Vor entscheidenden Beratungen der Spitzengremien von CDU und CSU am Nachmittag und Abend hat sich am Sonntag noch keine Lösung für den unionsinternen Streit in der Flüchtlingspolitik abgezeichnet.
Mehrere osteuropäische Länder dementierten Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), wonach es mit ihnen Absprachen zur Rücknahme von Flüchtlingen gebe. Die SPD legte ein eigenes Fünf-Punkte-Papier zur Flüchtlingspolitik vor.
Um den Streit zu entschärfen, hatte sich Merkel am Donnerstag und Freitag auf dem EU-Gipfel in Brüssel für europäische Vereinbarungen zur Flüchtlingspolitik eingesetzt. Gemeinsam beschlossen wurden dort unter anderem neue Aufnahmezentren innerhalb der EU sowie ein stärkerer Schutz der Aussengrenzen.
Merkel gab zudem Absprachen über Rücknahmeabkommen mit Griechenland und Spanien sowie über geplante Verwaltungsvereinbarungen zur erleichterten Rückführung sogenannter Dublin-Fälle mit 14 weiteren EU-Staaten bekannt. Dabei geht es um Flüchtlinge, die bereits in anderen EU-Staaten registriert wurden.
Tschechiens Regierungschef Andrej Babis dementierte allerdings solche Absprachen. Deutschland habe sich «nicht an uns gewandt und ich werde diese Vereinbarung nicht unterzeichnen», erklärte er in Prag. Auch die ungarische Regierung bekräftigte ihre harte Haltung.
In Warschau stellte das Aussenministerium am Sonntag klar, es gebe «keine neue Vereinbarung zur Aufnahme von Flüchtlingen aus anderen EU-Ländern». Das Land verfahre hier «genauso wie Tschechien und Ungarn». Damit gibt es abgesehen von den baltischen Staaten offensichtlich kein osteuropäisches Land, das zu Rücknahmeabsprachen bereit ist. Auch die Slowakei dementierte
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt äusserte sich denn auch irritiert. «Angesichts der divergierenden Wortmeldungen aus einigen EU-Mitgliedstaaten kann man Zweifel haben, ob die Ratsbeschlüsse alle Realität werden», sagte er der «Bild am Sonntag».
Zuvor hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) noch gesagt, offensichtlich habe Merkel in Brüssel mehr erreicht «als ursprünglich gedacht». Allerdings sagte auch er am Rande einer Parteiveranstaltung, in den EU-Gipfelergebnissen sei manches noch «ungenau und vage».
Die CSU dringt darauf, bereits in anderen EU-Ländern registrierte Flüchtlinge auch im nationalen Alleingang an den Grenzen abzuweisen. Merkel lehnt dies ab und beharrt auf europäischen Lösungen.
Ein Regierungssprecher bekräftigte in der «Welt am Sonntag», nach den Brüsseler Gipfelbeschlüssen seien keine nationalen Alleingänge an den Grenzen möglich. Am Samstagabend kam Merkel mit CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zu einem Krisengespräch im Kanzleramt zusammen. Ergebnisse wurden danach zunächst nicht bekannt.
Mehrere Unionspolitiker warnten vor einem Bruch zwischen den Schwesterparteien. Mit «Querulantentum» könne man keine Wähler überzeugen, sagte der CSU-Politiker Hans Maier. Auch die stellvertretende bayerische Ministerpräsidentin Ilse Aigner (CSU) mahnt zur Mässigung: «Es darf nun kein weiteres Anheizen mehr geben.»
Die SPD bekannte sich in ihrem Papier, das am Montag vom Parteivorstand beschlossen werden soll, zur schnelleren Rückführung von Flüchtlingen, die bereits in anderen EU-Staaten registriert wurden.
Zugleich lehnten die Sozialdemokraten geschlossene Lager für Flüchtlinge ab und forderten mehr Möglichkeiten zur legalen Migration - sowohl durch Kontingentlösungen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge wie auch unabhängig davon für die Einreise von Fachkräften. (sda/afp/dpa)