Gene Wu ist eigentlich in Houston zu Hause. Der 47 Jahre alte Demokrat vertritt die texanische Millionenmetropole im Staatsparlament des «Lone Star State». Am Sonntag aber hat Wu sein Quartier in einem Konferenzzentrum im Grossraum von Chicago (Illinois) aufgeschlagen, rund 1500 Kilometer Luftlinie von seiner Heimat entfernt. Dies, nachdem er zusammen mit mehr als fünfzig seiner Fraktionskollegen am Wochenende seinen Heimatstaat Hals über Kopf verlassen hatte. «Wir haben keine andere Wahl», sagte Wu am Montag.
Der Grund für diesen Zwangsumzug, der sitzt im Weissen Haus. Donald Trump will, dass republikanische Hochburgen wie Texas vor der nächsten nationalen Parlamentswahl im November 2026 die Wahlbezirke für das Repräsentantenhaus in Washington neu zuschneiden – damit seine Republikaner ihre knappe Mehrheit in der grossen Kammer des Kongresses nicht verlieren.
«Redistricting» nennt man dieses Manöver. Und es ist keine Spezialität der Republikaner. In Staaten wie Illinois oder Maryland waren es die Demokraten, die vor einigen Jahren neue Wahlbezirke zeichneten, um Sitze auf Kosten der Republikaner zu gewinnen. Aussergewöhnlich ist aber, dass Texas die Karten im Jahr 2025 neu verteilt; normalerweise findet «Redistricting» nur einmal pro Jahrzehnt statt.
Mit dem kreativen Manöver in Texas verspricht sich Trumps Partei fünf neue Sitze – zusätzlich zu den 25 Mandaten, die die Republikaner bei der letzten Parlamentswahl in Texas gewonnen haben. «Wir haben einen Anspruch auf mehr Sitze», behauptete Trump am Dienstag, mit Verweis auf den Wähleranteil seiner Partei. Das stimmt so nicht – die Republikaner sind in der 38 Abgeordnete zählenden Delegation aus Texas bereits stark übervertreten.
Auf dem normalen parlamentarischen Weg können die Demokraten nicht verhindern, dass die Wahlkreise in Texas neu zugeschnitten werden. Im Staatsparlament hat die Partei nichts mehr zu sagen; bei der letzten Wahl gewannen die Demokraten im «House», der grossen Kammer des Staatsparlaments, nur noch 62 der 150 Sitze.
Es bleibt der Griff zu einem Trick, der in der Vergangenheit schon mehrmals für chaotische Zustände im Staatsparlament sorgte: eine Flucht.
Also verabschiedeten sich am Wochenende Dutzende von demokratischen Abgeordneten. Einige – wie Fraktionschef Gene Wu – reisten nach Chicago. Andere gingen nach New York oder Massachusetts, zwei weitere Hochburgen ihrer Partei. Mit ihrer Flucht stellten die Demokraten sicher, dass das texanische «House» nicht beschlussfähig ist, weil zu wenige Abgeordnete an der Sitzung teilnehmen. «Wir gehen nicht zurück. Wir bleiben hier, solange es notwendig ist», sagte der Abgeordnete Ron Reynolds am Dienstag.
Die republikanische Mehrheit reagierte mit Empörung auf die Aktion der Demokraten. Der Gouverneur Greg Abbott will Bussenzettel an die abwesenden Abgeordneten verteilen und hat ihnen auch mit einer Verhaftung oder mit einer Amtsenthebung gedroht. Das scheinen aber vorerst leere Drohungen zu sein – ein «Texas Ranger» kann nicht einfach nach Chicago fliegen, um einen Haftbefehl zu vollstrecken.
Aber solche Drohungen passen zum neuen Politstil der Republikaner. Trump und seine Parteifreunde sind dazu übergegangen, Widerstand gegen ihre politischen Pläne als illegal zu bezeichnen und mit rechtlichen Mitteln gegen vermeintliche oder tatsächliche Oppositionelle vorzugehen. Und wenn das nicht klappt, dann biegt sich der Präsident kurzerhand die Realität zurecht.
So entliess Trump in der vergangenen Woche die Statistikchefin des Arbeitsministeriums, nachdem der monatlich publizierte Bericht über die Lage am amerikanischen Arbeitsmarkt weniger gut als erwartet ausgefallen war. Auch leitete sein Justizministerium angeblich Ermittlungen gegen hochrangige Vertreter der Regierung von Präsident Barack Obama ein, weil diese im Vorfeld der Wahl 2016 öffentlich gelogen haben sollen.
Trump führt sich auch sonst immer häufiger als absolutistischer Herrscher auf. So hat er grosse Pläne mit dem Weissen Haus, dem ikonischen Wohn- und Arbeitsort des amerikanischen Präsidenten. Vorige Woche gab seine Sprecherin bekannt, dass Trump auf der Ostseite des Gebäudes einen 8000 Quadratmeter grossen Ballsaal bauen werde. Dieser Annex wird das Gesicht des Weissen Hauses verändern, sagen Kritiker bereits. Zuvor hatte Trump eine Umgestaltung des Rosengartens in Auftrag gegeben, Ort vieler öffentlicher Veranstaltungen und Pressekonferenzen im Weissen Haus. Er sei eben von Berufes wegen ein Macher, sagte Trump sinngemäss. Und er habe noch viel vor mit dem Weissen Haus.
Und das vom Trump-Regime... die spüren sich auch nicht mehr, oder?