aus dem In- und Ausland nach Magdeburg an. Im Zuschauerbereich blieben jedoch zunächst etliche der 100 Plätze frei.
Prozess unter hoher Sicherheit
Das Gebäude ist von einem Zaun mit Stacheldraht umgeben und zusätzlich von mobilen Pollern geschützt. Eine Hundertschaft der Polizei war im Einsatz, fast ebenso viele Justizbeamte aus Sachsen-Anhalt sicherten nach dpa-Informationen den Prozessauftakt ab. Trotz umfangreicher Sicherheitskontrollen begann die Verhandlung nahezu pünktlich.
Das Landgericht Magdeburg hat bis zum 12. März 2026 zunächst knapp 50 Verhandlungstage angesetzt. (sda/dpa)
