In Österreich waren am Sonntag knapp 6,4 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Die Wahllokale schlossen um 17 Uhr.
Die rechte FPÖ hat die österreichische Parlamentswahl mit 29,2 Prozent der Stimmen gewonnen. Das teilte das Innenministerium im vorläufigen Endergebnis mit. Die bisherige Kanzlerpartei ÖVP wurde demnach mit 26,5 Prozent der Stimmen auf den zweiten Platz verdrängt. Die konservative ÖVP büsste 11 Prozentpunkte im Vergleich zur vorigen Wahl im Jahr 2019 ein, während sich die FPÖ um 13 Punkte steigerte.
Drittstärkste Kraft im Nationalrat, der grossen Parlamentskammer, ist künftig die sozialdemokratische SPÖ mit 21,1 Prozent (-0,1). Die Liberalen Neos bekamen 9 Prozent der Stimmen (+0,9). Die Grünen, die bislang mit den Konservativen regierten, kamen diesmal nur auf 8 Prozent (-5,9). Kleinparteien wie die Bierpartei oder die kommunistische KPÖ blieben deutlich unter der Hürde von 4 Prozent, die für den Einzug ins Parlament nötig wären.
Das vorläufige Endergebnis beinhaltet den Grossteil der Briefwahlstimmen. Die restlichen Wahlkarten werden voraussichtlich bis Donnerstag ausgezählt. Die Hochrechnung des Instituts Foresight geht davon aus, dass sich die Werte der rechten und konservativen Parteien letztlich minimal geringer ausfallen werden, während das linke und liberale Spektrum auf ein paar zusätzliche Zehntel-Prozentpunkte hoffen kann.
Für die Rechtspopulisten unter ihrem Parteichef Herbert Kickl ist der Sieg bei der Nationalratswahl ihr bisher grösster Triumph. Die ÖVP hatte bis zuletzt darauf gehofft, die FPÖ auf der Zielgeraden noch zu überholen. Kanzler Nehammer versuchte, sich als verantwortungsvolle Alternative zu Kickl zu positionieren.
In ihrem Wahlprogramm hatte die FPÖ unter dem Motto «Festung Österreich – Festung Freiheit» für eine extrem restriktive Migrationspolitik geworben. Die Partei fordert eine Rückführung von Migranten in ihre Heimatländer und wünscht sich als Gegenentwurf zur international vielfach angestrebten Diversität «Homogenität» in der Gesellschaft. Aussenpolitisch sieht die FPÖ die EU äusserst kritisch. Gegenüber Russland fährt sie trotz des Ukraine-Kriegs einen eher wohlwollenden Kurs und sieht kein Problem in der Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas.
Trotz des Siegs dürfte es für Kickl sehr schwer werden, nächster Kanzler zu werden. Alle Parteien lehnen bisher eine Zusammenarbeit mit dem 55-Jährigen ab, unter dessen Ägide die FPÖ zum Beispiel ihre einstige Distanz zu den als rechtsextrem eingestuften Identitären aufgegeben hat.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen muss den Auftrag zur Regierungsbildung nicht zwingend der stimmenstärksten Partei übertragen. Der ehemalige Grünen-Chef hat immer wieder seine Kritik an politischen Positionen der FPÖ in Sachen EU und Migration deutlich gemacht.
So gilt es als wahrscheinlich, dass Kanzler Nehammer den Auftrag bekommt, eine Regierungskoalition zu schmieden. Als Koalitionspartner bietet sich aus Sicht der ÖVP inhaltlich zwar die FPÖ an, aber der Regierungschef hat mehrfach und nachdrücklich klargemacht, dass er eine Zusammenarbeit mit Kickl ausschliesst.
Nehammer hatte auch angekündigt, keine Koalitionsverhandlungen mit dem FPÖ-Chef zu führen.
Diese Haltung wurde nach der Wahl nochmals bestätigt: Auch nach ihrer Wahlschlappe will die ÖVP nicht mit dem voraussichtlichen Wahlsieger Herbert Kickl von der rechten FPÖ in einer Regierung zusammenarbeiten. «Das war gestern so und das ist heute so und morgen wird es noch immer so sein», sagte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker in einer ersten Reaktion.
Die Alternative zur FPÖ ist die SPÖ. Allerdings gilt ein Bündnis als schwierig, weil SPÖ-Chef Andreas Babler die Sozialdemokraten mit Forderungen wie der nach einer 32-Stunden-Woche weit nach links gerückt hat. Ob sich Babler angesichts des Ergebnisses im Amt halten kann, ist eine der sich nun aufdrängenden Fragen.
Die österreichischen Rechtspopulisten haben sich schon im Laufe des Tages auf der Siegerstrasse gesehen. «Ich habe insgesamt ein gutes Gefühl für den heutigen Tag», sagte FPÖ-Chef Herbert Kickl nach seiner Stimmabgabe in einem Seniorenheim seiner Heimatgemeinde bei Wien. Der 55-Jährige, der zuvor noch joggen war, gab sich demonstrativ gelassen und selbstbewusst.
FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz sagte:
Wenn man sich das Wahlergebnis ansehe, «dann wird eine Veränderung im Land gewünscht», meinte er. «Wir werden mit jeder einzelnen Stimme verantwortungsvoll umgehen.»
Herbert Kickl selbst sieht den historischen Wahlsieg seiner rechten FPÖ als Signal für einen Richtungswechsel in Österreich. «Der Wähler hat heute ein Machtwort gesprochen», sagte er in einer ersten Reaktion. Die Wähler hätten «ein klares Bekenntnis dafür abgegeben, dass es so nicht weitergehen kann in diesem Land», sagte der Parteichef, der für eine restriktive Asylpolitik, EU-Skepsis und einen russlandfreundlichen Kurs steht.
Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer hat am Sonntagmorgen als einer der ersten unter den Spitzenkandidaten seine Stimme abgegeben. Er sei zuversichtlich, da er zuletzt eine «starke Wahlbewegung» zugunsten der ÖVP gespürt habe, sagte der 51-jährige Regierungschef Reportern vor seinem Wahllokal in Wien.
Kanzler Karl Nehammer und seine Partei holten kurz vor der Wahl noch einmal auf und lagen mit 25 Prozent nur noch knapp hinter der FPÖ, die schon seit längerem in Umfragen den ersten Platz besetzte.
Das Hochwasser der vergangenen Tage bot Nehammer jedoch noch die Gelegenheit, sich als oberster Krisenmanager des Landes zu präsentieren. Doch die Meinungen dürften zu dem Zeitpunkt schon gemacht gewesen sein, wie die Wahlresultate jetzt zeigen.
Die rechte FPÖ will die konservative Kanzlerpartei ÖVP bei der Wahl des österreichischen Parlaments als stimmenstärkste Partei schon lange ablösen. Das ist ihr nun gelungen.
Ausser der ÖVP schliessen alle anderen Parteien eine Kooperation mit der FPÖ völlig aus, unter anderem wegen der mangelnden Abgrenzung zwischen Rechtspopulisten und Rechtsextremen. Am Vortag der Wahl veröffentlichte die Zeitung «Der Standard» Aufnahmen von einem Begräbnis, wo FPÖ-Politiker als Trauergäste zu sehen sind und ein Lied zu hören ist, das von der SS als «Treuelied» glorifiziert worden war. Das Video sorgte für Aufregung und Kritik seitens aller Parteien.
Der Sieg der FPÖ liegt im Trend. Quer durch Europa haben rechte Parteien Zulauf bekommen, wie etwa Geert Wilders und seine Partei für die Freiheit (PVV) in den Niederlanden, die italienischen Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) mit Giorgia Meloni an der Spitze oder die Rassemblement National (RN) mit Marine Le Pen in Frankreich. In Deutschland erzielte die AfD zuletzt Erfolge bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg.
Derzeit will keine andere Partei mit der FPÖ unter Kickl eine Regierung bilden. «Unsere Hand ist ausgestreckt in alle Richtungen», sagte Kickl. Man müsse nun die anderen Parteien fragen, «wie sie es mit der Demokratie halten».
Die Parlamentswahl in Österreich war von Unzufriedenheit und dem Wunsch nach Veränderung geprägt. Das geht aus Daten des Foresight Instituts im Auftrag des Senders ORF hervor. Sechs von zehn Befragten sind überzeugt, dass sich das Land negativ entwickelt – fast doppelt so viele wie bei der Nationalratswahl 2019.
Die rechte FPÖ hat der Umfrage zufolge am meisten von den Sorgen der Menschen profitiert. Für viele Bürger war die Migration ein wichtiges Wahlmotiv, noch vor der Inflation und Sicherheitsfragen. Die Person Herbert Kickl sei bei den Wählern nicht entscheidend gewesen, so die Wahlforscher.
Die Regierung aus konservativer ÖVP und den Grünen war bei den Wählerinnen und Wählern zuletzt sehr unpopulär – sechs von zehn der Befragten zeigten sich wenig oder gar nicht mit der Arbeit der Koalition zufrieden-
(sda/dpa/con/lyn/hah)
So vonwegen „entzaubern“, auf das so viele bei der AfD hoffen…