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Telefonat zum Ukraine-Krieg: Macrons letzter Versuch, Putin zu stoppen

FILE - French President Emmanuel Macron, right, shakes hands with Russian President Vladimir Putin after their meeting at the fort of Bregancon in Bormes-les-Mimosas, southern France, on Aug. 19, 2019 ...
Wladimir Putin (links) und Emmanuel Macron im Jahr 2019: Ein Gespräch zwischen den beiden wurde nun öffentlich.Bild: keystone

Telefonat zum Ukraine-Krieg: Macrons letzter Versuch, Putin zu stoppen

Wenige Tage vor dem Ukraine-Krieg telefonierte Macron mit Putin. Wie lief das Gespräch inmitten der Spannungen ab? Ausschnitte zeigen: Es schwankte zwischen Ärger und Beschwichtigung.
27.06.2022, 21:37
Liesa Wölm / t-online
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t-online

Ein französischer Nachrichtensender hat ein Telefonat zwischen Wladimir Putin und Emmanuel Macron veröffentlicht. Es fand nur vier Tage vor Beginn der russischen Invasion in der Ukraine statt. Dass Gespräche zwischen Staats- und Regierungschefs Wort für Wort an die Öffentlichkeit gelangen, ist eher ungewöhnlich. In diesem Fall hatte der französische Präsident dem Journalisten Guy Lagache allerdings erlaubt, das digitale Treffen aufzuzeichnen. 

Der französische Sender «France 2» strahlt den Mitschnitt am Donnerstag im Rahmen eines Dokumentarfilms über den Ukraine-Krieg aus. Wenige Tage vorher wurde nun das Gesprächsprotokoll öffentlich, das interessante Einblicke in das Verhältnis von Macron und Putin gibt.

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Putin über Selenskyj: «Er lügt euch an»

Gleich zu Beginn geht es um die wachsenden Spannungen zwischen der Ukraine und Russland. «Du kennst mein Engagement und meine Entschlossenheit, den Dialog fortzusetzen», sagt Macron zu Putin. Er bittet ihn um eine Lageeinschätzung und dass der Kremlchef seine Absichten äussern solle. Dieser entgegnet: «Du siehst doch selbst, was passiert. Du und Kanzler Scholz haben mir gesagt, dass Selenskyj (Anm. d. Red.: der ukrainische Präsident) zu einer Geste guten Willens bereit sei, und dass er ein Gesetz vorbereitet habe, um das Minsker Abkommen umzusetzen.» In Wirklichkeit tue Selenskyj aber gar nichts, behauptet Putin. «Er lügt euch an», sagt er zu Macron.

Weiter wirft der Kremlchef der Ukraine vor, Zugang zu Atombomben erhalten zu haben. Im Hintergrund bestreitet Macrons Berater Emmanuel Bonne diese Behauptung: «Aber nein, das ist Unsinn.» 

Putin führt daraufhin fort, dass Macron bei seiner Pressekonferenz am 8. Februar in Kiew gesagt habe, dass das Minsker Abkommen überarbeitet werden müsse, damit es anwendbar sei. Macrons Berater streitet auch das im Hintergrund ab. 

Was ist das Minsker Abkommen?
Im September 2014 unterschrieben die Ukraine, Russland und prorussische Separatisten nach monatelangen Gefechten im Donbass eine Einigung: Minsk I. Die Hauptziele: sofortige Waffenruhe, der Austausch von Gefangenen und humanitäre Hilfe. Wenig später flammten die Kämpfe jedoch erneut auf. 2015 kam auf Initiative von Deutschland und Frankreich ein weiteres Waffenstillstandsabkommen zustande: Minsk II. Dieses Minsker Abkommen bewerten viele Experten als vorteilhaft für Russland und nachteilig für die Ukraine, weil Russland nicht als Kriegspartei genannt wird – obwohl es die «Volksrepubliken» Donezk und Luhansk militärisch unterstützt.

Auch Macron stellt klar: «Wladimir, zunächst eine Sache: Ich habe nie gesagt, dass das Minsker Abkommen überarbeitet werden muss.» Er habe das weder in Berlin, noch in Kiew, noch in Paris gesagt. Er habe gesagt, dass das Abkommen umgesetzt werden müsse. 

Macron: «Ich weiss nicht, wo dein Jurist studiert hat»

Der Kremlchef geht darauf nicht mehr ein, sondern verteidigt die Separatisten. «Hör zu, Emmanuel, ich verstehe euer Problem mit den Separatisten nicht.» Diese hätten alles Notwendige getan, um einen konstruktiven Dialog mit der ukrainischen Seite aufzunehmen. Macron setzt dem entgegen, dass es nicht die Separatisten sein sollten, die Vorschläge machen. Dies entspreche nicht dem Minsker Abkommen. «Ich weiss nicht, wo dein Jurist studiert hat. (...) Ich weiss nicht, welcher Jurist sagt, dass in einem souveränen Land die Gesetzestexte von separatistischen Gruppen und nicht von einer demokratisch gewählten Regierung vorgeschlagen werden», so der französische Präsident.

FILE - French President Emmanuel Macron, left, talks with Russian President Vladimir Putin during their meeting at the fort of Bregancon in Bormes-les-Mimosas, southern France, Monday Aug. 19, 2019. ( ...
Macrons telefonischer Mahnfinger scheint bei Putin nicht gezogen zu haben.Bild: keystone

Bei dieser Aussage schlägt Putins Ton offenbar um. «Das ist keine demokratisch gewählte Regierung.» Sie sei durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen, Menschen seien bei lebendigem Leib verbrannt worden. «Es war ein Blutbad und Selenskyj ist einer der Verantwortlichen.» Der Kremlchef hatte der Ukraine in der Vergangenheit bereits öfter unterstellt, einen Genozid im Donbass zu begehen und nannte dies als einen der Gründe, in das Nachbarland einzumarschieren. Beweise gibt es für diese Anschuldigung allerdings nicht.

Macron wirft Putin daraufhin vor, dass er das Minsker Abkommen nicht respektieren wolle, wenn er behaupte, er habe es mit einer «nicht legitimen und terroristischen Regierung zu tun». 

Putin: «Hast du mich verstanden?»

Putin entgegnet gereizt: «Hör mir gut zu. Hast du mich verstanden? Ich sage es dir noch einmal: Die Separatisten, wie du sie nennst, haben auf die Vorschläge der ukrainischen Seite geantwortet, aber diese hat nicht reagiert.» Er wirft Macron vor, dieser habe zu wenig Druck auf die Ukraine ausgeübt. Der meint jedoch: «Doch, ich tue alles, um sie zu drängen, das weisst du.» Die Situation an der Kontaktlinie sei sehr angespannt. Er habe Selenskyj aufgefordert, seine Streitkräfte zu beschwichtigen. Im Gegenzug sollten auch Putins Streitkräfte Ruhe bewahren. 

Macron verweist auf die Militärübungen der russischen Armee. Damals hatten unter anderem die USA und Deutschland davor gewarnt, dass Russland die Ukraine angreifen könnte. Der Kreml behauptete, Truppen von der Grenze abzuziehen. Stattdessen stockte er sie auf und griff am 24. Februar an. Der französische Präsident sagte in dem Telefonat: «Es gab viele Bombardierungen gestern.» Wenn man dem Dialog eine Chance geben wolle, müsste man die Lage in der Region beruhigen. 

Darauf folgt ein Wortwechsel, der fast vier Monate nach dem Angriff zeigt, dass Putin die westliche Welt wenige Tage vor der Invasion hinters Licht geführt hat:

  • Macron: «Wie siehst du die Militärmanöver?»
  • Putin: «Die Übungen verlaufen planmässig.»
  • Macron: «Sie enden also heute Abend, richtig?»
  • Putin: «Ja, wahrscheinlich heute Abend. Wir werden auf jeden Fall militärisch an der Grenze präsent bleiben, bis sich die Lage im Donbass beruhigt hat.»

Der französische Präsident will den Kremlführer beschwichtigen: «Für mich ist es wichtig – und ich bitte dich wirklich darum –, dass wir die Situation unter Kontrolle bringen. (...) Ich zähle sehr auf dich.» Er rät Putin, sich in den kommenden Stunden und Tagen nicht provozieren zu lassen. Dieser Rat ist vergebens, wie sich wenige Tage später herausstellt.

Macron: «Wenn etwas passiert, rufst du mich an» 

Auch Macrons Vorschlag, ein Treffen mit US-Präsident Joe Biden zu vereinbaren, wird nicht realisiert. Putin entgegnet in dem Gespräch, ein solches Treffen müsse zunächst vorbereitet werden. Zudem lobt er Macron: «Es ist immer ein Vergnügen, mit Ihnen zu sprechen, denn wir haben eine vertrauensvolle Beziehung.» 

Macron zeigt sich davon jedoch wenig beeindruckt und pocht darauf, einen Termin mit Biden zu vereinbaren: «Ich hätte gerne eine klare Antwort darauf.» Nach dem Telefonat sollten die Berater sich abstimmen. Daraufhin offenbart Putin: «Ich wollte eigentlich Eishockey spielen gehen, ich spreche gerade von der Sporthalle aus mit dir (...). Ich werde zuerst meine Berater anrufen.» 

Die letzten Worte des französischen Präsidenten wirken nun, nachdem bereits Zehntausende Menschen in der Ukraine gestorben sind und Millionen von Zivilistinnen und Zivilisten geflüchtet sind, besonders bedeutungslos: «Wenn etwas passiert, rufst du mich an.» Seit Beginn des Angriffskrieges haben Putin und Macron zwar mehrmals telefoniert – jedoch ohne Erfolg. 

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30 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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neoliberaler Raubtierkapitalist
27.06.2022 22:31registriert Februar 2018
Ich denke, Macron wollte tatsächlich das Beste. Putin ist einfach böse, möchte sein Reich vergrössern und hat Allmachtsfantasien. Die Wahlen waren nur ein Theater für den Westen und die eigne liberale Opposition. Putin sieht sich als Zar und lebt wie die Made im Speck.
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5crambler
28.06.2022 03:55registriert Juli 2021
Mit einem, der permanent lügt, jeden Vertrag und jedes eigene Wort bricht, gibt es einfach nichts zu verhandeln.
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raab23@gmail.com
27.06.2022 22:56registriert Mai 2022
Putin wollte den Krieg und selbst die besten argumente und der beste diplomat wären gescheitert.
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