Eine Mehrheit des Repräsentantenhauses in den USA stimmte am Dienstag für die Absetzung des Mehrheitsführers der Republikaner. Der Antrag dafür kam aus seiner eigenen Partei.
Vorsitzender des Repräsentantenhauses ist ein mächtiger Posten, der jeweils von einer Person der Partei, welche im «Haus» die Mehrheit hat, ausgeübt wird. Kevin McCarthy war dadurch bis zu seiner Absetzung der dritthöchste US-Amerikaner – nach Joe Biden und der Vizepräsidentin Kamala Harris.
Das Repräsentantenhaus wählt jeweils ihren Vorsitzenden selbst. Aus diesem Grund kann auch nur das «Haus» selbst diesen wieder abwählen, und zwar auf Antrag eines Mitgliedes. Die Absetzung McCarthys ist historisch: Noch nie wurde ein «Speaker» abgewählt. In der Geschichte der Kongresskammer gab es bislang nur drei Anträge zur Absetzung und nur einmal – vor über hundert Jahren – kam es zu einer Abstimmung.
Der republikanische Hardliner Matt Gaetz aus Florida hatte am Montag einen Antrag auf Kevin McCarthys Absetzung ins Repräsentantenhaus eingebracht. Sein Vorwurf an den Mehrheitsführer: Er habe gemeinsame Sache mit den Demokraten gemacht.
Hintergrund ist der diesjährige Streit ums Haushaltsbudget. Eine Mehrheit im Repräsentantenhaus hatte sich am Wochenende für einen Übergangshaushalt bis Mitte November geeinigt – und damit «kurz vor zwölf» einen Stillstand des Regierungsapparates verhindert. In den Augen Gaetz' aber ist McCarthy ein Verräter, weil er gemeinsam mit den Demokraten diesen Entscheid zustande gebracht hatte.
Für den Hardliner aus Florida ist das aber noch nicht alles: McCarthy habe auch gegen interne Abmachungen verstossen und deshalb sei ihm nicht mehr zu trauen gewesen.
McCarthy wurde im Repräsentantenhaus mit 216 zu 210 Stimmen abgewählt. Insgesamt waren es acht Republikanerinnen und Republikaner, die dem Antrag zustimmten. Das bedeutet aber auch: Der ganze Rest der Stimmen kam von den Demokraten – keiner stimmte gegen die Absetzung McCarthys. Warum entschieden sie sich dafür?
Offenbar gab es übers Wochenende noch Diskussionen, wonach die Demokraten McCarthy zu Hilfe eilen könnten – wenn dieser bereit wäre, gewisse Zugeständnisse zu machen. Da dies aber nicht der Fall war, entschieden sie sich am Ende, für eine Absetzung zu stimmen. Was genau diese Zugeständnisse beinhaltet hätten, ist gemäss Medienberichten unklar.
Hakeem Jeffries, der Minderheitsführer der Demokraten im Repräsentantenhaus, veröffentlichte kurz vor der Abstimmung ein Statement zu dieser Entscheidung. McCarthy habe sich dies selbst zuzuschreiben, so Jeffries. Der Republikaner habe seine kurze Amtszeit als Parlamentspräsident dazu genutzt, den Extremisten in seiner Partei entgegenzukommen. Er verwies dabei auch auf die chaotischen 15 Abstimmungsrunden, die das Repräsentantenhaus im Januar über sich ergehen lassen musste, um McCarthy zum Sprecher zu wählen. Um sich erfolgreich wählen zu lassen, hatte McCarthy den rechtsextremen Republikanern Zugeständnissen gemacht – einschliesslich der Möglichkeit für jedes einzelne Mitglied, einen Antrag auf Amtsenthebung zu stellen. Kurzum lautet die Begründung also: selber schuld.
«Es liegt nun in der Verantwortung der GOP-Mitglieder, den republikanischen Bürgerkrieg im Repräsentantenhaus zu beenden», schrieb Jeffries. Als GOP – Grand Old Party – wird die republikanische Partei beschrieben. Angesichts ihrer mangelnden Bereitschaft, sich auf «authentische und umfassende Weise vom MAGA-Extremismus» zu lösen, werde die demokratische Führung des Repräsentantenhauses mit «Ja» abstimmen.
The Speaker of the House is chosen by the Majority Party. In this Congress, it is the responsibility of House Republicans to choose a nominee & elect the Speaker on the Floor. At this time there is no justification for a departure from this tradition.
— Nancy Pelosi (@SpeakerPelosi) October 3, 2023
The House will be in order.
Die ehemalige Parlamentspräsidentin der Demokraten, Nancy Pelosi, die am Dienstag nicht in Washington D.C. war und damit die Abstimmung verpasst hat, schiebt das Chaos ebenfalls der gegnerischen Partei in die Schuhe. Die Demokraten hätten keinen Grund, McCarthy zu helfen, sagte Pelosi.
Und sogar Republikaner waren der Meinung, die Demokraten würden den aus ihrer Sicht wohl richtigen Schachzug machen. In einem letzten, zum Scheitern verurteilten Plädoyer vor der Abstimmung sagte der Abgeordnete Patrick McHenry, ein Republikaner aus North Carolina und Verbündeter McCarthys: «Wir werden diese Erfolgsbilanz, die Kevin McCarthy und eine republikanische Mehrheit in einem von Demokraten geführten Washington hervorgebracht haben, wegwerfen.» Das werde am Ende zu liberaleren Ergebnissen führen, und nicht zu konservativeren. «Ich verstehe also, warum die Linke heute da ist, wo sie ist. Sie mögen keine effektive konservative Mehrheit, und ich mache ihnen keinen Vorwurf. Aber auf der rechten Seite sollten sie das noch einmal überdenken.»
Neben der Haltung «Wer sich mit Rechtsextremen ins Bett legt, erhält, was er verdient» gibt es aber auch bei den Demokraten weitere Gründe, weshalb sie McCarthy loswerden wollten. So sagte Abigail Spanberger, Demokratin aus Virginia, vor der Abstimmung:
McCarthy sei verächtlich und verbreite konstant Lügen. Ted Lieu, ein weiterer Demokrat, sagte: «Hoffentlich können die Republikaner jemanden vorschlagen, der sein Wort nicht bricht. Wir werden sehen, was passiert.» Und ein Demokrat aus Kalifornien lässt sich so zitieren: «Es ist sehr bedauerlich, dass wir uns in dieser Situation befinden. Aber die Realität ist, dass Kevin McCarthy von Anfang an bei jeder sich bietenden Gelegenheit zum Äussersten geeilt ist.»
Nach Einschätzung des SRF-Korrespondenten in den USA, Pascal Weber, war der Dienstag «eine gehässige Abrechnung innerhalb der republikanischen Partei vor aller Augen. Eine Abrechnung, welche die USA nun in eine grosse Führungskrise stürzt – mit ungewissem Ausgang.»
Tatsächlich stehen beide Parteien nun vor herausfordernden Tagen und Wochen: Eigentlich müssten sie über ein neues Haushaltsgesetz befinden – das alleine ist bereits eine Monsteraufgabe. Doch jetzt müssen sie sich zuerst mit der Nachfolge McCarthys herumschlagen. Bis diese geklärt ist, dürfte alles andere hinten anstehen. Und wer sich an die 15 Wahlgänge Anfang Jahr erinnert, die es damals für eine Einigung benötigte, kann sich etwa vorstellen, wo das hinführt.
Er werde nicht erneut antreten, sagte McCarthy am Dienstagabend bei einem teils emotionalen, teils angriffslustigen Auftritt. Für ihn sei der Vorsitzenden-Posten die grösste Ehre gewesen. «Ich habe jede Minute geliebt.» Er sei mit sich im Reinen. «Ich würde rein nichts anders machen», betonte er. «Wenn ich meinen Job verliere, weil ich das tue, wovon ich wirklich überzeugt bin, dass es richtig ist, dann kann ich damit sehr gut leben.» Selbstironisch sagte er: «Ich habe Geschichte geschrieben, oder?»
Zugleich kritisierte der Republikaner die parteiinternen Rebellen – insbesondere Gaetz. Diesem sei es keineswegs um Inhalte gegangen, sondern allein um Persönliches – und darum, Medienaufmerksamkeit zu bekommen, beklagte McCarthy. Gaetz' Vorwürfe wies er zurück. «Nur weil Gaetz etwas gesagt hat, heisst das nicht, dass es wahr ist. Ich habe ihn noch keine einzige wahre Sache sagen hören.»
McCarthy beklagte, es dürfte nicht möglich sein, dass ein Vorsitzender des Repräsentantenhauses die überwältigende Mehrheit seiner Fraktion hinter sich habe und trotzdem von acht Abgeordneten gemeinsam mit der anderen Partei aus dem Amt entfernt werde. «Ich glaube nicht, dass es diese Regel geben sollte – unabhängig davon, wer der Vorsitzende ist.» Das Parlament als Institution habe versagt.
Über McCarthys Nachfolge wird frühestens in der kommenden Woche entschieden. Die Abgeordneten der Parlamentskammer wurden am Dienstagabend (Ortszeit) informiert, dass in der laufenden Woche keine weiteren Abstimmungen zu erwarten seien. Das geht unter anderem aus einer Rundmail der demokratischen Fraktion an die eigenen Abgeordneten hervor. Das US-Parlament ist durch das Drama vorerst komplett lahmgelegt. Bis ein Nachfolger von McCarthy gewählt ist, liegt alle restliche gesetzgeberische Arbeit auf Eis.
Mehrere republikanische Abgeordnete – darunter die McCarthy-Gegner Matt Gaetz und Bob Good – liessen am Dienstagabend nach einer fraktionsinternen Sitzung verlauten, wie es weitergeht. Demnach habe der kommissarische Vorsitzende der Kammer, der Republikaner Patrick McHenry, angekündigt, mögliche Nachfolgekandidaten würden ein paar Tage Zeit bekommen, um ihre Ambitionen öffentlich zu machen und in den eigenen Reihen um Stimmen zu werben. Am Dienstag in einer Woche sollen die Republikaner laut Gaetz und Good dann erneut zu einer internen Runde zusammenkommen, in der sich potenzielle Nachfolger vorstellen können. Erst danach solle im Plenum eine Wahl angesetzt werden. McHenry ist lediglich für formale Aufgaben vorübergehend eingesetzt, er füllt die Vorsitzenden-Rolle aber nicht politisch aus.
Wer der nächste Vorsitzende des Repräsentantenhauses werden könnte, ist unklar. McCarthy kündigte an, er werde nicht erneut für den Posten antreten. In einer extrem zersplitterten Fraktion ist generell unklar, wer genug Parteikollegen hinter sich vereinen kann. Mehrere Namen gehen um: darunter die bisherige republikanische Nummer zwei in der Kammer, Steve Scalise. Aber: Wie viele Wahlgänge nötig sein werden, ist völlig offen.
Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Du hast die Regel auf Druck der GOP selber ändern lassen, du Halbschuh.
MAGAs arbeiten mit den Demokraten zusammen um McCarthy abzusetzen, weil er mit den Demokraten zusammengearbeitet hat..
Zeit, dass die Reps sich weiter und weiter zerfleischen.
Es ist zu hoffen, dass der Move von Biden auf Newson gelingen möge und auf demokratischer Seite ein solides langjähriges Fundament gelegt wird.
So ist Trump und Gaetz nur noch ein Problem der Reps und die zerfallen weiter.