Der neokonservative Historiker Robert Kagan ist einer der einflussreichsten Vordenker der amerikanischen Rechten. Und ein scharfer Kritiker von Präsident Donald Trump. Illusionen aber macht er sich keine. Als ihn watson im Februar fragte, ob die Republikaner Trump stoppen könnten, war Kagans Antwort eindeutig: «Sie könnten es, aber sie werden es nicht tun.»
Die Republikaner würden einen der ihren im Weissen Haus nicht absetzen, fügte Kagan hinzu. Die Ereignisse der letzten Tage scheinen ihm recht zu geben. Obwohl sich Trump immer unmöglicher benimmt, äussern die Republikaner in Washington höchstens leise Kritik an ihrem Präsidenten.
Im Vertrauen würden die Republikaner zugeben, dass das Weisse Haus chaotisch, desorganisiert und ein nahezu permanenter Problemfall sei, schreibt die gut informierte Website Politico. Ein Aufbegehren aber findet nicht statt. Selbst ein alter Haudegen wie Senator John McCain, den Trump im Wahlkampf beleidigt hatte, gibt sich handzahm.
Von einem Sonderermittler, der mögliche Kontakte von Trumps Wahlkampfteam mit Russland untersuchen soll, wollen die Republikaner im Kongress nichts wissen. Dabei haben die jüngsten Enthüllungen, wonach Trump den gefeuerten FBI-Chef James Comey von Ermittlungen gegen den ehemaligen Sicherheitsberater Michael Flynn abhalten wollte, den Verdacht erhärtet, dass in dieser Angelegenheit einiges oberfaul ist.
Warum lassen die Republikaner einen sprunghaften Kindskopf gewähren, der aus dem Bauch heraus entscheidet und zu strategischem Denken unfähig ist? Es gibt mehrere Gründe dafür:
Donald Trump bewegt sich in einem Graubereich. Der Rauswurf von James Comey ist rechtsstaatlich problematisch. Der Versuch, den FBI-Direktor in Sachen Flynn-Ermittlungen zu beeinflussen, könnte als Behinderung der Justiz eingestuft werden. Die Weitergabe von Geheimdienstinformation an den russischen Aussenminister ist heikel, doch der Präsident geniesst in dieser Hinsicht einen grossen Spielraum.
Einen konkreten Gesetzesverstoss oder gar Verfassungsbruch konnte man dem Präsidenten bislang nicht nachweisen. Es gibt keine «Smoking Gun», mit der man Trump überführen konnte. Oder um eine andere amerikanische Redensart zu zitieren: Es gelang bisher nicht, ihn mit der Hand in der Guetslibüchse zu erwischen. Deshalb halten sich die Republikaner zurück.
Donald Trump ist seit knapp vier Monaten im Amt. Eine Absetzung nach so kurzer Zeit wäre für die republikanische Partei ein Desaster. Sie müsste zugeben, dass sie auf das falsche Pferd gesetzt hat. Deshalb wird sie versuchen, das «Unvermeidliche» hinauszuzögern.
Donald Trump verfügt über eine eingeschworene Anhängerschaft. Mit ihrer Hilfe gelang es ihm, die republikanische Partei regelrecht platt zu machen. Seine Fans verehren ihn nicht obwohl, sondern WEIL er anders ist als die üblichen Politiker. Er ist die Verkörperung des politisch Unkorrekten, des «Das wird man wohl noch sagen dürfen!». Womit er den Nerv vieler vorab weisser Amerikaner trifft.
Trump ist es gelungen, ein frustriertes Segment zu mobilisieren, das sich aus dem politischen Prozess weitgehend verabschiedet hatte. Die Republikaner brauchen diese Leute, denn die demographische Uhr tickt gegen sie. Noch aber sind die Trump-Fans bereit, über seine Fehltritte hinwegzusehen. Also tun dies auch die Republikaner in Washington.
Während acht Jahren haben sich die Republikaner an Barack Obama abgearbeitet. Sie haben alles getan, um seine politische Agenda zu sabotieren, insbesondere die verhasste Gesundheitsreform Obamacare. Nun kontrollieren sie das Weisse Haus und beide Kammern im Kongress und haben damit beste Voraussetzungen, ihre Ziele zu verwirklichen.
«Politico» brachte es auf den Punkt: «Wenn ein sprunghafter, fehlerhafter Präsident der Preis ist für die mögliche Aufhebung von Obamacare, Steuersenkungen und andere legislative Wohltaten, die sie bis vor einigen Monaten kaum für realisierbar hielten – dann ist es halt so.» Mit anderen Worten: So lange sie eine Chance sehen, ihre Ziele mit Trump zu erreichen, halten sie an ihm fest.
Die amerikanische Politik ist tief gespalten in zwei unversöhnliche Lager. Früher bestanden noch Schnittmengen zwischen den beiden grossen Parteien, es gab liberale Republikaner und konservative Demokraten. Dies erleichterte es den Republikanern während des Watergate-Skandals in den 1970er Jahren gegen ihren Präsidenten Richard Nixon vorzugehen.
Heute ist das amerikanische Zweiparteiensystem zutiefst dysfunktional. Kompromiss ist beinahe zu einem Schimpfwort geworden. Das fördert die Lagerbildung und erschwert die Gesetzgebung im Kongress. Die Loyalität zur eigenen Partei ist ein zentraler Faktor. Das betrifft auch den Präsidenten und erschwert es seiner Partei, ihn fallen zu lassen.
Wenn Republikaner auf Trumps Eskapaden angesprochen werden, verweisen sie gerne auf Bill Clinton. Dessen erste zwei Jahre im Weissen Haus verliefen turbulent. Er scheiterte mit seiner Gesundheitsreform, musste im Whitewater-Skandal die Einsetzung eines Sonderermittlers akzeptieren und verlor bei den Kongresswahlen 1994 die Mehrheit im Repräsentantenhaus.
Auch später blieb Clinton anfällig für Skandale. Die Lewinsky-Affäre ist unvergessen. Die Republikaner versuchten vergebens, ihn des Amtes zu entheben. Dennoch war Clinton bei seinem Abgang 2001 sehr populär, seine Präsidentschaft gilt als eine der erfolgreichsten in der jüngeren Geschichte. Manche Republikaner hoffen noch immer, dass sich dies im Fall von Donald Trump wiederholen wird.
Sicher ist das nicht. Clinton war bei aller Undiszipliniertheit in privaten und vor allem sexuellen Dingen ein smarter Politiker. Trump ist hingegen ein Anti-Politiker. Noch halten die Republikaner zu ihm. Daran könnte wohl erst ein kolossaler Fehltritt oder eine sensationelle Enthüllung etwa in Sachen Russland-Connection etwas ändern.
Möglich ist dies durchaus. Trump hat es fertig gebracht, sich in seiner kurzen Amtszeit viele Feinde zu schaffen, insbesondere im Sicherheitsapparat. Vielleicht kommt es aber auch zu einem Liebesentzug durch die Basis. Wenn die Partei bei den Zwischenwahlen 2018 eine krachende Niederlage befürchten muss, könnte sich das Blatt wenden. Fest im Sattel sitzt Trump jedenfalls nicht.