Ukraine greift Öl in Russland an: Das könnte Putin das Vertrauen kosten
Die anhaltenden ukrainischen Drohnenangriffe auf russische Ölraffinerien haben in Russland zu spürbaren Engpässen bei Benzin geführt. Die Folgen sind Preissteigerungen, die nach Einschätzung von Beobachtern die Inflation anheizen und die wirtschaftliche Stabilität des Landes zusätzlich unter Druck setzen dürften.
Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs vom 28. August wurden unter anderem die Kuibyschew-Raffinerie in der Region Samara sowie die Afipsky-Raffinerie in der Nähe der südrussischen Stadt Krasnodar angegriffen. An den Einsätzen sollen demnach auch Kräfte des ukrainischen Sicherheitsdienstes SBU und der Spezialkräfte beteiligt gewesen sein. Beide Anlagen gelten als bedeutende Standorte für die Treibstoffversorgung – auch für das russische Militär.
Die getroffenen Raffinerien verarbeiten jährlich mehrere Millionen Tonnen Rohöl. Allein die Kuibyschew-Anlage hat nach ukrainischen Angaben eine Verarbeitungskapazität von rund sieben Millionen Tonnen pro Jahr, die Afipsky-Raffinerie liegt bei etwa 6,25 Millionen Tonnen. Letztere soll insbesondere eine wichtige Rolle bei der Belieferung russischer Truppen spielen.
In vielen Regionen steigen die Benzinpreise
Als Reaktion auf die zunehmend angespannte Lage am heimischen Treibstoffmarkt verlängerte die russische Regierung am 27. August ein bestehendes Exportverbot für Benzin. Ursprünglich sollte die Massnahme Ende August auslaufen. Nun gilt sie für Produzenten bis Ende September, für Zwischenhändler sogar bis Ende Oktober. Bereits in der Vergangenheit hatte Russland wiederholt Exportbeschränkungen verhängt, um die Inlandspreise zu stabilisieren – diesmal jedoch in einem deutlich verschärften Umfeld.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Angriffe sind spürbar: In mehreren Regionen Russlands sowie im besetzten Teil der Ukraine steigen die Benzinpreise. Beobachter rechnen mit weiter zunehmenden Kosten für Verbraucher und Unternehmen. Die steigenden Energiepreise könnten sich damit nicht nur unmittelbar, sondern auch indirekt auf andere Bereiche der russischen Wirtschaft auswirken – etwa durch erhöhte Transportkosten oder Lieferengpässe. Auch die Inflationserwartungen könnten dadurch steigen.
Militärblogger kritisieren die russische Führung
Bei russischen Bloggern, die ihre Artikel über die Armee und den Krieg gegen die Ukraine auf Telegram veröffentlichen, stossen die Angriffe laut dem US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) auf kritische Reaktionen. Mehrere Militärblogger beklagen demnach die unzureichende Luftabwehr an strategisch wichtigen Standorten. In Beiträgen auf Telegram werfen sie staatlichen Stellen Versagen beim Schutz zentraler Infrastruktur vor. Ein Blogger sprach gar von einem «Zusammenbruch» der russischen Öl- und Gasindustrie. Andere fordern den verstärkten Einsatz mobiler Abwehrsysteme, den Ausbau der Luftverteidigung und die Rekrutierung zusätzlicher Freiwilliger für den Schutz gefährdeter Einrichtungen.
Die Kritik richtet sich dabei nicht nur gegen die Ausrüstung, sondern auch gegen die Verantwortlichen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum es bislang keine personellen Konsequenzen für die wiederholten Drohnenschläge gebe, heisst im Telegramkanal des Bloggers «Vysokygovorit». Ein anderer Blogger ist besonders aufgebracht: «Die russische Führung ist inkompetent», schreibt «Rybar».
Die ukrainischen Drohnenangriffe auf militärische und wirtschaftliche Ziele im russischen Hinterland haben in den vergangenen Monaten zugenommen. Sie sind Teil einer Strategie, die Logistik und Nachschubwege Russlands zu schwächen – und zugleich ein Mittel der psychologischen Kriegsführung. Wie effektiv diese Taktik langfristig sein wird, ist offen. Sicher ist jedoch: Die Angriffe belasten die ohnehin angeschlagene russische Wirtschaft zunehmend – und verlagern den Krieg immer deutlicher auf russisches Territorium.

