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Frankreich

Nicolas Sarkozy wegen Libyen-Affäre zu fünf Jahren Haft verurteilt

Former French President Nicolas Sarkozy, next to his wife Carla Bruni Sarkozy, speaks after a Paris court sentenced him to 5 years in prison and said he'll be incarcerated even if he appeals, aft ...
Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy neben seiner Frau Carla Bruni.Bild: keystone

Frankreichs Ex-Präsident Sarkozy zu fünf Jahren Haft verurteilt – so reagiert er

Der frühere französische Präsident Nicolas Sarkozy muss sich wegen der sogenannten «Libyen-Affäre» vor Gericht verantworten. Nun wurde ein Urteil gesprochen.
25.09.2025, 07:3525.09.2025, 15:21

Was ist passiert?

Frankreichs früherer Präsident Nicolas Sarkozy ist im Prozess um angebliche Wahlkampfgelder aus Libyen zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Das Pariser Strafgericht sprach den 70-Jährigen schuldig, Teil einer kriminellen Vereinigung gewesen zu sein.

Das Gericht erliess gegen Sarkozy einen Haftbefehl, der allerdings nicht sofort greift. Das Datum des Haftantritts soll bei einer Vorladung festgesetzt werden.

Die Vorsitzende Richterin Nathalie Gavarino sprach von einer «ausserordentlichen Schwere» der Tat. Unter «krimineller Vereinigung» versteht das französische Strafrecht eine Gruppierung oder eine Übereinkunft, die zum Zweck der Vorbereitung von mindestens einer Straftat, auf die mehr als fünf Jahre Haft steht, geformt beziehungsweise geschlossen wurde. Von den Vorwürfen der Bestechlichkeit und der illegalen Wahlkampffinanzierung hat das Gericht Sarkozy hingegen freigesprochen.

Former French President Nicolas Sarkozy arrives at the courthouse, in Paris, France, Thursday, Sept. 25, 2025. (AP Photo/Christophe Ena)
France Sarkozy Verdict
Sarkozy bei seinem Eintreffen am Gericht in Paris.Bild: keystone

Muss Sarkozy nun wirklich ins Gefänfnis?

Das ist ziemlich wahrscheinlich. Bislang ist das Urteil zwar nicht rechtskräftig und Sarkzoy hat am Donnerstagnachmittag Berufung angekündigt. Der frühere Staatschef hat die Anschuldigungen stets vehement zurückgewiesen. Allerdings verordnete das Gericht eine vorläufige Vollstreckung des Urteils. Dies bedeutet, dass Sarkozy die Haft wohl antreten muss, auch wenn er in Berufung geht. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft konnte kurz nach dem Urteil nicht sagen, ob Sarkozy speziell gegen diese Massnahmen vorgehen kann. Grundsätzlich können Verurteilte, die 70 Jahre oder älter sind, Haftabwandlungen beantragen.

Sollte es beim Urteil bleiben, müsste Sarkozy wirklich fünf Jahre ins Gefängnis. Es setzte keinen Teil der Strafe auf Bewährung aus. Auch von einer Abwandlung, etwa einer Verbüssung der Strafe zu Hause unter elektronischer Überwachung, war keine Rede.

Was sagt Sarkozy zum Urteil?

Der Ex-Präsident zeigte sich entschlossen, sich wehren zu wollen. «Ich werde bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, um meine vollständige Unschuld zu beweisen», sagte der 70 Jahre alte Konservative. Das Urteil des Pariser Strafgerichts nannte er eine Ungerechtigkeit und einen Skandal. Selbstverständlich werde er in Berufung gehen.

Sarkozy sagte weiter, das Gericht wolle ihn so früh wie möglich im Gefängnis schlafen sehen. «Wenn sie absolut wollen, dass ich im Gefängnis schlafe, werde ich im Gefängnis schlafen, aber mit erhobenem Haupt.»

Was genau war in Libyen geschehen?

In der Libyen-Affäre geht es um den Vorwurf, dass für Sarkozys Präsidentschaftswahlkampf 2007 illegal Geld von der Staatsführung des damaligen libyschen Machthabers Muammar Gaddafi geflossen sein soll. Ein Zeuge hatte 2016 ausgesagt, er habe Ende 2006 oder Anfang 2007 mehrere in Libyen vorbereitete Koffer mit insgesamt fünf Millionen Euro ins Pariser Innenministerium gebracht, das damals von Sarkozy geführt wurde.

epa06615391 (FILE) - French President Nicolas Sarkozy (L) welcomes Libyan leader Muammar Gaddafi at Palais Elysee, Paris, France, 12 December 2007, (reissued 20 March 2018). Media reports on 20 March  ...
Sarkozy und Gaddafi bei ihrem Treffen im Dezember 2007.Bild: EPA/EPA

Laut Anklage schloss der spätere Präsident einen Korruptionspakt mit Gaddafi. Vertraute Sarkozys sollen die angeblichen Geldflüsse über Mittelsmänner eingefädelt haben.

Den früher auf internationaler Bühne eher isolierten Gaddafi empfing Sarkozy Ende 2007 mit militärischen Ehren im Élysée-Palast. Auch sollen Bemühungen in Aussicht gestellt worden sein, den Haftbefehl gegen Gaddafis Schwager Abdallah Senoussi aufzuheben. Senoussi war 1999 in Abwesenheit in Paris als Hauptverantwortlicher für einen Terroranschlag auf ein französisches Flugzeug mit 170 Toten schuldig gesprochen worden. Auch wirtschaftliche Geschäfte führte die Anklage an.

Das dreimonatige Mammutverfahren folgte auf mehr als zehn Jahre dauernde Ermittlungen. Ins Rollen gekommen waren die Untersuchungen, nachdem die Familie Gaddafis selbst behauptet hatte, den Wahlkampf des Konservativen finanziert zu haben. In dem spektakulären Prozess ging es dann unter anderem um ominöse Geheimtreffen und Tagebucheinträge eines Gaddafi-Vertrauten.

Neben dem einstigen Staatsoberhaupt waren zwölf weitere Menschen in dem politisch brisanten Verfahren angeklagt – unter ihnen auch drei frühere Minister.

Warum fällt das Urteil nicht noch härter aus?

Das Gericht befand, dass es keinen Nachweis für eine illegale Wahlkampffinanzierung aus Libyen gebe. Viele Aussagen dazu seien widersprüchlich und vom Gericht nicht verwertet worden. Auch die angebliche Abgabe von Millionensummen in Koffern sei nicht nachweisbar.

Former French President Nicolas Sarkozy touches his head during the inauguration of the Foundation Claude Pompidou, Centre teaching and research on Alzheimer's disease, Monday, March 10, 2014. in ...
Nicolas Sarkozy war von 2007 bis 2012 Staatspräsident Frankreichs.Bild: AP/AP

Die Anklage hatte sieben Jahre Haft und eine Geldbusse in Höhe von 300'000 Euro (rund 280'170 Franken) für den einstigen Hoffnungsträger von Frankreichs bürgerlicher Rechten gefordert. Sie sah eine ganze Reihe möglicher Gegenleistungen für die libysche Wahlkampfhilfe.

Was sagt Sarkzoy zum Fall?

Sarkozy wies die Vorwürfe als falsch und schwach zurück. Er werde weiter für die Wahrheit kämpfen, hatte der Ex-Präsident nach Ende der Verhandlungen angekündigt. Es ist davon auszugehen, dass der Konservative, dessen Verteidigung auf Freispruch pochte, in Berufung gehen wird.

Gab es nicht schon andere Urteile gegen Sarkozy?

Doch – für Sarkozy ist das Urteil eine weitere Niederlage in einem seit Jahren andauernden Kampf mit der Justiz, auch wenn er von zentralen Anklagepunkten freigesprochen wurde. Bereits in zwei anderen Fällen war er verurteilt worden.

Wegen Bestechung und unerlaubter Einflussnahme musste der Altpräsident gut drei Monate lang eine Fussfessel tragen und durfte sein Haus nur tagsüber verlassen. Die einjährige Haftstrafe zu Hause mit der Fussfessel wurde wegen Sarkozys Alter mittlerweile ausgesetzt. Es gelten aber weiterhin Auflagen. Das Urteil – drei Jahre Haft, davon zwei auf Bewährung – war für ein ehemaliges Staatsoberhaupt in der jüngeren französischen Geschichte beispiellos.

Auch wegen überhöhter Wahlkampfkosten für seine letztlich gescheiterte Kampagne zur Wiederwahl 2012 verurteilte ihn ein Berufungsgericht im Februar 2024 zu einer einjährigen Haftstrafe, davon sechs Monate auf Bewährung. Die einstige Führungsfigur der französischen Konservativen ging in Revision, denn auch diese Vorwürfe streitet Sarkozy ab.

Schon Sarkozys Amtszeit im Élysée-Palast von 2007 bis 2012 war von Affären um reiche Freunde, Vetternwirtschaft und masslose Regierungsmitglieder geprägt. Die Wahl 2012 verlor er als Amtsinhaber gegen den Sozialisten François Hollande. Fünf Jahre später scheiterte er bereits im parteiinternen Auswahlverfahren. Trotz seines juristischen Hürdenlaufs und ohne Ämter gilt er bei zahlreichen Anhängern der bürgerlichen Rechten noch immer als einflussreiche Stimme. (dab/sda/dpa)

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52 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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roger_dodger
25.09.2025 14:26registriert Februar 2016
Wow, Frankreich scheint im Gegensatz zu den USA noch ein Rechtsstaat zu sein.
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EinBisschenSenfDazu
25.09.2025 13:45registriert September 2022
In der USA könnte er jetzt schnell nochmals Präsident werden, sich begnadigen und die Richter entlassen. Wer braucht schon Gewaltentrennung 😁
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Inelaferi
25.09.2025 13:59registriert August 2019
Ich hoffe nur, dass es bei Trump auch mal so weit kommt…
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