Lange galt es als so gut wie sicher: Wenn Donald Trump 2024 erneut kandidieren will, werden die Republikaner ihn nominieren. Zu gross war die Bewunderung, ja Verehrung bei der Basis für den vermeintlichen Heilsbringer. Rund 70 Prozent der republikanischen Wählerschaft glaubte laut Umfragen, dass Trump der Wahlsieg 2020 gestohlen wurde.
Das war vor den Hearings zum Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021, mit dem ein enthemmter Mob die Bestätigung von Joe Bidens Erfolg durch den Kongress verhindern wollte. Die Zeugenaussagen deuten darauf hin, dass es sich nicht um einen spontanen Wutausbruch von Trump-Fans handelte, sondern um einen versuchten Staatsstreich.
Cassidy Hutchinson, a former aide to Mark Meadows, testified at the House hearing that Rudy Giuliani told her on Jan. 2, 2021, that he was excited about going to the Capitol on Jan. 6. She said that he said words to the effect of, “It’s going to be great.” https://t.co/RGbn1Orry2 pic.twitter.com/Ux7la581PD
— The New York Times (@nytimes) June 28, 2022
Besonders verheerend für den Ex-Präsidenten war der Auftritt von Cassidy Hutchinson am Dienstag. Die ehemalige Assistentin von Stabschef Mark Meadows sagte aus, Trump habe gewusst, dass viele seiner Anhänger bewaffnet waren. Und dass er selbst zum Kapitol wollte und vom Secret Service nur mit Mühe daran gehindert werden konnte.
Hutchinsons Aussage hat Gewicht, weil sie zum «inneren Kreis» im Weissen Haus gehörte und lange eine bekennende Trump-Anhängerin war. Allerdings wuchs schon vor ihrem Auftritt das Unbehagen bei den Republikanern. Offenen Widerstand gegen Donald Trump gibt es weiterhin kaum, aber hinter vorgehaltener Hand zeigten sich viele angewidert.
Der ehemalige Präsident werde durch die Hearings beschädigt – «vielleicht nicht tödlich, aber erkennbar», schrieb «Politico» mit Berufung auf Partei-Insider. Die Basis verehre Trump nach wie vor, doch Teile von der Wählerschaft, Geldgebern und Aktivisten seien immer weniger gewillt, «mit dem Ballast der Trump-Jahre in die Zukunft zu gehen».
Ein Indiz lieferte Sarah Longwell, eine republikanische Strategin und Trump-Gegnerin. Sie befragt regelmässig Fokus-Gruppen mit Wählerinnen und Wählern aus allen Lagern. Seit Beginn der 1/6-Hearings stellte sie einen deutlichen Wandel fest. Zuvor seien die Gruppen zu «Trump 2024» gespalten gewesen. Nun wolle niemand mehr, dass er erneut kandidiert.
«Beim 6. Januar sind sie auf Trumps Seite, aber sie sind auch erschöpft», sagte Longwell gegenüber «Politico». Daraus entstehe der Wunsch, nach vorne zu schauen. Der konservative Publizist Rich Lowry sieht in den Hearings einen «Rettungsanker» – nicht für die Demokraten, sondern für die Republikaner. Sie könnten sich endlich von Trump lösen.
Selbst das «Wall Street Journal», das gegenüber dem Ex-Präsidenten lange loyal war, veröffentlichte am Mittwoch einen Kommentar, in dem es Donald Trump aufforderte, auf eine Kandidatur 2024 zu verzichten und «die Rolle eines Königsmachers zu akzeptieren». An Möchtegerns, die an seiner Stelle antreten wollen, fehlt es bei den Republikanern nicht.
Als heissester «Nicht-Trump» gilt Ron DeSantis, der Gouverneur von Florida. In einer letzte Woche veröffentlichten Umfrage unter republikanischen Wählern in New Hampshire, wo eine der ersten Präsidentschafts-Vorwahlen stattfindet, kam er auf 39 Prozent und Trump auf 37 Prozent. In einer Umfrage im letzten Oktober hatte der Ex-Präsident noch klar gesiegt.
DeSantis macht aus seinen Ambitionen kein Geheimnis. Der Gouverneur legt laut «Politico» auch keinen Wert auf Donald Trumps Unterstützung. Ein namentlich nicht genannter Vertrauter von DeSantis erklärte, dass immer mehr republikanische Geldgeber genug hätten vom Trump-Zirkus: «Sie sind angewidert von dieser Shitshow.»
Es wäre jedoch falsch, Donald Trump voreilig abzuschreiben. Parteistrategin Sarah Longwell verwies darauf, dass sich Trumps Anhänger schon früher abgewendet und doch zu ihm zurückgekehrt seien. Auch Trumps Umfeld vertraut darauf, dass der Unmut vieler Amerikaner über Joe Biden, die Demokraten und die hohen Benzinpreise ihm nützen wird.
Oder wie es der frühere Trump-Berater Bryan Lanza ausdrückte: «Die Hearings spielen eine Rolle, bis man tanken muss.»
Es soll zwar noch mehrere kleine Parteien geben, die aber, wenn überhaupt, nur eine regionale Bedeutung haben.
Man stelle sich das mal in der Schweiz vor: Links und Rechrts und sonst fast nichts.