Wie schwierig ist doch das Politikerleben! Noch 2020, als sie für das Rathaus von Paris kandidierte, raunten böse Zungen, Anne Hidalgo wolle das Mandat nur als Sprungbrett in den präsidialen Elysée-Palast benützen. «Sicher nicht!», rief die 62-Jährige Sozialistin aus.
Jetzt aber hat sies doch getan: Am Donnerstag setzte sich Anne Hidalgo in einer parteiinternen Wahl gegen den früheren Agrarminister Sébastien Le Foll durch. 70 Prozent der Sozialisten wählten sie zur Präsidentschaftskandidatin für die Wahlen im kommenden Jahr.
Die Bürgermeisterin von Paris stammt ursprünglich aus Andalusien und war mit ihren Eltern - sie Näherin, er Elektriker - im Alter von drei Jahren nach Lyon gekommen. In Paris wurde sie nach der Einbürgerung und «Franzisierung» ihres spanischen Vornamens Ana María zuerst Arbeitsinspektorin, bevor sie in die Politik einstieg.
Seither hat sich Hidalgo verändert: «Ihre» Stadt Paris, der sie einst ewige Liebe geschworen hatte, ist aus ihren Wortmeldungen weitgehend verschwunden. Denn aus Paris zu stammen, heisst im übrigen Land: man ist herablassend, arrogant und so unbeliebt wie die Zahl 75 - das Autonummernschild von Paris. Deshalb kündigte Hidalgo ihre Kandidatur in der Normandie-Stadt Rouen an. In Nancy stellte sie ihr Buch «Eine französische Frau» vor. Darin betont sie, sie sei in Lyon aufgewachsen und nicht etwa ein Pariser Elitekind, sondern Tochter spanischer Arbeiter.
Als Bürgermeisterin sagte sie den Autos den Kampf an. Heute gilt auf Stadtgebiet Tempo 30, Dieselmotoren sind aus Paris verbannt. Die Schnellstrassen entlang der Seine sind aufgehoben, und entlang der breiten Boulevards schuf Hidalgo während der Pandemie neue Fahrradspuren.
Auch Reisende stellen fest: Paris ist ruhiger, jedenfalls verkehrsberuhigter geworden. Die Rechte wettert, Hidalgo gehe dabei starrsinnig vor «wie ein andalusischer Stier». Sie denke nur an Hauptstädter, nicht aber an die Vorstadtpendler, die jetzt im Stau steckenblieben.
Kritiker werfen ihr vor, dass sie die Stadt im Schmutz versinken lasse und nichts gegen die Rattenplage tue. Genauso wenig wie gegen die Gentrifizierung mit Wohnungspreisen von einer halben Million Euro für 40 Quadratmeter. Dieser Vorwurf ist nicht ganz richtig: Hidalgo versuchte die Entwicklung immerhin mit neuen Sozialwohnungen und Anti-AirBnB-Dekreten zu bremsen, wenn auch vergeblich.
Wie auch immer: Politische Bilanzen zählen in Frankreich weniger als Wahlversprechen. Hidalgo verspricht den Grundschullehrern die Verdoppelung ihrer Gehälter - was laut Bildungsministerium 150 Milliarden Euro kosten würde. Das ist aber eine Nebensache für die zum zweiten Mal verheiratete Mutter von drei Kindern.
Zudem versucht Hidalgo durchzusetzen, dass die Pariser Beamten nicht einmal die gesetzliche Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche einhalten müssen. Unter der roten Bürgermeisterin muss man nur 32 Stunden arbeiten.
Trotz ihrer generösen Wahlversprechen kommt Hidalgo bisher nur auf acht Prozent Umfragestimmen für die Präsidentschaftswahl von April 2022. Doch die Sozialistin setzt auf den «Scholz-Effekt», wie sie im September nach einem Besuch bei dem SPD-Kanzlerkandidaten sagte.
Etwas verbindet sie mit Olaf Scholz: Die Frau mit der weichen Stimme und dem resoluten Antritt ist wohl die einzige rotgrüne Kandidatin, die für das ganze Lager akzeptierbar wäre. Geschickt präsentiert sie sich als linke Konsenskandidatin gegen den amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron und die Rechtspopulistin Marine Le Pen. Doch ihr Problem ist grundsätzlicher: Die Linke scheint in Frankreich heute schlicht nicht mehrheitsfähig. (aargauerzeitung.ch)
Wie kann sich Frankreich das leisten? Die haben doch schon sehr hohe Steuern für Reiche.
Journalisten müssten solche Politikerversprechen anprangern und den Leuten einen Spiegel vorhalten, aber sie sind genau so ein Teil des Problems.
Frankreich wird sehr hart aufschlagen.