Die «Schande von Amsterdam» soll sich in Paris nicht wiederholen. Dieses Versprechen macht die französische Regierung nach den brutalen Attacken propalästinensischer Sympathisanten auf Fans der israelischen Mannschaft Maccabi Tel Aviv.
Am kommenden Donnerstag empfängt Frankreichs Nationalteam Israel zum Heimspiel im Rahmen der Nations-League. Und die Partie im Stade de France nördlich von Paris ist jetzt schon ein «Hochrisiko-Akt», wie der zuständige Polizeipräfekt Laurent Nuñez erklärt.
Eine Warnung ist nicht nur der «gezielt antisemitische Angriff», den der niederländische Premierminister Dick Schoof am vergangenen Freitag nach dem Europacupspiel Ajax Amsterdam-Maccabi ausmachte. In Paris und seinen Vorstädten – wo das Stade de France liegt – gärt es ebenfalls wegen der israelischen Armeeinsätze in Gaza in Folge des Hamas-Angriffs vom 7. Oktober. Die Zahl antisemitischer Angriffe hat sich in Frankreich 2023 im Vergleich zum Vorjahr auf über 1600 vervierfacht.
In dieser gespannten Lage schütten Extremisten vor dem Fussballspiel Frankreich-Israel Öl ins Feuer. Beim Champions-League-Heimspiel von Paris Saint-Germain (PSG) gegen Atletico de Madrid hatte das «Collectif Ultras Paris», der grösste Fanclub des Vereins, im Parc des Princes ein riesiges Transparent über eine ganze Stadionseite aufgespannt. Die Inschrift lautete «Free Palestine», wobei das «i» die Umrisse Israels als palästinensisches Gebiet auswies.
Eine antisemitische Infragestellung des Judenstaates? Das Transparent der PSG-Ultras bestätigte auf jeden Fall, dass sich die PSG-Anhängerschaft heute in breitem Umfang aus der maghrebinischen Vorstadtjugend rekrutiert.
Beim Länderspiel Frankreich-Israel am Donnerstag werden die Sicherheitsvorkehrungen «aufs Äusserste verstärkt», kündigte Präfekt Nuñez an. Die israelische Mannschaft wird bei der An- und Abreise durch Eliteeinheiten geschützt. Im Stadion werden alle anderen als die französischen und israelischen Flaggen verboten sein. Statt der normalerweise 80'000 Zuschauer werden nur deren 20'000 zugelassen; alle müssen Identitätspapiere vorzeigen.
Nuñez räumte ein, dass dies ein «sehr unübliches» Sicherheitsdispositiv sei. Das ursprünglich geplante Aufgebot von 2500 Polizisten wird auf 4000 aufgestockt. Das sind ähnlich viele wie bei den stark gesicherten Begegnungen der Olympischen Spiele im August. Die meisten Ordnungshüter werden um das Stade de France und zweifellos in jüdischen Pariser Vierteln wie dem Marais sowie vor Synagogen stationiert.
Der nationale Sicherheitsrat Israels rät seinen Staatsbürgern vor einem Besuch des Länderspiels ab. Israeli sollen Sport- und Kulturanlässe generell meiden, hiess es.
Zu den Eigenheiten der israelischen Politik gehört es, dass extremistische Vertreter der Staatsführung selber nach Paris reisen und dadurch die Stimmung – gewollt oder nicht – anheizen. Der ultrarechte Finanzminister Bezalel Smotrich will am Vortag des Länderspiels einer Einladung nationalistischer jüdischer Vereinigungen wie Betar für einen Galaabend namens «Israel is Forever» in Paris folgen. Am Donnerstag gedenkt er am Rande des Fussballspiels einer Protestversammlung gegen Antisemitismus beizuwohnen.
Smotrich wird nicht nur in Israel von linken Partei und Gewerkschaften kritisiert; sein Name ist auch französischen Banlieue-Bewohnern ein Begriff, seitdem er sich in der israelischen Regierung für die Besetzung des Westjordanland stark macht.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat seinerseits verlauten lassen, er werde dem Länderspiel beiwohnen, um «eine Botschaft der Brüderlichkeit und Solidarität nach den inakzeptablen antisemitischen Akten» von Amsterdam zu vermitteln. Pariser Medien fragen allerdings, ob seine erst am Sonntag angekündigte Präsenz das sportliche Event nicht noch stärker zu politisieren drohe.
Das beginnt schon bei der Frage, wie weit die Anwesenheit des französischen Staatschefs eine Unterstützung für Israel darstellt. Und wie laut er jubeln darf, falls Frankreich gegen Israel ein Tor schiesst. (aargauerzeitung.ch/lyn)