Nun also auch Eric Trump, der zweitälteste Sohn des Präsidenten. Am Samstag veröffentlichte der 36-jährige Geschäftsmann auf Instagram eine Botschaft, mit der die Fans seines Vaters auf dessen Wahlkampfauftritt in Tulsa (Oklahoma) – den ersten seit Anfang März, als die Coronapandemie in Amerika noch nicht wütete – einstimmte.
Unterlegt war diese Botschaft mit dem Buchstaben Q und am Ende stand der Hashtag WWG1WGA. Dies ist eine Abkürzung für den Spruch «Where We Go One, We Go All» oder auf Deutsch: Wo einer von uns hingeht, gehen alle hin.
Eric Trump posting a QAnon graphic on Instagram pic.twitter.com/4U7QX1MIlr
— Jared Holt (@jaredlholt) June 20, 2020
Kurze Zeit später war Eric Trumps Beitrag wieder verschwunden, gelöscht. Mike Rothschild sah den Instagram-Post dennoch und er ist überzeugt davon, dass dies die erste direkte Referenz eines Trump-Kindes auf QAnon war – eine sorgfältig durchkonstruierte Verschwörungstheorie, in der Präsident Donald Trump ein Held ist, der die Welt von einem Ring krimineller Eliten befreien will.
Rothschild muss es wissen: Als unabhängiger Forscher beschäftigt sich der Kalifornier intensiv mit dem Hang rechter Amerikaner, die quasi-offizielle Geschichtsschreibung zu hinterfragen. Das ist kein neues Phänomen. So schrieb der Historiker Richard Hofstadter bereits in den Sechzigerjahren über den «paranoiden Stil» in der US-Politik.
Rothschild aber sagt: Die grosse Hingabe, mit der Anhänger der QAnon-Theorie neue Twitter-Botschaften produzierten oder Videos herstellten, sei beachtenswert und lasse sich nicht mit anderen Verschwörungstheorien vergleichen.
Der Mann im Zentrum von QAnon – der auf das Pseudonym Q hört und damit wohl andeuten will, dass er mit streng geheimen Informationen vertraut ist – hatte seinen ersten Auftritt am 28. Oktober 2017, auf der Internet-Plattform 4chan, auf der über Dinge diskutiert wird, von der eine Mehrheit der Bewohner Amerikas nichts wissen will. In seinem ersten Post prophezeite Q die baldige Verhaftung der ehemaligen demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton.
Und in seinem zweiten Beitrag deutete Q an, dass sich Präsident Trump in einem Machtkampf mit prominenten Amerikanern befinde; Persönlichkeiten wie der Ex-Präsident Barack Obama oder der Financier George Soros, beide regelmässig Ziel von rassistisch oder antisemitisch motivierten Verschwörungstheorien.
Wer sich hinter dem Pseudonym versteckt, ist nicht bekannt. Und ganz offensichtlich hat Q nicht Einblick in streng geheime Vorgänge: Clinton wurde im Herbst vor drei Jahren nicht verhaftet. Denn freilich stimmt es nicht, dass hochrangige Demokraten Babys töten und verspeisen, wie in einem beliebten QAnon-Buch behauptet wird.
Mit einer Mischung aus rätselhaften Botschaften («Die Ruhe vor dem Sturm»), codierten Hinweisen und aufmunternden Sprüchen («Vertraut dem Plan») ist es Q aber gelungen, das Interesse an seinen Theorien am Leben zu erhalten. Dazu passt, dass er sie regelmässig mit abstrusen neuen Enthüllungen anreichert. So behauptete Q beispielsweise, dass Sonderermittler Robert Mueller – der in der Russland-Affäre jahrelang Nachforschungen gegen den Präsidenten und sein Umfeld anstellte – in Tat und Wahrheit von Trump rekrutiert worden sei.
Rothschild weist darauf hin, dass sich normalerweise mehr als 250'000 Menschen QAnon-Videos anschauten, wobei etwas weniger als die Hälfte den harten Kern der Bewegung bildeten.
Dem Trump-Lager ist dies natürlich nicht entgangen. Viele QAnon-Anhänger sind Super-Fans des Präsidenten, sagt der Journalist Will Sommer, der für die Internet-Plattform «The Daily Beast» schreibt. Während Wahlkampf-Auftritten des Präsidenten sind regelmässig «Q»-Plakate oder T-Shirts mit dem Hashtag «WWG1WGA» zu sehen. Auch verbreitet Trump auf dem Kurznachrichtendienst Twitter Botschaften weiter, die Anspielungen auf QAnon enthalten.
Gemäss einer Zählung des linken Medienbeobachters Media Matters for America unterstützen mehr als 50 Kandidaten der Republikanischen Partei für einen Sitz im nationalen Parlament die Verschwörungstheorie; prominentestes Beispiel ist Marjorie Taylor Greene, die sich im konservativen 14. Wahlbezirk im Bundesstaat Georgia um ein Mandat im Repräsentantenhaus bewirbt.
Greene galt bis vorige Woche als Favorit für die Stichwahl im August; mittlerweile sind allerdings alte Videos aufgetaucht, in der sie zum Beispiel Soros als Nazi beschimpft oder Afroamerikaner als «Sklaven» der Demokratischen Partei bezeichnet. Einflussreiche Republikaner haben sich deshalb von ihr distanziert.
Der Journalist Sommer sagt, dass es unterschiedliche Kategorien von QAnon-Fans gäbe. Einige seien bloss vage vertraut mit dem Konstrukt der Verschwörungstheorie, andere beschäftigten sich stundenlang mit den Anhaltspunkten, die Q regelmässig verbreite. Forscher Rothschild ist aber überzeugt davon, dass die Hardcore-Anhänger «absolut glauben, was sie sagen und lesen». (aargauerzeitung.ch)
Ob das jetzt nur ein paar Spinner sind, die mit Pappschildern rumstehen, oder als bewaffnete Milizen auf den Befehl ihres "Führers" warten, macht schon einen Unterschied.