Kathleen Megan Folbigg (geborene Donovan) war noch keine zwei Jahre alt, als ihr Vater am 8. Januar 1969 ihre Mutter mit 24 Messerstichen ermordete. Er kam für 15 Jahre ins Gefängnis und wurde anschliessend nach England deportiert. Sie wurde unter staatliche Vormundschaft gestellt und wurde nach mehreren Zwischenstationen schliesslich in einer Pflegefamilie aufgenommen.
1987 heiratete sie Craig Gibson Folbigg. Mit ihm hatte sie vier Kinder: Caleb, Patrick, Sarah und Laura.
Ihr erster Sohn Caleb war nur gerade 19 Tage alt, als er am 20. Februar 1989 starb. Zunächst wurde dies als plötzlicher Kindstod eingeordnet, also als unerwartetes und nicht erklärbares Versterben.
Am 3. Juni 1990 wurde ihr zweiter Sohn Patrick geboren. Nur wenige Monate später wurde ihr Mann Craig durch ihre nächtlichen Schreie geweckt. Patrick atmete nicht mehr und Craig versuchte, ihn wiederzubeleben. Im Spital konnte er stabilisiert werden – später wurden bei ihm Epilepsie und eine Form von Blindheit diagnostiziert. Am 13. Februar 1991 starb er als Folge eines Anfalls. Folbigg rief ihren Mann an und sagte: «Es ist wieder passiert!»
Ihre erste Tochter Sarah wurde am 14. Oktober 1992 geboren und starb bereits nach zehn Monaten. Folbiggs zweite Tochter Laura erblickte am 7. August 1997 das Licht der Welt. Sie war schon fast zwei Jahre alt, als ihre Mutter sie leblos auffand. Sie rief die Ambulanz:
Doch Laura konnte nicht mehr wiederbelebt werden.
Nicht lange nachdem auch Laura gestorben war, zeigte ihr Mann Folbigg an. In einem neunstündigen Verhör wurde ihr schnell klar, was ihr vorgewurfen wurde. «Kathy, hast du Caleb getötet?», fragte sie ein Beamter.
Sie schluchzte. Auf die Frage, ob sie ihre anderen drei Kinder getötet habe, gab sie die gleiche Antwort.
Ihre Ehe überlebte nicht lange. Bereits im Jahr danach wurden Craig und Kathleen geschieden. 2001 wurde sie verhaftet. Doch die Gerichtsverhandlung fand erst 2003 statt und zog sich sieben Wochen hin. Sie wurde «wegen Mordes an ihren ersten drei Kindern und wegen Totschlags an ihrem vierten Kind» verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte ihr vorgeworfen, die Kinder zwischen den Jahren 1989 und 1999 erstickt zu haben.
In Ermangelung forensischer Beweise hatte die Staatsanwaltschaft argumentiert, es sei äusserst unwahrscheinlich, dass vier Kinder plötzlich und ohne Erklärung gestorben seien. Sie berief sich zudem auf Tagebucheinträge der Mutter, die nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft als Schuldeingeständnisse verstanden werden konnten.
Kathleen Folbigg wurde in der Folge «Babymörderin», «Serienmörderin» und «Australiens meistgehasste Frau» genannt.
War sie zunächst zu 40 Jahren Haft verurteilt worden, wurde die Strafe in einem ersten Schritt in eine 25-jährige Haftstrafe ohne Bewährung abgemildert. Doch einige wenige glaubten an Folbiggs Unschuld und setzten sich über Jahre für sie ein: darunter eine Schulfreundin, die Folbigg fast jeden Tag im Gefängnis angerufen hatte. Auch ihre Anwältin setzte sich über sechs Jahre für sie ein, ohne dafür etwas zu verlangen. 2019 wurde der Fall neu aufgerollt, doch ihre «Schuld» wurde bestätigt.
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse legten dann aber in den vergangenen Jahren nahe, dass die Kinder in Folge von seltenen Gendefekten und Geburtsfehlern starben. Unter anderem setzte sich die Australische Akademie der Wissenschaften für Folbigg ein. Die Mittfünfzigerin wurde nach einer eingehenden Überprüfung des Falls im Juni begnadigt und aus dem Gefängnis entlassen.
Am Donnerstag erfolgte die offizielle Aufhebung des Urteils des Jahres 2003. Kathleen Folbigg wurde vom Vorwurf freigesprochen, ihre vier Kinder getötet zu haben.
Dies sagte Folbigg, die stets ihre Unschuld beteuert hatte, nach ihrem Freispruch.
Folbiggs Anwältin Rhanee Rego sagte in der Folge, ihrer Mandantin stehe nun «bedeutender» Schadenersatz zu. Sie sei das Opfer eines der grössten Justizirrtümer in der Geschichte Australiens. Es sei unmöglich, den Schaden zu begreifen, der Kathleen Folbigg zugefügt wurde.
Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und AFP
Jahrelang unschuldig im Gefängnis sitzen kann keine Geldsumme „entschädigen“. Was sie kann ist der Frau einen zumindest finanziell weitestgehend sorgenfreien Rest ihres Lebens geben.
Hat man erst mal den falschen exekutiert dann gibt es keinerlei „Reparaturmöglichkeit“. Und Fehler werden immer und überall passieren.