Wer über Donald Trump den Kopf kräftig schütteln will, findet in John Boltons Enthüllungsbuch reichlich Gelegenheit: Laut seinem früheren Nationalen Sicherheitsberater agierte Trump oft komplett ahnungslos: Wusste nicht, dass Grossbritannien eine Atommacht ist. Fragte, ob Finnland ein Teil Russlands sei.
Bolton malt ein Sittengemälde des Weissen Hauses, in dem Chaos, Streit und Lügen regieren und an dessen Spitze ein Präsident steht, der Politik nach Bauchgefühl und persönlichen Interessen macht, sich dabei aber von autoritären Herrschern, denen er auf der Weltbühne begegnet, austricksen lässt.
Hinter seinem Rücken soll selbst Aussenminister Mike Pompeo, öffentlich der treueste Unterstützer Trumps, gesagt haben, der Präsident rede nur Unsinn – wörtlich:
John Bolton, bis September 2019 der Nationale Sicherheitsberater und damit einer der engsten Mitarbeiter Trumps, gibt in seinem Buch Innenansichten aus einem dysfunktionalen Weissen Haus. Er ist der bisher ranghöchste Berater, der solch ein Werk vorlegt. Bolton ist erzkonservativer Republikaner und damit kein natürlicher Gegner Trumps. Doch die bislang bekannten Auszüge aus seinem Buch verdeutlichen, dass er auch die Person Donald Trump und dessen Regierung beschädigen will.
Der Insider-Bericht mit dem Titel «The Room Where It Happened» («Der Raum, in dem es geschah») soll am kommenden Dienstag erscheinen. Das Justizministerium will die Veröffentlichung per einstweiliger Verfügung verhindern, weil das Buch Passagen enthalte, die die nationale Sicherheit gefährdeten. Seit Monaten zerren Weisses Haus und Bolton um die Freigabe des Inhalts.
Doch allein die Auszüge, die seit Mittwoch in den US-Leitmedien kursieren, könnten Trump im Wahljahr weiter beschädigen. Bolton, der schon unter George W. Bush wichtige Posten inne hatte, ist in stramm konservativen Kreisen eine geachtete Figur und wirft Trump permanenten Amtsmissbrauch vor.
Besonders vernichtend und relevant ist Boltons Darstellung von Trumps Umgang mit China. Er soll Chinas Präsidenten Xi Jinping ausdrücklich gebeten haben, ihm bei seiner Wiederwahl zu helfen, schreibt Bolton in einem Kapitel, das das «Wall Street Journal» vorab veröffentlichte.
Bei einem Zweiergespräch am Rande des G20-Gipfels in Osaka habe Trump Xi förmlich «angefleht, sicherzustellen, dass er die Wahl gewinnt». Trump habe die Bedeutung der Stimmen der Bauern aus dem Mittleren Westen sowie chinesische Ankäufe der von ihnen produzierten Sojabohnen und Getreide betont. Tatsächlich erklärten sich die Chinesen im Zuge des Handelsstreits wiederholt bereit, grössere Mengen an Soja und Weizen von Amerika zu beziehen.
In Osaka soll Xi, der sich anders als Trump auf das Gespräch genauestens vorbereitet habe, auch dargelegt haben , warum China in der Provinz Xinjiang Internierungslager für die Minderheit der Uiguren bauen lasse. Trump habe ihm dafür grünes Licht erteilt, weil das genau das richtige sei, schreibt Bolton.
Kurz nachdem ein Buchausschnitt Boltons mit dieser Episode am Mittwoch veröffentlicht worden war, unterzeichnete Trump ein Gesetz aus dem Kongress, das Sanktionen gegen Chinesen wegen des Vorgehens gegen die Uiguren vorsieht.
Bolton war 17 Monate lang bei allen aussenpolitischen Fragen an Trumps Seite und zieht ein düsteres Fazit: Es falle ihm schwer, «eine einzige bedeutsame Entscheidung Trumps zu meiner Zeit im Weissen Haus zu nennen, die nicht durch Kalkül bezüglich seiner Wiederwahl geprägt war».
Er berichtet von Trumps Bereitschaft, strafrechtliche Ermittlungen gegen chinesische und türkische Firmen zu beeinflussen, wenn es Xi oder Präsident Recep Tayyip Erdogan nutzen würde. Sich selbst versucht Bolton aus der Schusslinie zu nehmen, indem er schreibt, dass er Trumps «persönliche Gefallen für Diktatoren, die er mochte» dem Justizminister Bill Barr gemeldet habe.
Was Bolton im Hinblick auf China beschreibt, erinnert stark an die Ukraine-Affäre. Dort versuchte der Präsident, Kiew dafür zu gewinnen, seinen Gegenkandidaten Joe Biden und die Demokraten zu beschädigen. Dies brachte Trump ein Verfahren zur Amtsenthebung ein, an dessen Ende ihm seine Republikaner das Amt sicherten. Als Trump Hilfen an die Ukraine zurückhielt, war Bolton noch im Amt. Er schied erst kurz darauf aus. Bolton spricht von einer Kündigung, Trump von einer Entlassung.
Den Ablauf des Impeachment-Verfahrens kritisiert Bolton nun scharf. Wären die Demokraten 2019 nicht so versteift darauf gewesen, Trump rasch den Prozess zur Ukraine zu machen (er schreibt vom «Ukraine-Blitzkrieg»), sondern «Trumps Verhalten in der ganzen Aussenpolitik systematisch analysiert hätten, wäre das «Ergebnis des Impeachment möglicherweise anders ausgefallen».
Dazu hätte Bolton allerdings selbst am meisten beitragen können – wäre er wie mehrere seiner früheren Mitarbeiter im Weissen Haus den wiederholten Aufforderungen gefolgt, vor den Impeachment-Gremien im Kongress auszusagen.
Doch Bolton widersetzte sich lange einer Aussage vor dem Repräsentantenhaus. Er zeigte erst dann eine grundsätzliche Bereitschaft, als das Verfahren in den Senat gewechselt war und er wusste, dass ein Votum der republikanischen Mehrheit zu seiner Vorladung unwahrscheinlich war.
Stattdessen verhandelte Bolton seinen Buchvertrag, der ihm laut Berichten zwei Millionen Dollar eingebracht hat.
Verwendete Quellen:
Also alles wahr, denn sonst müsste man die Veröffentlichung ja nicht unterbinden wollen.
Ich hoffe inständig, dass mit dem Trump Theater im November Schluß ist.