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Rechte scheitern mit Misstrauensantrag gegen von der Leyen

Rechte scheitern mit Misstrauensantrag gegen von der Leyen

10.07.2025, 12:1110.07.2025, 15:13
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Der Misstrauensantrag gegen die EU-Kommission von Ursula von der Leyen ist gescheitert. Bei der Abstimmung im Europaparlament in Strassburg votierten lediglich 175 Abgeordnete für den Vorstoss aus dem rechten Lager. 360 lehnten ihn ab, 18 enthielten sich.

Insgesamt stimmten 553 der derzeit 719 Parlamentarier ab. Für ein erfolgreiches Misstrauensvotum wären zwei Drittel der abgegebenen Stimmen - ohne Enthaltungen - nötig gewesen, mindestens aber 360.

Mit dem Ergebnis konnte von der Leyen beim Misstrauensvotum verhältnismässig mehr Abgeordnete hinter sich und ihrer Kommission versammeln als bei der Bestätigung der neuen EU-Kommission im vergangenen Jahr.

Von der Leyen: «Vielen Dank»

Von der Leyen schrieb nach der Abstimmung in sozialen Netzwerken: «Vielen Dank und es lebe Europa.» In einer Zeit globaler Volatilität und Unvorhersehbarkeit brauche die EU Stärke, Vision und Handlungsfähigkeit. Während der Abstimmung an diesem Donnerstag war von der Leyen nicht im Parlament. Sie nahm stattdessen an der Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in Rom teil.

Eingereicht hatten den Misstrauensantrag 77 Parlamentarier, darunter die 15 deutschen AfD-Abgeordneten sowie Politiker der Partei Rassemblement National (RN) von Frankreichs Rechtspopulistin Marine Le Pen. Sie werfen von der Leyen und ihrem Team Intransparenz und Missmanagement vor - insbesondere mit Blick auf die Corona-Politik. Wäre der Misstrauensantrag angenommen worden, hätte die EU-Kommission geschlossen zurücktreten müssen.

Bei einer Aussprache am Montagabend hatte von der Leyen ihren rechten Kritikern vorgehalten, Verschwörungen anzuheizen und selbst keine Antworten auf politische Probleme zu haben. Es gebe reichlich Beweise, dass viele der extremen Kräfte von Feinden unterstützt würden, ob die Strippenzieher nun in Russland sässen oder anderswo, sagte sie.

Fraktionen stimmen nicht bedingungslos

Nach Darstellung des deutschen SPD-Politikers René Repasi machte von der Leyen vor dem Votum Zugeständnisse an die Fraktionen und sicherte unter anderem zu, dass auch im nächsten langfristigen EU-Haushalt Geld für den sogenannten Europäischen Sozialfonds (ESF) eingeplant wird. Der ESF ist ein Instrument zur Beschäftigungsförderung und soll unter anderem Ausbildung und Qualifizierung unterstützen.

Geschlossen gegen den Antrag stimmten neben der EVP die Grünen. Die deutsche Co-Vorsitzenden Terry Reintke sagte allerdings, die Unterstützung der Kommissionspräsidentin gebe es nicht zum Nulltarif. Die Rückabwicklung des Klimaschutzpakets «Green Deal» durch Bürokratieabbau müsse aufhören. Die Abgeordneten des Bündnisses Sahra Wagenknecht votierten hingegen geschlossen für den Misstrauensantrag.

Belastungsprobe für von der Leyen

Für die deutsche CDU-Politikerin, die der europäischen Parteienfamilie EVP angehört, war der Vorstoss aus dem rechten Lager trotz geringer Erfolgsaussichten eine Belastungsprobe. Grund ist, dass die 66-Jährige mit manchen Initiativen zuletzt auch bei ihr eigentlich wohlgesonnenen Abgeordneten für Unmut sorgte.

So war die Aussprache im Plenum am Montagabend auch von den Sozialdemokraten und Liberalen für Anschuldigungen gegen von der Leyen und das Mitte-Rechts-Bündnis EVP genutzt worden. Sie kritisierten, dass die EVP zuletzt mehrfach in Kauf genommen hatte, dass politische Projekte mit Stimmen aus dem Rechtsaussen-Lager vorangebracht wurden.

Partner-Parteien üben Kritik

Die S&D-Fraktionsvorsitzende Iratxe García fragte an die EVP gerichtet: «Mit wem wollen Sie regieren? Mit wem wollen Sie Europa zerstören oder mit wem kämpfen wir jeden Tag, um es aufzubauen?» Die liberale Fraktionsvorsitzende Valérie Hayer (Renew) sagte: «Heute, Frau Präsidentin, sehen Sie die Sackgasse, in die Sie und Ihre politische Familie geraten sind, weil Sie zugelassen haben, dass die EVP Zweckbündnisse mit der extremen Rechten eingeht.»

Brisant waren die deutlichen Äusserungen, weil die EVP eigentlich eine Art informelle Koalition mit den europäischen Sozialdemokraten und Liberalen hat. Sie ist auf die Stimmen dieser Parteien angewiesen ist, wenn sie politische Projekte ohne Stimmen von Rechtsaussen durchbringen will.

Letzter Misstrauensantrag wurde 2014 gestellt

Misstrauensanträge gegen die Kommission sind äusserst selten. Zuletzt waren Rechtspopulisten 2014 mit einem Misstrauensantrag gegen die damalige EU-Kommission um Jean-Claude Juncker gescheitert. Bei der Abstimmung damals votierten lediglich 101 Abgeordnete für den Vorstoss aus dem EU-kritischen Lager. 461 lehnten ihn ab, 88 enthielten sich.

Hintergrund des Misstrauensantrags waren damals Enthüllungen über Steuervorteile für international tätige Grosskonzerne in Luxemburg. Juncker war knapp 19 Jahre lang Regierungschef des Grossherzogtums gewesen. Kritiker warfen ihm deswegen «Beihilfe zur Steuerhinterziehung» von Unternehmen vor.

Zum Rücktritt einer EU-Kommission führte lediglich ein drohender erfolgreicher Misstrauensantrag im Jahr 1999. Damals stellte eine von dem Luxemburger Jacques Santer geführte Kommission ihre Posten vorsorglich zur Verfügung, nachdem ein Bericht über Betrug, Missmanagement und Vetternwirtschaft vorgelegt worden war. (sda/dpa/nib)

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23 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Nett sein ist keine Schwäche
10.07.2025 12:36registriert August 2024
Gut so!
Sie ist eine starke Verteidigerin von Demokratie und Freiheit in Europa.
Genau wird sie von Rechtspopulisten gehasst.
2321
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700 mögliche Schweizer Verstösse gegen Russland-Sanktionen – die Sonntagsnews
Das Seco registrierte seit Beginn des Ukrainekriegs knapp 700 Verdachtsfälle zu Verstössen gegen die Russland-Sanktionen und der Bund will Schweizer Detailhändler für nachhaltigeren Konsum in die Pflicht nehmen. Das und mehr findet sich in den Sonntagszeitungen.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat laut «SonntagsZeitung» seit Beginn des Ukrainekriegs 2022 knapp 700 Verdachtsfälle zu möglichen Sanktionsverstössen registriert. Bisher seien 77 Verfahren eröffnet und 65 abgeschlossen worden, teilte das Amt auf Anfrage der Zeitung mit. In 26 Fällen seien Bussen ausgesprochen worden, meist wegen fahrlässigem Verhalten, oft aufgedeckt vom Zoll. Die Fälle reichten von dem Versuch, eine Luxusuhr im Wert von 300’000 Franken nach Russland auszuführen, über den Import einer Sauna aus Belarus bis hin zu Lieferungen von Industriegütern wie Werkzeugmaschinen-Ersatzteilen, deren Export nach Russland verboten ist. Auch ein Mann, der Waffenteile in Russland bestellt habe, sei gebüsst worden. Die Strafen reichten von 300 bis 5000 Franken. Rund zwei Drittel der gemeldeten Fälle beträfen Importe, ein Drittel Exporte. Zwei grössere Verfahren seien an die Bundesanwaltschaft übergeben worden.
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