International
Energie

Ukraine greift Öl in Russland an und mindert Vertrauen in Putin

epa11089529 A still image taken from a handout video provided
Ein Standbild eines vom russischen Katastrophenschutz veröffentlichten Videos zeigt Feuerwehrleute beim Löschen eines Brandes nach einem ukrainischen Drohnenangriff auf das Öllager Klinzowskaja bei Brjansk.Bild: EPA RUSSIAN EMERGENCIES MINISTRY

Ukraine greift Öl in Russland an: Das könnte Putin das Vertrauen kosten

Bislang gibt es in Russland noch keine grösseren Proteste gegen Wladimir Putin. Doch die ukrainischen Angriffe auf Ölraffinerien könnten die Stimmung kippen lassen.
29.08.2025, 20:00
Tobias Schibilla / t-online
Ein Artikel von
t-online

Die anhaltenden ukrainischen Drohnenangriffe auf russische Ölraffinerien haben in Russland zu spürbaren Engpässen bei Benzin geführt. Die Folgen sind Preissteigerungen, die nach Einschätzung von Beobachtern die Inflation anheizen und die wirtschaftliche Stabilität des Landes zusätzlich unter Druck setzen dürften.

Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs vom 28. August wurden unter anderem die Kuibyschew-Raffinerie in der Region Samara sowie die Afipsky-Raffinerie in der Nähe der südrussischen Stadt Krasnodar angegriffen. An den Einsätzen sollen demnach auch Kräfte des ukrainischen Sicherheitsdienstes SBU und der Spezialkräfte beteiligt gewesen sein. Beide Anlagen gelten als bedeutende Standorte für die Treibstoffversorgung – auch für das russische Militär.

Die getroffenen Raffinerien verarbeiten jährlich mehrere Millionen Tonnen Rohöl. Allein die Kuibyschew-Anlage hat nach ukrainischen Angaben eine Verarbeitungskapazität von rund sieben Millionen Tonnen pro Jahr, die Afipsky-Raffinerie liegt bei etwa 6,25 Millionen Tonnen. Letztere soll insbesondere eine wichtige Rolle bei der Belieferung russischer Truppen spielen.

In vielen Regionen steigen die Benzinpreise

Als Reaktion auf die zunehmend angespannte Lage am heimischen Treibstoffmarkt verlängerte die russische Regierung am 27. August ein bestehendes Exportverbot für Benzin. Ursprünglich sollte die Massnahme Ende August auslaufen. Nun gilt sie für Produzenten bis Ende September, für Zwischenhändler sogar bis Ende Oktober. Bereits in der Vergangenheit hatte Russland wiederholt Exportbeschränkungen verhängt, um die Inlandspreise zu stabilisieren – diesmal jedoch in einem deutlich verschärften Umfeld.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Angriffe sind spürbar: In mehreren Regionen Russlands sowie im besetzten Teil der Ukraine steigen die Benzinpreise. Beobachter rechnen mit weiter zunehmenden Kosten für Verbraucher und Unternehmen. Die steigenden Energiepreise könnten sich damit nicht nur unmittelbar, sondern auch indirekt auf andere Bereiche der russischen Wirtschaft auswirken – etwa durch erhöhte Transportkosten oder Lieferengpässe. Auch die Inflationserwartungen könnten dadurch steigen.

Militärblogger kritisieren die russische Führung

Bei russischen Bloggern, die ihre Artikel über die Armee und den Krieg gegen die Ukraine auf Telegram veröffentlichen, stossen die Angriffe laut dem US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) auf kritische Reaktionen. Mehrere Militärblogger beklagen demnach die unzureichende Luftabwehr an strategisch wichtigen Standorten. In Beiträgen auf Telegram werfen sie staatlichen Stellen Versagen beim Schutz zentraler Infrastruktur vor. Ein Blogger sprach gar von einem «Zusammenbruch» der russischen Öl- und Gasindustrie. Andere fordern den verstärkten Einsatz mobiler Abwehrsysteme, den Ausbau der Luftverteidigung und die Rekrutierung zusätzlicher Freiwilliger für den Schutz gefährdeter Einrichtungen.

Die Kritik richtet sich dabei nicht nur gegen die Ausrüstung, sondern auch gegen die Verantwortlichen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum es bislang keine personellen Konsequenzen für die wiederholten Drohnenschläge gebe, heisst im Telegramkanal des Bloggers «Vysokygovorit». Ein anderer Blogger ist besonders aufgebracht: «Die russische Führung ist inkompetent», schreibt «Rybar».

Die ukrainischen Drohnenangriffe auf militärische und wirtschaftliche Ziele im russischen Hinterland haben in den vergangenen Monaten zugenommen. Sie sind Teil einer Strategie, die Logistik und Nachschubwege Russlands zu schwächen – und zugleich ein Mittel der psychologischen Kriegsführung. Wie effektiv diese Taktik langfristig sein wird, ist offen. Sicher ist jedoch: Die Angriffe belasten die ohnehin angeschlagene russische Wirtschaft zunehmend – und verlagern den Krieg immer deutlicher auf russisches Territorium.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Militärparade Russland 2025
1 / 8
Militärparade Russland 2025

In Russland findet jedes Jahr am 9. Mai eine Militärparade statt.

quelle: keystone
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Rekord-Drohnenangriff auf Russland: Das sind die Videos
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
94 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Mentos
29.08.2025 21:17registriert Mai 2020
Wenn die westlichen Staaten sich nicht auf weitere Sanktionen gegen Russland und seien Verbündeten einigen können, ist es legitim, dass die Ukraine die russischen Ölraffinerien angreift.
2405
Melden
Zum Kommentar
avatar
Baron Münchhausen
29.08.2025 21:12registriert August 2020
Ich hoffe, dass der Flamingo voll einschlägt und in den gewünschten Mengen hergestellt werden kann. Das könnte den ersehnten Druck auf Russland aufbauen, wenn plötzlich Raffinerien und Rüstungsfabriken 3000km von der Ukraine weg zu brennen beginnen.
2316
Melden
Zum Kommentar
avatar
Acai
29.08.2025 20:52registriert März 2017
Super. Hoffentlich kann die Ukraine noch viel mehr entsprechende Schläge ausführen.
Wer weiss, evtl kippt Russland ja schneller als gedacht. Dann könnte auch Europa endlich mal ohne Angst, die amerikanische Unterstützung zu verlieren, angemessen auf Trump reagieren.
1874
Melden
Zum Kommentar
94
Umfrage: AfD rückt vor die Union von Kanzler Friedrich Merz
Die AfD steigt in Umfragen und erreicht ihren Rekordwert vom Oktober. Für Bündnisse ohne Rechtsaussen im Bund wird's eng.
Die AfD legt in Umfragen erneut zu. Im Sonntagstrend des Meinungsforschungsinstituts Insa für «Bild am Sonntag» gewinnt die AfD im Vergleich zur Vorwoche einen Punkt und steht bei 27 Prozent. CDU/CSU verharren bei 25 Prozent, die SPD bei 15 Prozent. Die Grünen kommen auf elf Prozent und die Linke erreicht zehn Prozent.
Zur Story