Im «Gaskrieg» zwischen Russland und Europa kam es in den letzten Tagen zu einer Entspannung. Obwohl der Gazprom-Konzern die Lieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 Anfang September definitiv gestoppt hat, sind die Gasspeicher EU-weit zu fast 90 Prozent gefüllt. Die Preise für Erdgas an den Energiebörsen sind zuletzt deutlich gefallen.
«Putin hat Europas Gasmarkt nicht mehr im Würgegriff. Dass durch Nord Stream kein Gas mehr kommt, hat am Schluss kaum noch jemanden gewundert», sagte Andreas Schröder, Leiter Energieanalyse beim Londoner Informationsdienst ICIS, dem «Spiegel». «Die hiesigen Speicher sind momentan weitgehend voll, viele lassen sich kurzfristig kaum noch auffüllen.»
Die Gaspreise haben sich gegenüber dem Höchststand von mehr als 300 Euro pro Megawattstunde Ende Juli fast halbiert. Sie sind aber immer noch viel teurer als vor dem Ukraine-Krieg und die kalte Jahreszeit bleibt für Europa eine Zitterpartie. Denn die Speicher sollen eigentlich nicht die Versorgung sicherstellen, sondern Schwankungen ausgleichen.
Und nun sorgt eine neue Entwicklung für Unruhe. In der Nacht auf Montag wurde nahe der dänischen Ostseeinsel Bornholm ein Leck in der Pipeline Nord Stream 2 entdeckt. Sie wurde zu Testzwecken mit Gas gefüllt, ihre geplante Inbetriebnahme aber wurde von der deutschen Regierung nach dem russischen Überfall auf die Ukraine gestoppt.
Nachdem ein Druckabfall von 105 auf 7 Bar festgestellt wurde, entdeckten dänische F-16-Kampfflugzeuge vor Bornholm Blasen im Meer. Die Regierung sperrte daraufhin ein Gebiet im Umkreis von fünf Seemeilen aus Sicherheitsgründen für den Schiffsverkehr. Eine unmittelbare Gefahr für die Umwelt besteht laut Medienberichten nicht.
Am Montagabend wurde zudem ein «starker Druckabfall» in beiden Röhren von Nord Stream 1 verzeichnet, wie ein Sprecher des Unternehmens erklärte. Die schwedische Schifffahrtsbehörde vermeldete am Dienstag zwei Lecks, eines in dänischen und das andere in schwedischen Hoheitsgewässern. Sie lägen jedoch «nahe beieinander».
Das deutsche Wirtschaftsministerium teilte am Montagabend mit, die Ursache für den Druckabfall sei «noch unklar». Der Berliner «Tagesspiegel» berichtete jedoch, dass Sicherheitskreise aufgrund des zeitlichen Ablaufs von Sabotage ausgingen. «Unsere Fantasie gibt kein Szenario mehr her, das kein gezielter Anschlag ist», wird eine involvierte Person zitiert.
Der ehemalige grüne Umweltminister Jürgen Trittin ging im Gespräch mit dem Sender ntv ebenfalls von einer gewaltsamen Störung bei Nord Stream 2 aus. Die Pipeline sei «relativ neu und aus massivem und gutem deutschem Stahl gebaut», meinte Trittin. Jetzt müsse untersucht werden, ob es sich bei dem Leck um Sabotage handle.
Die dänische Marine und deutsche Spezialisten haben laut der Deutschen Presse-Agentur eine Untersuchung eingeleitet. Ein solcher Anschlag auf dem Meeresboden ist alles andere als trivial. Er müsste mit Spezialkräften ausgeführt werden, zum Beispiel Marinetauchern oder einem U-Boot. Zur Urheberschaft werden laut «Tagesspiegel» zwei Varianten diskutiert.
Demnach könnten ukrainische oder mit der Ukraine verbündete Kräfte dahinterstecken. Sie könnten darauf hinwirken, dass Gas aus Russland nur noch über Pipelines in der Ukraine oder Polen in die EU geliefert werden kann. Es ist in der Tat ein bizarrer Aspekt dieses Konflikts, dass weiterhin Gas durch die Ukraine fliesst, wenn auch in reduziertem Umfang.
Es fragt sich nur, was die Ukrainer mit solchen Anschlägen erreichen wollen, da durch die Nord-Stream-Pipelines nichts (mehr) geliefert wird. Die zweite Option ist naheliegender: eine False-Flag-Operation Russlands, um in Europa nach der Entspannung der letzten Tage neue Unsicherheit zu schüren und die Gaspreise in die Höhe zu treiben.
Am Dienstag kam es tatsächlich zu einem geringen Preisanstieg. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Diese Woche wird die neue Baltic Pipe von Norwegen über Dänemark nach Polen eröffnet. Sie kreuzt in der Ostsee die Nord-Stream-Röhren. Russische Anschläge könnten eine Warnung sein, dass bei der Baltic Pipe mit Ähnlichem zu rechnen ist.
Beweise für eine Urheberschaft Russlands gibt es bislang nicht. Moskau selbst hält Sabotage für möglich. «Im Moment kann keine Option ausgeschlossen werden», sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag. Die russische Regierung fordere eine sofortige Untersuchung, da es um die Energiesicherheit für den gesamten Kontinent gehe.
Die Vorgänge bleiben mysteriös. Sie dürften die Bemühungen in Europa verstärken, sich von russischem Gas unabhängig zu machen, vor allem durch den Import von Flüssiggas (LNG). Kürzlich wurde in den Niederlanden ein Terminal eröffnet, drei weitere sollen bis Ende Jahr in Deutschland in Betrieb gehen, in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin.
An was erinnern mich solche Begeiffe nur..?
Wenn eine Gasleitung einen Zwischenfall in 100.000 Jahren hat, dann haben 2 Pipelines zusammen einen Vorfall in 10 Milliarden Jahren. 3 Lecks zusammen treten somit nur jede Billiarde (10 hoch 15) Jahre. Fazit: Es war zu 100% sicher Sabotage.