Präsident Trump dekretiert einen Zollsatz von 39 Prozent für Einfuhren aus der Schweiz. Wie konnte es zu diesem Debakel kommen?
Thomas Borer: Im Nachhinein ist man immer gescheiter. Die Schweiz war Anfang April in der Führungsgruppe der Staaten, die einen raschen Vergleich mit den USA anstrebten. Wir glaubten uns auf gutem Weg. Es wäre wohl besser gewesen, als eines der ersten Länder zu einem Abschluss mit Präsident Trump zu kommen. Dann hätte er die Einigung mit der Schweiz noch als Sieg verkaufen können. Nach seiner Vereinbarung mit der Europäischen Union und Japan wurden wir für den amerikanischen Präsidenten zu einem nebensächlichen Ereignis, das sich medial kaum ausschlachten liess.
War der Bundesrat zu gutgläubig? Er meinte, dass die Absichtserklärung für eine Vereinbarung zählt, die mit Mitgliedern der Regierung Trumps ausgehandelt worden war.
Der Bundesrat hat sich darauf verlassen, dass in den USA die üblichen diplomatischen Usanzen gelten und ein auf Ministerebene ausgehandeltes Abkommen durch die oberste Führung abgesegnet wird. Aber Präsident Trump sieht sich nicht als normaler Politiker. Er will persönlich immer das Beste für sein Land herausholen und nachverhandeln. Mit dieser Realität müssen wir nun leben.
Präsident Trump war offenbar schlecht gelaunt zum Zeitpunkt des Telefonats mit Bundespräsidentin Keller-Sutter, weil die Zahlen zum Arbeitsmarkt in den USA viel schlechter ausgefallen sind als von ihm erwartet. Er entliess die Frau, die für die Erhebung zuständig ist. War es falsch, dass ihn Bundespräsidentin Keller-Sutter anrief?
Wenn man sich persönlich nicht gut kennt, sind Konferenzschaltungen per Video immer heikel. Persönliche Treffen sind besser, weil man den Gesprächspartner spüren kann. Es wäre besser gewesen, wenn unsere Bundespräsidentin Ende Juli nach Schottland gereist wäre – da war Trump als begeisterter Golfer besser gelaunt.
Was sollten die Schweizer Behörden jetzt tun?
Ein erfahrener Verhandler hätte während des Telefonats gefragt: Lieber Herr Präsident, welche Konzessionen soll die Schweizer Regierung Ihrer Meinung nach noch machen? Man hätte die Vorschläge sogleich besprechen können, und man könnte sie nun dem Bundesrat vorlegen. Das ist offensichtlich nicht geschehen. Man tappt im Dunkeln. Die Schweiz muss den USA weitere Zugeständnisse machen, die sich an den Konzessionen der Europäischen Union gegenüber Amerika orientieren.
Das heisst?
Das bedeutet Milliardenofferten im Bereich der Rüstung, das bedeutet Öl- und Gaskäufe – und wohl auch Zugeständnisse bei der Landwirtschaft. Das Problem besteht jetzt darin, dass sich Präsident Trump noch nicht festgelegt hat. Die Schweiz kann nun nicht sagen: Wir sind den Wünschen nachgekommen, die Sie während des Telefongesprächs gemacht haben. Trump kann jederzeit noch mehr verlangen.
Bundesrat Guy Parmelin erwähnt nun höhere Investitionen der Schweiz in den USA und den Kauf von amerikanischem Öl und Gas – von der Landwirtschaft spricht er aber nicht.
Nach meinen Informationen wollte ein Teil der Schweizer Verhandlungsdelegation den USA von Anfang an ein grösseres Angebot unterbreiten. Landwirtschaftliche Produkte einzubeziehen, ist wichtig für Präsident Trump. Er fühlt sich seinen Wählern im Mittleren Westen verpflichtet. Das Abkommen der USA mit Japan sieht den Export von Agrarprodukten vor. Das kann Trump als Sieg verkaufen.
Der Schweizer Bauernverband und seine Lobbyisten werden sich mit ganzer Kraft dagegen wehren. Ein Freihandelsvertrag mit den USA ist am Widerstand der Schweizer Bauern gescheitert.
Das ist richtig. Der Bund muss der Schweizer Landwirtschaft möglicherweise mit weiteren Subventionen entgegenkommen. Diese Kröte muss man wohl schlucken.
Welche amerikanischen Agrarprodukte stehen im Vordergrund?
In den USA geht es immer um beef, also Rindfleisch. Und um Soja.
In den Fokus gerät auch die Schweizer Pharmaindustrie. Präsident Trump verlangt, dass die Medikamentenpreise in den USA massiv sinken. Müssen Novartis und Roche hier nachgeben, damit der Bundesrat eine bessere Lösung im Zollstreit erreicht?
Präsident Trump wird das gemäss meinen Informationen so oder so durchsetzen. Wenn es den Schweizer Interessen in den laufenden Verhandlungen dient, sollte der Bundesrat dies als eine weitere Konzession in Betracht ziehen.
Welches sind konkret die nächsten Massnahmen, die der Bundesrat ergreifen sollte?
Ich verstehe nicht, wieso der Bundesrat sich erst am Montag zu einer Sitzung treffen will. Das sollte am Sonntag geschehen. Dann wäre es gut, wenn Staatssekretärin Helene Budliger Artieda nach Washington flöge, um der amerikanischen Regierung das neue Angebot der Schweiz darzulegen. Schliesslich müsste die Schweiz auf ein Treffen zwischen Präsident Trump und Bundespräsidentin Keller-Sutter oder Vizepräsident Parmelin drängen.
Ein solches Treffen ergibt nur Sinn, wenn beide Seiten schon weitgehend eine Einigkeit erzielt haben.
Die gab es ja schon. Aber Präsident Trump hat seine eigenen Verhandler desavouiert. Es braucht darum Kontakte auf beiden Stufen: zwischen den Verhandlungsteams und zwischen den politischen Spitzen.
Glauben Sie, dass die Schweiz noch einen tieferen Zollsatz erreichen kann?
Ich bin ein unverbesserlicher Optimist. Es gilt nun alles zu versuchen. Das Thema hat absolut erste Priorität in der Schweizer Aussen- und Aussenwirtschaftspolitik. Es scheint mir angezeigt, dass endlich auch Aussenminister Ignazio Cassis mit dem amerikanischen Amtskollegen Marco Rubio in Kontakt tritt.
Die Geschehnisse dieser Woche, was sagen Sie aus über das Verhältnis der Schweiz zu den USA?
Die Schweiz sieht die USA als Schwesterrepublik, weil sie im 19.Jahrhundert die einzigen Demokratien waren. Die Geschichte des bilateralen Verhältnisses war aber immer geprägt vom harten Auftreten der grossen Schwester gegenüber ihrer kleinen Schwester.
Die kleine Schwester hat zu erfüllen, was ihr die grosse Schwester aufträgt.
Meistens ist es so, da die Kräfteverhältnisse eindeutig zu unseren Ungunsten laufen. Das heisst aber nicht, dass die Schweiz ihre Interessen nicht mit Zähnen und Klauen verteidigt.
Ist es ausgeschlossen, dass Sie in die Gespräche involviert werden?
Wir haben ausgezeichnete Verhandler auf Beamtenebene in Bern. Jemand hat auch den Fifa-Präsidenten Gianni Infantino vorgeschlagen. Ich finde, dass das keine schlechte Idee ist. Beim deutschen Bundeskanzler Merz würde ein solcher Einsatz nichts nützen. Aber Trump funktioniert anders. Infantino versteht sich gut mit ihm. Wenn er Trump sagen würde: «Mr President, give me 15 minutes» – und dann nähme er Staatssekretärin Budliger mit, die Konzessionen bereithält. Dann werden aus 15 Minuten schnell 30 oder mehr und führen vielleicht zu einem Ergebnis.
Das soll etwas bringen?
Die klassischen diplomatischen Methoden funktionieren nur beschränkt bei Donald Trump. Man muss auch unkonventionell vorgehen, man muss alles versuchen. Dann kann die Schweiz den Zoll vielleicht auf 15 Prozent senken.
10 Prozent – wie in der gemeinsamen Absichtserklärung vorgesehen – liegen nicht mehr drin?
Ich fürchte, dieser Zug ist abgefahren. (bzbasel.ch)
Nein, gopf! Falsch! Fälscher als falsch!
Richtig wäre: Trömp ist ein kranker, narzisstischer Egoist. Er will persönlich immer das Beste für *sich selbst* herausholen. Ob er dabei "sein" Land komplett an die Wand fährt, könnte ihm nicht egaler sein. Ja mehr noch: Er befindet sich ja auch auf diesem regelrechten Rachefeldzug gegen "sein" Land, das es 2020 gewagt hat ihn abzuwählen. Sprich: Was "seinem" Land schadet, nützt am Ende ihm selbst, weil es ihm Genugtuung verschafft. So tickt der Typ.
Es kann nicht sein, dass wir für die kleine Minderheit die Schweiz an die Wand fahren. Es reicht, nun ist der Bogen überspannt seitens der Bauern.