Die Wahllokale in Deutschland sind geschlossen. Schon die ersten Prognosen zeigen deutliche Gewinner und Verlierer. Am deutlichsten gewonnen hat dabei die Demokratie: Die Wahlbeteiligung lag in Deutschland so hoch, wie schon lange nicht mehr.
Das EU-Wahlergebnis ist eine weitere Klatsche für die SPD. Erste Prognosen sehen die Partei nur noch bei 15.5 Prozent, an dritter Stelle, weit hinter den Grünen. Auch in Bremen haben die Sozialdemokraten die Wahl an die CDU verloren, das ist eine historische Niederlage.
Und weil nach Wahlen bekanntlich Sündenböcke gesucht werden, hat vor allem sie einen schweren Stand: SPD-Chefin Andrea Nahles. Kann sie sich noch als Parteichefin halten? Bekommt die SPD noch die Kurve und rettet sich vor der Bedeutungslosigkeit? «Kopf hoch», sagte Andrea Nahles in einer ersten Stellungnahme um 18.47 Uhr in Richtung der Genossen. Das klang schon fast resigniert.
Die alte deutsche Parteienaufstellung scheint nun endgültig Geschichte. CDU und SPD trugen seit Jahrzehnten wie selbstverständlich das Etikett «Volkspartei». Dieses Selbstverständnis ist nach Bremen und Europa endgültig ins Wanken geraten. Das Volksparteienvakuum, das die SPD hinterlässt, scheinen offenbar die Grünen zu füllen.
In den vergangenen Jahren hat allzu oft das Thema Migration die politischen Debatten in Deutschland dominiert. Talkshows, Demos, Wahlkämpfe, selten schafften es andere Themen, viel Aufmerksamkeit zu erhalten. In den letzten Monaten hat sich daran viel verändert. In den Nachrichten waren nicht mehr flüchtlingsfeindliche Pegida-Demos, sondern die Klimastreiks engagierter Schüler. Der Kampf gegen den Klimawandel hat Migration vom Themen-Thron gestossen. Gewonnen haben dadurch die Grünen – die AfD liegt nach den ersten Prognosen zumindest leicht hinter den letzten Umfragewerten.
Wenn die einstmals grossen Parteien verlieren, profitieren die kleineren Parteien – könnte man zumindest denken. Doch sowohl Linke als auch FDP haben bei der Europawahl deutlich schlechter abgeschnitten, als sie das in Umfragen zur Bundestagswahl tun, liegen irgendwo zwischen 5 und 6 Prozent. FDP und Linke haben Europa verbockt. Beide Parteien sind im Europawahlkampf kaum in Erscheinung getreten.
Am sichtbarsten war noch die FDP – als sie den Schüler, die für das Klima streiken, empfahl, den Klimaschutz den Profis zu überlassen. Damit hat sie sich gerade bei den jüngeren Wählern kaum Freunde gemacht.
Die Proteste gegen die EU-Urheberrechtsreform, die «Fridays for Future»-Bewegung und auch die Debatte um das «CDU-Zerstörungs»-Video des Youtubers Rezo haben deutlich gezeigt: Die Erzählung von der unpolitischen jungen Generation gehört ins Reich der Märchen. Parteien wie die CDU haben zwar ein zunehmendes Problem, junge Menschen zu erreichen. Für Politik und auch für die Europäische Union interessieren die sich trotzdem.
Und nicht nur die Jungen zeigen wieder mehr Interesse für die europäische Politik. Die Wahlbeteiligung in Deutschland war am Sonntag so hoch wie seit langem nicht mehr. 2014 gaben 47.90 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Nun liegt die Wahlbeteiligung laut Angaben der ARD bei 59 Prozent.
Die EU musste sich immer wieder – und oft zurecht – den Vorwurf gefallen lassen, sie habe sich von der Bevölkerung entfernt. Das neu aufblühende Interesse ist am heutigen Tag wohl die beste Nachricht für die Europäische Union.
Die Grünen müssen nun zeigen, dass sie ihr "grün" im Namen rechtfertigen können!