Behörden in der autoritär regierten Republik Belarus haben nach Berichten von Staatsmedien in Minsk ein Flugzeug von Ryanair auf dem Weg von Athen nach Vilnius (Litauen) zur Landung gebracht. An Bord war auch der vom belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko international gesuchte Blogger Roman Protassewitsch, der nach Angaben des Menschenrechtszentrums Wesna in Minsk festgenommen wurde.
Die Flugleitzentrale in Minsk soll den Piloten mit einem Abschuss der Maschine gedroht haben, wenn sie nicht landen. Dazu sei auch ein mit Raketen bewaffneter Kampfjet MiG-29 aufgestiegen, um das Flugzeug zur Umkehr und auf den Boden zu zwingen.
#Belarus. Spotters have documented the landing of Mig-29 interceptor of Bel AF used to hijack the flight FR4978. It's been equipped with actual live air-to-air missiles. (4x Р-73Л, 2x Р-27Р w/ ПТБ-1500.)
— Ihar Filipau (@IFilipau) May 23, 2021
Via https://t.co/LQALLW4ARu pic.twitter.com/vHdEvICZXd
Dass ein Kampfjet aufstieg, haben die Behörden in Minsk zwar bestätigt, nicht aber die Drohung gegen die Piloten. Staatsmedien in Minsk berichteten vielmehr, die Piloten hätten nach einer angeblichen Bombendrohung selbst um Landung in Minsk ersucht. Dem widersprachen zahlreiche Experten, weil die Maschine bereits näher an ihrem Zielort Vilnius als an Minsk gewesen war, bevor sie umgeleitet wurde.
Distance from beginning of #FR4978 diversion (N53.97,E25.22) to:
— Flightradar24 (@flightradar24) May 23, 2021
Vilnius airport (direct): 72 km
Minsk Airport (direct): 183 km
Minsk Airport (actual distance flown): 300 kmhttps://t.co/rnUpiqOjch pic.twitter.com/aGrbj9EsRl
Sehr wahrscheinlich. Denn nach der Landung stellte sich gemäss belarussischen Behördenangaben heraus, dass es keinen Sprengsatz an Bord gegeben habe. Zudem sass zufälligerweise auch der vom belarussischen Staat gesuchte Aktivist Roman Protassewitsch im Flugzeug.
Der Blogger Protassewitsch gehört zu den vielen international zur Fahndung ausgeschriebenen Oppositionellen, denen Lukaschenko selbst den Kampf angesagt hat.
Der Geheimdienst KGB hatte den Journalisten auf eine Liste mit Menschen setzen lassen, denen die Beteiligung an terroristischen Handlungen vorgeworfen werde, wie das Portal tut.by bei Telegram berichtete.
Protassewitsch hat unter anderem den oppositionellen Nachrichtenkanal Nexta mitbegründet. Für Nexta war er auch als Redakteur tätig.
Die Behörden in Belarus hatten Nexta als extremistisch eingestuft. Der Kanal hatte im vergangenen Jahr nach der umstrittenen Präsidentenwahl immer wieder zu Massenprotesten gegen Lukaschenko aufgerufen.
Nach der Umleitung nach Belarus ist die Passagiermaschine der Gesellschaft Ryanair am Sonntag mit mehr als achtstündiger Verspätung auf dem Flughafen der litauischen Hauptstadt Vilnius gelandet. Das Flugzeug mit der Nummer FR4978 landete um 21.25 Uhr (20.25 Uhr MESZ), wie auf der Webseite des Flughafens zu sehen war. Ursprünglich sollte die in Athen gestartete Maschine mit mehr als 100 Menschen an Bord um 13.00 Uhr Ortszeit landen.
Das ist sehr wahrscheinlich. In welcher Form genau ist indes noch nicht klar.
Litauen leitete nach der Landung Ermittlungen wegen Entführung eines Flugzeugs ein. Die Voruntersuchung werde von der Kriminalpolizei des baltischen EU- und Nato-Landes durchgeführt, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit. Dazu sollen auch die Passagiere und die Besatzung des Flugzeugs befragt werden. «Wir erwarten auch, dass sie mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten und unseren Beamten alle Informationen zur Verfügung stellen, die sie kennen», sagte Litauens Regierungschefin Ingrida Simonyte der Agentur BNS zufolge nach einem Treffen mit den Passagieren am Flughafen in Vilnius.
Die EU-Staats- und Regierungschef werden zudem am Montag über neue Sanktionen gegen Belarus beraten. EU-Ratschef Charles Michel setzte das Thema kurzfristig auf die Tagesordnung des ohnehin geplanten zweitägigen EU-Sondergipfels in Brüssel (19.00 Uhr). «Der Vorfall wird nicht ohne Konsequenzen bleiben», teilte der Belgier am Sonntagabend mit. Zugleich verurteilte er die erzwungene Landung der Ryanair-Maschine sowie die berichtete Festnahme eines belarussischen Journalisten durch die Behörden der autoritär regierten Republik.
The outrageous and illegal behaviour of the regime in Belarus will have consequences.
— Ursula von der Leyen (@vonderleyen) May 23, 2021
Those responsible for the #Ryanair hijacking must be sanctioned.
Journalist Roman Protasevich must be released immediately.
EUCO will discuss tomorrow action to take.
Auch andere Spitzenpolitiker in der EU wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äusserten sich entsetzt über das belarussische Vorgehen. «Das unverschämte und illegale Verhalten des Regimes in Belarus wird Konsequenzen haben», schrieb von der Leyen am Sonntagabend bei Twitter. «Die Verantwortlichen für die Ryanair-Entführung müssen sanktioniert werden.» Die EU hatte bereits im vergangenen Jahr Sanktionen unter anderem gegen Machthaber Alexander Lukaschenko verhängt.
Wegen der anhaltenden Unterdrückung der Demokratiebewegung in Belarus hatte die EU bereits im vergangenen Jahr Sanktionen gegen das Land verhängt. Insgesamt stehen knapp 60 Personen aus Belarus auf der EU-Sanktionsliste, unter ihren Machthaber Lukaschenko. Die Strafmassnahmen sehen Einreiseverbote vor und ermöglichen das Einfrieren von Vermögenswerten.
Auch die US-Regierung hat die Aktion der Behörden in Belarus scharf verurteilt. US-Aussenminister Antony Blinken schrieb am Sonntagabend (Ortszeit) auf Twitter mit Blick auf den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, es habe sich um eine «dreiste und schockierende Tat des Lukaschenko-Regimes» gehandelt. «Wir fordern eine internationale Untersuchung und stimmen uns mit unseren Partnern über die nächsten Schritte ab. Die Vereinigten Staaten stehen an der Seite der Menschen in Belarus.»
We strongly condemn the Lukashenka regime's brazen and shocking act to divert a commercial flight and arrest a journalist. We demand an international investigation and are coordinating with our partners on next steps. The United States stands with the people of Belarus.
— Secretary Antony Blinken (@SecBlinken) May 23, 2021
Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten schreibt auf Twitter:
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat eine internationale Untersuchung der Flugzeug-Umleitung durch die belarussischen Behörden nach Minsk gefordert. «Das ist ein schwerwiegender und gefährlicher Vorfall, der internationale Untersuchungen erfordert.»
An Bord der Ryanair-Maschine, die von belarussischen Behörden zur Landung gezwungen wurde, waren nach Ansicht von Unternehmenschef Michael O'Leary auch Agenten des Geheimdienstes KGB. «Es wirkt, dass es die Absicht der Behörden war, einen Journalisten und seine Reisebegleiterin (aus dem Flugzeug) zu entfernen», sagte der Chef der irischen Billigfluglinie am Montag dem irischen Radiosender Newstalk. «Wir vermuten, dass auch einige KGB-Agenten am Flughafen (in Minsk) abgeladen wurden.» O'Leary sagte, es handle sich um einen «Fall von staatlich unterstützter Entführung, (...) staatlich unterstützter Piraterie».
Ryanair verurteilte die «rechtswidrigen Handlungen der belarussischen Behörden» als «Akt der Luftpiraterie». «Dies wird jetzt von den EU-Sicherheitsbehörden und der Nato behandelt», teilte das Unternehmen mit. Ryanair arbeite mit der EU und dem Verteidigungsbündnis zusammen. «Aus Sicherheitsgründen können wir keine weiteren Kommentare abgeben», betonte die Airline.
O'Leary lobte die Besatzung für ihren «phänomenalen Job». Der Vorfall sei «sehr beängstigend» gewesen, für Personal und Passagiere, die stundenlang von Bewaffneten festgehalten worden seien. Der irische Aussenminister Simon Coveney forderte die EU zu einer «sehr deutlichen Antwort» auf. Die Führung von Belarus besitze keine demokratische Legitimität und verhalte sich wie eine Diktatur, sagte Coveney dem Sender RTÉ.
(dfr/sda/dpa)
Zusätzlich müssten internationale Geschäftsbeziehungen und ev. Sportsanlässe eingestellt werden. Wer zur Zeit mit Belarus eine geschäftliche oder gesellschaftliche Beziehung eingeht hilft den Bewohnern überhaupt nicht
Und was passiert? Nichts. Die Sanktionen haben Lukaschenko nicht mal davon abgehalten, eine solche Aktion vor den Augen aller Europäer zu starten. Danach herrscht er munter weiter. Es ist zum verzweiflen diese Ohnmacht, den Menschen in Weissrussland nicht helfen zu können.