Der Bundesrat hat am Mittwoch entschieden, dass die Schweiz kein drittes Geschlecht einführen wird. Auch der Verzicht auf den Geschlechtseintrag soll nicht ermöglicht werden.
In Schottland wurde diese Woche ebenfalls über Gendergesetze diskutiert. Zwar gibt es auch dort kein drittes Geschlecht, allerdings sollen trans Menschen ihren Geschlechtseintrag einfacher ändern können. Dies entschied das schottische Regionalparlament Holyrood gestern in Edinburgh. In der britischen Regierung nimmt man diesen Entscheid mit grosser Skepsis auf.
Eigentlich war die Abstimmung zur «Gender Recognition Reform Bill» bereits am Mittwoch vorgesehen, doch eine Fülle von Änderungsanträgen brachte den Zeitplan ins Wanken. Gestern war es schliesslich so weit. Nach einer dreitägigen Debatte um den Gesetzesentwurf sollte endlich abgestimmt werden. Doch eine Störung sorgte für eine erneute Verzögerung: Minuten vor der Abstimmung begann eine Gruppe von Frauen auf der Tribüne des Parlaments zu protestieren. Sie hielten ein Schild mit der Aufschrift «Privatsphäre, Würde, Sicherheit» in die Höhe. Dann entblösste eine der Frauen ihren Intimbereich, den sie mit künstlichem Haar bedeckt hatte, und schrie:
Die Frauen sehen in dem Gesetz einen Angriff auf die Sicherheit von Frauen und Kindern.
The moment a protester shouts "if you will not be decent, then I will be indecent" and flashes artificial pubic hair to the Holyrood chamber, after the Gender Recognition Reform Bill is passed. @STVNews pic.twitter.com/rIpJ6xZSrM
— Laura Alderman (@LauraAlderman_) December 22, 2022
Die Gruppe wurde aus dem Gebäude eskortiert und die Debatte fortgesetzt. Kurz darauf wurde das Gesetz mit einer Mehrheit von 86 Stimmen angenommen, 39 Parlamentarier sprachen sich dagegen aus.
Der Entscheid wurde mit Jubelrufen und Standing Ovations entgegengenommen.
A historic day: The Gender Recognition Reform (Scotland) Bill being passed in the Scottish Parliament#lgbtq #lgbtnews #trans #transrights #GenderRecognitionReformBill pic.twitter.com/kX6tu94xLJ
— Queer Insider 🏳️🌈 🏳️⚧️ (@qitweets) December 22, 2022
Durch die Neuregelung entfällt die Pflicht für ein medizinisches Gutachten als Voraussetzung für eine Änderung des Geschlechtseintrags. Das heisst, es muss im Vorfeld keine Diagnose der sogenannten Genderinkongruenz (englisch genderdysphoria) gestellt werden. Diese beschreibt den Zustand, bei dem sich Personen nicht mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren. Mit dem Wegfallen des Gutachtens reicht eine Selbstidentifizierung des Geschlechts aus.
Personen, die unter Genderinkongruenz leiden, können ihren Geschlechtseintrag nun nicht nur schneller, sondern auch einfacher ändern. So wird das Mindestalter für einen solchen Antrag von 18 auf 16 Jahre gesenkt. Zudem müssen die trans Menschen nicht mehr wie zuvor zwei Jahre in der neuen Geschlechterrolle gelebt haben. Neu reichen bereits drei Monate aus.
Die schottische Regierung erwartet, dass sich die Zahl der Menschen, die ihr Geschlecht offiziell anpassen, verzehnfachen wird.
Das Projekt von Regierungschefin Nicola Sturgeon von der Schottischen Nationalpartei SNP hatte eine heftige Kontroverse ausgelöst. Kritikerinnen wie die Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling fürchten, dass Männer die vereinfachten Regelungen ausnützen könnten: So könnten sie sich einfach als Frauen ausgeben, um aus sexuellen Motiven in Bereiche einzudringen, die Frauen vorbehalten sind, wie zum Beispiel Damenumkleiden oder -toiletten.
Ihre Sorge wird von der schottischen Tory-Abgeordneten Rachael Hamilton geteilt:
Shona Robison, Ministerin für Soziales und Justiz, widerspricht dieser Ansicht:
Die Auseinandersetzung machte auch vor Sturgeons eigener Partei nicht Halt. Befürworter und Gegner des Gesetzesvorhabens hatten im Laufe der Woche vor und im schottischen Regionalparlament Holyrood in Edinburgh demonstriert.
Thank you to the women protesting the SNP’s Gender Recognition Reform Bill.
— Rachael Hamilton MSP Scottish Borders (@Rachael2Win) December 21, 2022
It is a real risk to women’s safety and threatens our rights.
A majority of Scotland is against this bill. I hope MSPs will listen and vote against it.#WomenWontWheesht pic.twitter.com/drsWmBw9NG
Auch in London hält sich die Begeisterung über das verabschiedete Gesetz in Grenzen.
Der konservative schottische Minister Alister Jack, der Schottland im Kabinett des britischen Premierministers Rishi Sunak vertritt, hat angedeutet, dass die britische Regierung das Gesetz blockieren könnte. In einer Stellungnahme zur Abstimmung sagte er:
Nach dem «Scotland Act» kann die britische Regierung ein dezentralisiertes Gesetz aus Gründen der nationalen Sicherheit oder wegen anderer Vorbehalte blockieren. In diesem Fall könnte die britische Regierung argumentieren, dass das schottische Gesetz eine schädliche Auswirkung auf das Gleichstellungsrecht hat. Die Gleichstellungsgesetzgebung wird nämlich zentral geregelt und obliegt Westminster. Für eine allfällige Intervention hätte die britische Regierung vier Wochen Zeit. Es wäre allerdings das erste Mal, dass von dieser Befugnis Gebrauch gemacht würde.
Ein Sprecher der schottischen Regierung hat bereits angekündigt, einen solchen Schritt anfechten zu wollen:
Sollte sich Rishi Sunaks Regierung tatsächlich dafür entscheiden, so könnte das in Edinburgh als grosse Provokation empfunden werden. Wie das Radio- und Newsnetzwerk Leading Britain's Conversation schreibt, könnte Nicola Sturgeon einen solchen Blockierungsversuch für ihre Argumentation nutzen, dass den schottischen Wählenden ein zweites Unabhängigkeitsreferendum gewährt werden sollte.
Erst im Oktober entschied das Oberste Gericht, dass Schottland ohne die Einwilligung Englands kein weiteres Unabhängigkeitsreferendum durchführen dürfe.
Die Annahme der «Gender Recognition Reform Bill» schlägt in Schottland hohe Wellen. Feministische Gruppen wie beispielsweise die Organisation «Standing for Women» verurteilen das Gesetz als «Affront gegen Frauen in ganz Schottland». Es sei «ein dunkler Tag für Frauen und Kinder in Schottland», sagte die Frauenrechtsaktivistin Sharron Davies gegenüber dem britischen Radio- und Fernsehnetzwerk GB News.
Trans Menschen hingegen feiern den Entscheid als Triumph. So sagt Vic Valentine, die non-binäre, geschäftsführende Person von Scottisch Trans, dass diese Änderungen es Transmenschen ermöglichten, «mit der Würde und Anerkennung zu leben, die jeder und jede verdient». Trans Menschen in ganz Schottland seien froh und erleichtert, dass das Gesetz nach vielen Jahren öffentlicher Debatte verabschiedet worden sei.
Ob es tatsächlich in Kraft tritt, obliegt allerdings dem Entscheid der britischen Regierung.
Ich weiss auch nicht, wie man sich das vorstellt: Sind Frauenumkleiden nur mit ID zugänglich? Kann sich ein Mann nicht bereits heute einfach in Frauenumkleiden schleichen? Der Schutz von Frauen wird überhaupt nicht angetastet.
Auch Frauen: "Wir wollen einen Sonderstatus weil wir schwacher sind. Wir blockieren alles was mehr Gleichberechtigung bei Männern die transsexuell sind bedeutet weil - ja weil - DAMENTOILETTE".
Feministen-TERFs werden Trumpisten.
Ein Gericht hat also entschieden, dass Schottland keine weitere Abstimmung über ihre eigene Suveränität halten darf ohne Einwilligung Grossbritaniens, welches seinerseits keine Erlaubniss einholen musste, um sich aus der europäischen Gemeinschaft zurückzuziehen, freilich ohne jemals Nord Irland, Schottland oder Wales um deren Meinung zu erfragen.
Yes - sounds legit!