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Schüsse in Paris: Mutmasslicher Täter bezeichnet sich als Rassisten

Nach tödlichen Schüssen auf Kurden – mutmasslicher Täter bezeichnet sich als Rassisten

24.12.2022, 06:5624.12.2022, 13:05
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epa10377112 Local residents and onlookers gather following a shooting incident on 'Rue d'Enghien', near a Kurdish cultural centre in Paris, France, 23 December 2022. The Paris Police Pr ...
Der Schock in Paris sitzt nach dem Tod von drei Menschen gross.Bild: keystone

Ein tödlicher Angriff in Paris erschüttert Frankreich: Bei Schüssen in einem kurdischen Kulturzentrum und in Geschäften hat ein Angreifer drei Menschen tödlich verletzt. «Er wollte offensichtlich Ausländer angreifen», sagte Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin am Freitag über den mutmasslichen Täter.

Der mutmassliche Täter bestätigte dies gemäss Medienberichten nun selbst, indem er sich selbst als Rassisten bezeichnete. Der Sender France Info berichtete am Samstag unter Verweis auf informierte Kreise, dass der Mann dies als Grund für seine Tat angab. Der Sender BFMTV schrieb zudem, der Mann habe der Polizei gesagt, dass er gezielt die kurdische Gemeinde habe angreifen wollen. Die französische Justiz ermittelt nun auch wegen eines rassistischen Motivs.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb nach der Tater auf Twitter: «Die Kurden in Frankreich waren das Ziel eines niederträchtigen Angriffs mitten in Paris.»

Nach dem tödlichen Angriff bei einem kurdischen Zentrum in Paris fordert die kurdische Gemeinde Aufklärung. Am Samstagmittag wollen Kurdinnen und Kurden in der französischen Hauptstadt eine Demonstration abhalten. Der Pariser Polizeipräfekt will am Vormittag Vertreter der kurdischen Gemeinde treffen.

Noch am Nachmittag versammelten sich in der Nähe des Angriffsorts zahlreiche Kurdinnen und Kurden. Kurz nach dem Besuch von Innenminister Darmanin vor Ort kam es zu Zusammenstössen mit den Sicherheitskräften. Medien berichteten, Demonstranten hätten die Polizei beworfen. Diese habe Tränengas eingesetzt. Der Sender France Info schrieb von einer Festnahme und fünf verletzten Polizisten.

Das war passsiert

Am Freitag hatte ein Mann mit Schüssen in und vor einem kurdischen Kulturzentrum sowie einem Restaurant und einem Friseursalon im zehnten Pariser Arrondissement drei Menschen tödlich verletzt. Drei weitere Menschen wurden verwundet, einer davon lebensgefährlich. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, wurde ein Verdächtiger festgenommen. Auch er sei verletzt. Demnach liefen Untersuchungen wegen vorsätzlicher Tötung und schwerer Gewalt.

Der mutmassliche 69 Jahre alte französische Täter sei nicht als Rechtsextremist bei den Sicherheitsbehörden erfasst gewesen, sagte Darmanin. «Im Moment, in dem ich spreche, kann ich nicht sagen, dass er für rechtsextreme Taten bekannt war, auch wenn der Befund und die Vorgehensweise uns das in den kommenden Stunden natürlich besonders prüfen lassen werden.» Der Mann habe alleine gehandelt und als Sportschütze über etliche Waffen verfügt. «Es ist nicht klar, ob diese Person wie auch immer politisch engagiert ist, auch wenn ihre Motivation offensichtlich ein Angriff auf Ausländer war.»

Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo schrieb auf Twitter: «Die kurdische Gemeinschaft und durch sie alle Pariser wurden durch diese Morde, die von einem rechtsextremen Aktivisten begangen wurden, ins Visier genommen.» Sie forderte: «Die Kurden, wo auch immer sie leben, müssen in Frieden und Sicherheit leben können. Mehr denn je steht Paris in diesen dunklen Stunden an ihrer Seite.»

Kurdenvereine sprechen von «Terror» – europaweite Solidarität

Die Schüsse trafen auch die Niederlassung des demokratischen kurdischen Rats in Frankreich (CDK-F), einem Dachverband von mehreren kurdischen Vereinen. Die Organisation teilte mit, dass es sich bei den drei Todesopfern um kurdische Aktivisten, ebenso wie bei den drei Verletzten, handle.

Die Organisation sprach von einer «terroristischen Attacke», zu der es nach «zahlreichen türkischen Drohungen» gekommen sei. Die Türkei bekämpft seit Langem kurdische Unabhängigkeitsbestrebungen, die von der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und weiteren kurdischen Organisationen vorangetrieben werden.

Der CDK-F rief zu einer Protestversammlung am Ort des Angriffs auf. Ausserdem solle in dem kurdischen Zentrum selber eine Nachtwache für die Opfer abgehalten werden. Frankreich will kurdische Treffpunkte nun schützen. Landesweit sollten durchgehend Wachen an Versammlungsorten der kurdischen Gemeinde aufgestellt werden, sagte Darmanin. Auch türkische diplomatische Vertretungen im Land sollten geschützt werden, um Gegenangriffe zu verhindern.

Vor knapp zehn Jahren hatte es im zehnten Pariser Arrondissement einen Mordanschlag auf drei kurdische Aktivistinnen gegeben. Ihre Leichen waren damals im Kurdistan Informationszentrum entdeckt worden.

Der Verdächtige war laut Staatsanwaltschaft erst vor kurzem unter Justizaufsicht aus der Haft gekommen. Im vergangenen Jahr habe er ein Zeltlager von Migranten angegriffen - mit einem Säbel, wie die Zeitung «Le Parisien» berichtete. Der Mann habe dort mehrere Menschen verletzt. Der Sender France Info berichtete unter Berufung auf Polizeikreise, der Mann sei wegen zwei versuchter Tötungen bekannt.

Justiz deutet Tötungen nicht als Terror

Der Anführer der linken Partei «Insoumis», Jean-Luc Mélenchon, teilte die Deutung der Kurdenorganisationen und verurteilte den «terroristischen» Angriff. Frankreichs Sozialisten-Chef Olivier Faure sagte, dass der Angriff «jeden von uns über die Gefahr, die die extreme Rechte darstellt, wachrütteln muss».

Far-left leader Jean-Luc Melanchon attends a media conference near the crime scene where the shooting took place in Paris, Friday, Dec. 24, 2022. A shooting targeting a Kurdish cultural center in Pari ...
Jean-Luc Mélenchon, Linkspolitiker der Bewegung «Insoumis», begab sich am Abend zum Anschlagsort.Bild: keystone

Die Justiz weigerte sich bislang, die Tötungen als Terror zu deuten: Der Fall wird zurzeit durch die Kriminalitätsbrigade der Justizpolizei, und nicht durch die Terrorstaatsanwaltschaft untersucht.

Lokal und international solidarisierten sich Menschen mit der kurdischen Gemeinschaft und veröffentlichten Solidaritätsbekundungen unter dem Hashtag #jesuiskurde. Darunter waren kurdische Politikerinnen in der Türkei, aber auch sozialdemokratische Politiker wie der SP-Co-Präsident Cédric Wermuth. In mehreren Städten kam es zu spontanen Kundgebungen, wobei jene in Paris selbst in einer Strassenschlacht eskalierte.

Mehrere Hundert Menschen wollten während eines Pressetermins des Innenministers Gérald Darmanin demonstrieren, einige von ihnen skandierten Erdogan-kritische Parolen. Laut lokalen Reportern kam es zunächst zu kleineren Scharmützeln, die zunehmend gewalttätiger wurden. Mehrere Personen wurden dabei verletzt.

Motiv war zunächst unklar

Das Motiv des Täters war nach Angaben von Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin im Anschluss an die Tat noch unklar.

«Er wollte offensichtlich Ausländer angreifen», ob speziell Kurden, sei unklar, sagte der Minister noch am Freitag. «Es ist nicht klar, ob diese Person wie auch immer politisch engagiert ist, auch wenn ihre Motivation offensichtlich ein Angriff auf Ausländer war.»

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Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin gab am Freitagabend weitere Details.Bild: keystone

Frankreichs Politik reagierte und kündigte an, kurdische Treffpunkte besser schützen zu wollen. Landesweit sollten durchgehend Wachen an Versammlungsorten der kurdischen Gemeinde aufgestellt werden, so der Innenminister weiter. Auch türkische diplomatische Vertretungen im Land sollten geschützt werden, um Gegenangriffe zu verhindern.

(pit/aeg/sda/dpa)

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Paris: Rechtsextreme Motive hinter Schüssen auf Kurden
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Paris: Rechtsextreme Motive hinter Schüssen auf Kurden
quelle: keystone / lewis joly
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81 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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nature
23.12.2022 15:19registriert November 2021
Die Medien könnten doch mal mutiger sein und von einem rechtsextremen Terroranschlag sprechen. Bei islamistischen Anschlägen geht das eher schneller.
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Garp
23.12.2022 16:00registriert August 2018
Im vergangenen Jahr auf ein Migrantenlager losgegangen und mehrere Menschen verletzt und nun schon wieder freigelassen? Was stimmt da mit der Justiz nicht?
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Globias
23.12.2022 13:46registriert Juni 2016
«Der Bürgermeisterin von Paris (…)» und «(…) sprach er sein Beileid (…)»
Anne Hidalgo ist BürgermeisterIN von Paris. Und SIE sprach den Angehörigen IHR Beileid aus. ☝️
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