Die Szene ging um die Welt und sie sorgte für reichlich Spott. Beim Fototermin auf dem NATO-Gipfel vor wenigen Tagen drängelte sich Donald Trump in die erste Reihe. Dusko Markovic, den Regierungschef von Montenegro, schob der US-Präsident dabei unsanft zur Seite.
Ausgerechnet Montenegro. Schliesslich sollte es bei dem Gipfel auch darum gehen, den kleinen Balkanstaat in der NATO als 29. Mitglied willkommen zu heissen. Markovic empfand die Situation als harmlos. Kommentatoren sahen darin ein weiteres Beispiel für die Ignoranz, die Trump in Brüssel an den Tag legte.
An diesem Montag ist der Premierminister in Washington. Ein Treffen mit Trump stand nicht auf dem Programm, dafür mit dessen Vize Mike Pence. Die Beitrittsurkunde zur NATO muss Montenegro bei der US-Regierung hinterlegen, die nach dem Nordatlantikvertrag für die Aufbewahrung zuständig ist.
Die NATO wächst mit Montenegro erstmals seit acht Jahren wieder. Die Zeiten für die Allianz sind gerade alles andere als einfach. Der Gipfel vor elf Tagen geriet zum Misserfolg.
Trump sah bei seinem ersten Auftritt in Brüssel davon ab, sich ausdrücklich zur Beistandspflicht zu bekennen. Er las anderen Mitgliedsstaaten stattdessen öffentlich die Leviten und warf ihnen vor, den Vereinigten Staaten «riesige Summen an Geld» zu schulden.
Die Erweiterung ist für das Bündnis somit auch eine Chance, endlich mal wieder positive Schlagzeilen zu produzieren. Die NATO will damit zeigen, dass sie weiter zu ihrer Politik der offenen Tür steht. Militärisch ist der Schritt kaum von Bedeutung. Montenegros Armee umfasst gerade einmal rund 2000 Soldaten. Allerdings sind die Adriahäfen des Landes strategisch wichtig.
Die russische Regierung empfindet die Aufnahme des kleinen Staates als Provokation. Immer wieder warnte Moskau davor, drohte sogar mit «Gegenmassnahmen». Russland fürchtet um seine Einflusssphäre auf dem Balkan. Die Osterweiterung der NATO ist Russland seit längerem ein Dorn im Auge, sie gilt als einer der Hauptgründe für die Spannungen zwischen dem Land und dem Westen.
Regierung und Staatsanwaltschaft in Montenegro beschuldigen Moskau sogar, im vergangenen Oktober einen Umsturzversuch initiiert zu haben. Moskau bestreitet das vehement.
Weil sich Montenegro den EU-Sanktionen anschloss, wurden auch montenegrinische Produkte – zuletzt der bedeutende Weinexport der Vorzeigefirma «Plantaza» – von Russland mit einem Importverbot belegt.
Das russische Aussenministerium forderte seine Landsleute wiederholt auf, Montenegro zu meiden. Dabei stellen die Russen die mit Abstand grösste Gruppe ausländischer Feriengäste in dem Staat an der südlichen Adria.
Beide Länder haben die führenden Politiker der jeweils anderen Seite mit Einreiseverboten belegt. Zuletzt wurde ein Top-Politiker der montenegrinischen Regierungspartei DPS von Russland des Landes verwiesen.
Auch im Land selbst ist die NATO-Mitgliedschaft keineswegs unumstritten. Die Regierung in Podgorica ist pro-westlich, aber die Bevölkerung steht keinesfalls geschlossen hinter ihr.
Schätzungsweise die Hälfte der nur 620'000 Einwohner sind russophile Serben, die sich dem Beitritt zum Militärbündnis widersetzen. Die Regierung vermied es, über diese Frage eine Volksabstimmung zu organisieren. Stattdessen liess sie den Beitritt am 28. April vom Parlament beschliessen, wo die DPS eine Mehrheit besitzt. (wst/sda/dpa)