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Schottland stimmt für Gendergesetz – London überlegt sich Intervention

Schottland stimmt für umstrittenes Gendergesetz – London überlegt sich Intervention

In Schottland sollen trans Menschen ihren Geschlechtseintrag bald schneller und einfacher ändern können. Ein entsprechendes Gesetz wurde gestern verabschiedet. Die britische Regierung übt Kritik und überlegt sich, gegen das Gesetz vorzugehen.
23.12.2022, 14:4523.12.2022, 15:47
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Supporters of the Gender Recognition Reform Bill (Scotland) take part in a protest outside the Scottish Parliament, ahead of a debate on the bill, in Edinburgh. Tuesday, Dec. 20, 2022. A plan by Scotl ...
Pro-Trans-Demo in Edinburgh.Bild: keystone

Der Bundesrat hat am Mittwoch entschieden, dass die Schweiz kein drittes Geschlecht einführen wird. Auch der Verzicht auf den Geschlechtseintrag soll nicht ermöglicht werden.

In Schottland wurde diese Woche ebenfalls über Gendergesetze diskutiert. Zwar gibt es auch dort kein drittes Geschlecht, allerdings sollen trans Menschen ihren Geschlechtseintrag einfacher ändern können. Dies entschied das schottische Regionalparlament Holyrood gestern in Edinburgh. In der britischen Regierung nimmt man diesen Entscheid mit grosser Skepsis auf.

Deutliches Resultat trotz Aufruhr

Eigentlich war die Abstimmung zur «Gender Recognition Reform Bill» bereits am Mittwoch vorgesehen, doch eine Fülle von Änderungsanträgen brachte den Zeitplan ins Wanken. Gestern war es schliesslich so weit. Nach einer dreitägigen Debatte um den Gesetzesentwurf sollte endlich abgestimmt werden. Doch eine Störung sorgte für eine erneute Verzögerung: Minuten vor der Abstimmung begann eine Gruppe von Frauen auf der Tribüne des Parlaments zu protestieren. Sie hielten ein Schild mit der Aufschrift «Privatsphäre, Würde, Sicherheit» in die Höhe. Dann entblösste eine der Frauen ihren Intimbereich, den sie mit künstlichem Haar bedeckt hatte, und schrie:

«Wenn ihr nicht anständig seid, dann bin ich unanständig!»

Die Frauen sehen in dem Gesetz einen Angriff auf die Sicherheit von Frauen und Kindern.

Die Gruppe wurde aus dem Gebäude eskortiert und die Debatte fortgesetzt. Kurz darauf wurde das Gesetz mit einer Mehrheit von 86 Stimmen angenommen, 39 Parlamentarier sprachen sich dagegen aus.

Der Entscheid wurde mit Jubelrufen und Standing Ovations entgegengenommen.

Das soll sich ändern

Durch die Neuregelung entfällt die Pflicht für ein medizinisches Gutachten als Voraussetzung für eine Änderung des Geschlechtseintrags. Das heisst, es muss im Vorfeld keine Diagnose der sogenannten Genderinkongruenz (englisch genderdysphoria) gestellt werden. Diese beschreibt den Zustand, bei dem sich Personen nicht mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren. Mit dem Wegfallen des Gutachtens reicht eine Selbstidentifizierung des Geschlechts aus.

Personen, die unter Genderinkongruenz leiden, können ihren Geschlechtseintrag nun nicht nur schneller, sondern auch einfacher ändern. So wird das Mindestalter für einen solchen Antrag von 18 auf 16 Jahre gesenkt. Zudem müssen die trans Menschen nicht mehr wie zuvor zwei Jahre in der neuen Geschlechterrolle gelebt haben. Neu reichen bereits drei Monate aus.

Die schottische Regierung erwartet, dass sich die Zahl der Menschen, die ihr Geschlecht offiziell anpassen, verzehnfachen wird.

Kontroverses Gesetzesvorhaben

Das Projekt von Regierungschefin Nicola Sturgeon von der Schottischen Nationalpartei SNP hatte eine heftige Kontroverse ausgelöst. Kritikerinnen wie die Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling fürchten, dass Männer die vereinfachten Regelungen ausnützen könnten: So könnten sie sich einfach als Frauen ausgeben, um aus sexuellen Motiven in Bereiche einzudringen, die Frauen vorbehalten sind, wie zum Beispiel Damenumkleiden oder -toiletten.

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Regierungschefin Nicola Sturgeon. Von Joanne K. Rowling wird sie als «Zerstörerin von Frauenrechten» bezeichnet.Bild: keystone

Ihre Sorge wird von der schottischen Tory-Abgeordneten Rachael Hamilton geteilt:

«In der Eile, den Prozess für transsexuelle Menschen ein wenig zu erleichtern, macht es die Regierung kriminellen Männern leichter, Frauen anzugreifen. Das ist das Problem hier.»

Shona Robison, Ministerin für Soziales und Justiz, widerspricht dieser Ansicht:

«Trans-Rechte stehen nicht in Konkurrenz zu den Rechten von Frauen, und wie so oft können wir die Dinge für alle verbessern, wenn die Diskriminierten als Verbündete und nicht als Gegner auftreten.»

Die Auseinandersetzung machte auch vor Sturgeons eigener Partei nicht Halt. Befürworter und Gegner des Gesetzesvorhabens hatten im Laufe der Woche vor und im schottischen Regionalparlament Holyrood in Edinburgh demonstriert.

London überlegt sich Blockierung des Gesetzes

Auch in London hält sich die Begeisterung über das verabschiedete Gesetz in Grenzen.

Der konservative schottische Minister Alister Jack, der Schottland im Kabinett des britischen Premierministers Rishi Sunak vertritt, hat angedeutet, dass die britische Regierung das Gesetz blockieren könnte. In einer Stellungnahme zur Abstimmung sagte er:

«Wir teilen die Bedenken, die viele Menschen in Bezug auf bestimmte Aspekte dieses Gesetzentwurfs haben, insbesondere in Bezug auf die Sicherheit von Frauen und Kindern.»
epa10266888 British Secretary of State for Scotland Alister Jack departs after a cabinet meeting at 10 Downing street in London, Britain, 26 October 2022. British Prime Minister Rishi Sunak held his f ...
Der schottische Minister Alister Jack zeigt sich besorgt um die Sicherheit von Frauen und Kindern.Bild: keystone

Nach dem «Scotland Act» kann die britische Regierung ein dezentralisiertes Gesetz aus Gründen der nationalen Sicherheit oder wegen anderer Vorbehalte blockieren. In diesem Fall könnte die britische Regierung argumentieren, dass das schottische Gesetz eine schädliche Auswirkung auf das Gleichstellungsrecht hat. Die Gleichstellungsgesetzgebung wird nämlich zentral geregelt und obliegt Westminster. Für eine allfällige Intervention hätte die britische Regierung vier Wochen Zeit. Es wäre allerdings das erste Mal, dass von dieser Befugnis Gebrauch gemacht würde.

Ein Sprecher der schottischen Regierung hat bereits angekündigt, einen solchen Schritt anfechten zu wollen:

«Jeder Versuch der britischen Regierung, den demokratischen Willen des schottischen Parlaments zu untergraben, wird von der schottischen Regierung energisch bekämpft werden.»

Sollte sich Rishi Sunaks Regierung tatsächlich dafür entscheiden, so könnte das in Edinburgh als grosse Provokation empfunden werden. Wie das Radio- und Newsnetzwerk Leading Britain's Conversation schreibt, könnte Nicola Sturgeon einen solchen Blockierungsversuch für ihre Argumentation nutzen, dass den schottischen Wählenden ein zweites Unabhängigkeitsreferendum gewährt werden sollte.

Erst im Oktober entschied das Oberste Gericht, dass Schottland ohne die Einwilligung Englands kein weiteres Unabhängigkeitsreferendum durchführen dürfe.

Gemischte Reaktionen

Die Annahme der «Gender Recognition Reform Bill» schlägt in Schottland hohe Wellen. Feministische Gruppen wie beispielsweise die Organisation «Standing for Women» verurteilen das Gesetz als «Affront gegen Frauen in ganz Schottland». Es sei «ein dunkler Tag für Frauen und Kinder in Schottland», sagte die Frauenrechtsaktivistin Sharron Davies gegenüber dem britischen Radio- und Fernsehnetzwerk GB News.

Trans Menschen hingegen feiern den Entscheid als Triumph. So sagt Vic Valentine, die non-binäre, geschäftsführende Person von Scottisch Trans, dass diese Änderungen es Transmenschen ermöglichten, «mit der Würde und Anerkennung zu leben, die jeder und jede verdient». Trans Menschen in ganz Schottland seien froh und erleichtert, dass das Gesetz nach vielen Jahren öffentlicher Debatte verabschiedet worden sei.

Ob es tatsächlich in Kraft tritt, obliegt allerdings dem Entscheid der britischen Regierung.

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144 Kommentare
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Ehringer
23.12.2022 15:34registriert Februar 2015
Sie werden es nicht hören wollen, aber es gibt bisher KEINE belegbaren Fälle, in welchen kriminelle Männer trans*-freundliche Gesetze dafür ausgenutzt haben, Frauen zu belästigen.

Ich weiss auch nicht, wie man sich das vorstellt: Sind Frauenumkleiden nur mit ID zugänglich? Kann sich ein Mann nicht bereits heute einfach in Frauenumkleiden schleichen? Der Schutz von Frauen wird überhaupt nicht angetastet.
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B-Arche
23.12.2022 15:47registriert Februar 2016
Frauen (zurecht!): "Wir wollen equal pay, Gleichberechtigung, Gleichstellung, dieselben Chancen". ZURECHT;

Auch Frauen: "Wir wollen einen Sonderstatus weil wir schwacher sind. Wir blockieren alles was mehr Gleichberechtigung bei Männern die transsexuell sind bedeutet weil - ja weil - DAMENTOILETTE".

Feministen-TERFs werden Trumpisten.
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D. Valldumatin
24.12.2022 03:33registriert September 2020
Ich möchte die Situation, in der die Schottland - Grossbrittanien Debatte feststeckt, einmal zusammenfassen:

Ein Gericht hat also entschieden, dass Schottland keine weitere Abstimmung über ihre eigene Suveränität halten darf ohne Einwilligung Grossbritaniens, welches seinerseits keine Erlaubniss einholen musste, um sich aus der europäischen Gemeinschaft zurückzuziehen, freilich ohne jemals Nord Irland, Schottland oder Wales um deren Meinung zu erfragen.

Yes - sounds legit!
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