Der von den Republikanern vorgeschlagene Kandidat für das dritthöchste Amt des Landes, Jim Jordan, verpasste am Dienstag die nötige Mehrheit. Ihm wehte ein rauerer Wind entgegen, als zunächst angenommen wurde. Doch Jim Jordan weiss, wie er damit umgehen will.
Doch wer stimmte eigentlich gegen Jordan? Wie reagieren die Demokraten und warum stellen die Republikaner keinen Nicht-Hardliner als Kandidaten auf? Ein Überblick:
Jim Jordan erreichte genau 200 Stimmen. Damit fehlten dem Republikaner ganze 17 Stimmen, um die absolute Mehrheit zu erreichen. Insgesamt stimmten 232 Abgeordnete gegen ihn – alle 212 Demokraten sowie 20 Republikaner.
Gemäss US-amerikanischen Medien waren es überraschend viele Republikaner, die gegen Jordan stimmten. «Jordan und seine Verbündeten haben eindeutig unterschätzt, wie gross die Wut über den Vorstoss einiger Republikaner gegen Steve Scalise war», schreibt zum Beispiel die New York Times.
Ursprünglich wollten die Republikaner Scalise aufstellen, dieser zog seine Kandidatur aber zurück, nachdem sich abgezeichnet hatte, dass Jim Jordan mehr Unterstützung genoss.
Insgesamt 20 Republikaner stimmten bei der ersten Abstimmung gegen Jordan. Das ist sogar ein «Abweichler» mehr, als es damals bei der ersten (von insgesamt 15) Abstimmung zu McCarthy, dem vorherigen und mittlerweile abgewählten Sprecher, waren. Einige stimmten dabei für McCarthy, andere für den abgelehnten Kandidaten Steve Scalise.
Die Gründe für die Ablehnung gegenüber Jordan sind vielfältig. Rund sechs davon seien «Biden-Distrikt-Republikaner», so die «New York Times». Will heissen: Es sind solche, die aus einem Distrikt kommen, der zuletzt mehrheitlich Joe Biden gewählt hatte. Ihnen geht es darum, möglichst nicht als Extremisten wahrgenommen zu werden – um bei der nächsten Wahl ihre Stimme nicht an die Demokraten zu verlieren.
Sieben Republikaner hingegen dürften aus Angst vor Ausgabenkürzungen gegen Jim Jordan sein. Von Jordan ist bekannt, dass er sich stark für solche einsetzt. Einige von ihnen befürchteten, dass er pauschale Mittelkürzungen, auch für das Militär, fordern würde.
Wiederum andere gelten als McCarthy-Loyalisten, die aus Trotz und weil ihr Verbündeter abgewählt wurde, gegen Jordan stimmten. Mindestens einer von ihnen hat allerdings bereits angekündigt, in der zweiten Runde für Jordan zu stimmen.
Wenigstens von einer Person ist bekannt, dass sie einfach gegen Jim Jordan als Kandidat ist: Ken Buck aus Colorado sagte, es gebe eine Reihe von Gründen, warum er Herrn Jordan nicht unterstütze. Sein Hauptkritikpunkt sei aber die Tatsache, dass Herr Jordan eine führende Rolle bei dem Versuch gespielt habe, den Sieg von Präsident Biden bei den Wahlen 2020 im Repräsentantenhaus zu kippen: «Ich will niemanden, der an den Aktivitäten vom 6. Januar beteiligt war», sagte er nach der Abstimmung gegenüber CNN.
Derweil stimmten die Demokraten geschlossen für ihren eigenen Minderheitsführer, Hakeem Jeffries. Für sie ist einer wie Jim Jordan – ein Trump-Anhänger, der klar am rechten Rand steht – unwählbar.
Für die Demokraten ist klar: Ein Hardliner wie Jordan ist unwählbar. Sie zeigten sich aber offen für einen Republikaner, der mehr in der Mitte steht:
Ausserdem, so schreibt es die NYT, stellte Hakeem Jeffries eine spezifische Bedingung: Die Demokraten würden sich den Republikanern bei der Wahl eines Sprechers nur dann anschliessen, wenn diese sich bereit erklären, die Regeln des Repräsentantenhauses so zu ändern, dass ein «Regieren im Konsens» möglich wird.
Das heisst, dass Gesetzesentwürfe mit parteiübergreifender Unterstützung zur Abstimmung kommen könnten. Derzeit ist der Ausschuss, der darüber entscheidet, über welche Gesetze abgestimmt wird, so strukturiert, dass die Republikaner die Kontrolle darüber haben, welche Gesetzesentwürfe im Haus behandelt werden. Dadurch bleiben die Prioritäten der Demokraten blockiert.
Es ist nicht ganz einfach, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Vieles läuft hinter geschlossenen Türen ab, und man kann davon ausgehen, dass etliche Deals abgeschlossen werden. Grundsätzlich aber sind es wohl zwei Dinge: Erstens zeigt es, wie stark rechts die Republikaner als gesamte Partei gerückt ist – nicht nur die Hardliner. Und zweitens ist es die geringe Mehrheit, welche sie im Kongress haben.
Zu Ersterem: Jordans Aufstieg von einem rechten Rebellen am äussersten Rand seiner Partei bis zu einem potenziellen Frontmann der Kongresskammer zeigt, wie weit die republikanische Fraktion nach rechts gerückt ist und welchen Einfluss Trump und dessen Gleichgesinnte auf die Partei haben. Jordans Nomination wurde mit 152 zu 55 Stimmen in seiner Partei bestätigt – das sind 152 Republikaner, die sich (immerhin bei einer anonymen Abstimmung) für den Hardliner als Kandidaten aussprachen.
Ausserdem gilt Jordan als sehr gut vernetzt und als Mann, der andere Menschen gut überzeugen kann. Kurz nach der Abstimmung am Dienstag zeigte er sich selbstbewusst:
Bereits übers Wochenende führte Jordan zahlreiche Gespräche und konnte mehrere Republikaner davon überzeugen, am Dienstag für ihn zu stimmen.
Und zu Zweiterem: Die knappe Mehrheit im «House» bedeutet für einen republikanischen Kandidaten, dass er sich lediglich vier Abweichler leisten kann. Die Hardliner-Minderheit in der Partei, die bereits Kevin McCarthy zur Abwahl brachte, hat damit einen starken Hebel: Bringen sie geschlossen zum Ausdruck, dass sie für einen gewissen Kandidaten nicht stimmen werden, hat dieser schon im Vorhinein verloren.
Ein Republikaner beschrieb die vorangehenden Diskussionen in der Partei so: «Wir hatten fünf Personen, die sagten klar, sie würden nur für Jim und nicht für Steve [Scalise] stimmen. Viele von uns haben das Gefühl, dass wir schlechtes Verhalten belohnen, wenn wir diesen Menschen nachgeben. Aber da kann Jim als Kandidat ja nichts dafür.» Gleichzeitig wollen viele mittlerweile einfach nur, dass endlich jemand gewählt wird, somit die republikanische Partei nicht noch mehr Reputationsschaden nimmt – und weitergearbeitet werden kann.
Denn die Kammer ist gelähmt. Die Gesetzgeber sind zunehmend besorgt über die Auswirkungen, die das Fortbestehen ohne einen ordnungsgemäss gewählten Sprecher haben könnte. Dazu gehört auch, dass das «House» nicht in der Lage sein könnte, Israel im Krieg gegen die Terrorgruppe Hamas zu unterstützen.
Die republikanische Fraktion zog sich nach dem Votum am Dienstag zu internen Beratungen zurück, und Jordan suchte einmal mehr das Gespräch mit einigen seiner Gegner. Kurz danach wurde der zweite Wahlgang auf Mittwoch verschoben. Sollte Jordan erneut keine Mehrheit finden, droht bald einmal ein weiteres Fiasko wie bei der Wahl von McCarthy, bei der er ganze 15 Anläufe brauchte.
Mehrere Verweigerer Jordans zeigten sich bereit, ihre Stimme für ihn abzugeben, mindestens einer sagte, er werde den Republikaner aus Ohio beim nächsten Wahlgang unterstützen. Allerdings machten auch mehrere Jordan-Gegner klar, sie würden sich nicht umstimmen lassen. Mehrere Republikaner-nahe Quellen sagten ausserdem, dass die Opposition wachsen könnte, weil einige Mitglieder sich nur verpflichtet hätten, ihn im ersten Wahlgang zu unterstützen.
So sagte der republikanische Abgeordnete Carlos Gimenez aus Florida, der für McCarthy gestimmt hat, dass er niemals für Jordan stimmen werde. Er würde aber in Betracht ziehen, für andere Kandidaten zu stimmen. «Ich werde mich nicht an einem Coup beteiligen», so Gimenez.
Trotzdem dürfte Jim Jordan nicht aufgeben – im Gegenteil. Mehrere Republikaner liessen kurz nach der Abstimmung verlauten, dass er sich nun mit den verschiedenen Verweigern treffen wolle. Und offenbar ist Jordan bei der Überzeugungsarbeit jedes Mittel recht.
Ein Teil von Jordans Strategie bestand offenbar darin, republikanische Aktivisten und Wähler an der Basis dazu aufzurufen, den betroffenen Abgeordneten die Hölle heiss zu machen. Konservative Meinungsbildner und Medienpersönlichkeiten haben daraufhin unermüdlich die Telefonnummern der Büros der Verweigerer online gestellt und die Anhänger Jordans aufgefordert, ihre Telefonleitungen zu überschwemmen.
Der Abgeordnete Ken Buck aus Colorado, ein Republikaner, der gegen Jim Jordan gestimmt hat, sagte, Jordans Verbündete hätten eine immense Druckkampagne auf die Republikaner entfesselt. «Die Anrufe, die bei uns eingehen, sind lächerlich, sie gehen in die Hunderte, wenn nicht Tausende, die in jedes Büro kommen», sagte er auf CNN.
Am Ende wird also Frage ausschlaggebend sein, wie viele der 20 Abweichler unter dem Druck einknicken.
Eine Möglichkeit wäre es, dass Patrick McHenry, der derzeit als Übergangs-Vorsitzender fungiert, eine grössere Rolle zukäme. Zwar ist McHenry eigentlich nur für formelle Aufgaben vorgesehen, etwa die Organisation der Wahl eines Langfrist-Vorsitzenden. Mehrere Abgeordnete brachten ins Gespräch, McHenry für einen befristeten Zeitraum mit weiteren Befugnissen auszustatten, falls sich die Suche nach McCarthys Nachfolge länger hinziehen sollte. Dies soll legislative Arbeit ermöglichen und verhindern, dass es Mitte November zu einem Stillstand der Regierungsgeschäfte, einem «Shutdown», kommt, falls bis dahin kein neuer Bundeshaushalt beschlossen ist. Ob am Ende eine Mehrheit für die Idee zustande kommen könnte, ist aber ebenso offen.
Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.