Die neue britische Premierministerin Liz Truss will schon an diesem Donnerstag einen Plan zur Lösung der schweren Energiekrise vorlegen. Das kündigte die konservative Politikerin am Mittwoch bei ihrer ersten Fragestunde im Parlament an. Die infolge des Ukraine-Kriegs enorm gestiegenen Energiepreise gelten derzeit als drängendste Aufgabe. Millionen Menschen in Grossbritannien könnten in die Armut abrutschen, wird befürchtet. Truss hatte erst am Dienstag von Queen Elizabeth II. den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten und Boris Johnson in der Downing Street abgelöst.
Bei ihrer Antrittsrede am Dienstag hatte Truss ihren Vorgänger noch ausdrücklich gelobt, am Mittwoch verlor sie kein Wort über ihn. Eine Abgeordnete der oppositionellen schottischen Nationalpartei SNP, die Johnson als «korrupt und nichtsnutzig» bezeichnet hatte, wurde von Parlamentspräsident Lindsay Hoyle zur Ordnung gerufen und musste ihre Äusserung zurückziehen. Johnson, der noch immer ein Abgeordnetenmandat hat, liess sich zu der Sitzung nicht im Plenarsaal blicken.
Anders als der Ex-Premier, der seine Gegenspieler im Parlament oft mit Anschuldigungen überhäufte und mit wenig schmeichelhaften Spitznamen belegte, entschied sich Truss für eine weniger konfrontative Haltung. Sie dankte Oppositionsführer Keir Starmer von der Labour-Partei zunächst, dass er die Massnahmen zur Unterstützung der Ukraine mitgetragen habe. Zudem kündigte sie an, mit den Oppositionsparteien zusammenarbeiten zu wollen.
Truss kündigte schnelle Hilfe für Privathaushalte und Unternehmen in der Energiekrise an. Eine verschärfte Übergewinnsteuer für grosse Energieunternehmen zur Finanzierung der Massnahmen schloss sie jedoch aus. «Die Realität ist, dass dieses Land nicht durch Besteuerung Wirtschaftswachstum erreichen kann», so die Premierministerin.
Sie kündigte stattdessen Steuererleichterungen an und versprach, die Öl- und Gasförderung in der Nordsee auszuweiten sowie neue Atomkraftwerke zu bauen. Erwartet wird, dass auch das Thema Fracking neu bewertet werden könnte. Bisher unterliegt die umstrittene Methode zur Ausbeutung von Gasvorkommen in Grossbritannien einem Moratorium. Labour-Chef Starmer warf Truss vor, die Kosten für ein Einfrieren des Energiepreisdeckels den Steuerzahlern aufbürden zu wollen. Eine schlüssige Antwort auf die Frage nach der Finanzierung ihrer geplanten Massnahmen blieb die Premierministerin zunächst schuldig.
Von ihrer eigenen Fraktion wurde Truss mit «Yeah-Rufen» lautstark unterstützt. Ob sie sich aber der Rückendeckung der Tories dauerhaft sicher sein kann, gilt als fraglich.
Ins Kabinett berief sie vornehmlich enge Weggefährten. So machte sie den bisherigen Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng zum Finanzminister. Ihre Freundin Thérèse Coffey bekam den Posten der Gesundheitsministerin und Vizeregierungschefin. Der frühere Europa-Staatssekretär James Cleverly führt künftig das Aussenministerium, und die ehemalige Chefjustiziarin Suella Braverman, eine Tory-Hardlinerin, wurde zur Innenministerin ernannt. Der erzkonservative Brexit-Vorkämpfer Jacob Rees-Mogg soll das Wirtschaftsministerium leiten. Die Unterstützer ihres unterlegenen Rivalen Rishi Sunak mussten weitgehend auf den Hinterbänken Platz nehmen. (aeg/sda/dpa)
(yam/sda/dpa)