Frauen haben weltweit noch immer mit einer Reihe von Benachteiligungen, Problemen und Ungerechtigkeiten zu kämpfen. Laut der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung hat im Jahr 2021 noch immer kein Land der Welt Geschlechtergerechtigkeit erreicht.
Noch immer treten Frauen überall auf der Welt daher für ihre Rechte und Bedürfnisse ein: Sie wollen mehr Bildung, mehr Sicherheit, mehr Freiheit. Sie kämpfen gegen Gewalt und Unterdrückung, sie setzen sich für Selbstbestimmung und Beteiligung ein.
Aber mit welchen Problemen genau haben sie zu kämpfen und welche Forderungen stellen sie? Was sind die Themen, die Frauen weltweit gerade beschäftigen? Anlässlich des Frauentags hat watson einmal um den Globus geschaut.
Im deutschen Nachbarland trat vor einigen Wochen ein neues Abtreibungsrecht in Kraft. Das polnische Abtreibungsrecht galt schon vorher als eines der restriktivsten in Europa: Bisher war der Schwangerschaftsabbruch dort nur nach einer Vergewaltigung, bei Gefahr für Leben oder Gesundheit der Mutter und aufgrund einer schweren Schädigung des Fötus erlaubt. All diese Ausnahmen fallen nun weg. Jede Abtreibung steht damit in Polen unter Strafe.
Marta Górczyńska ist Anwältin für Menschenrechte. «Die Situation für Frauen in Polen ist gerade schlimmer als jemals zuvor», sagt sie gegenüber watson.
«Das Abtreibungsgesetz war schon immer eines der strengsten in Europa, aber jetzt sind Abtreibungen fast komplett verboten. Viele Frauen müssen für Abtreibungen ins Ausland fahren. Tausende sind deswegen zuletzt gegen das Abtreibungsgesetz auf die Strassen gegangen. Viele Frauen wurden brutal angegriffen, verhaftet und von der Polizei geschlagen. Die Regierung dachte wahrscheinlich, dass wir es während der Pandemie nicht wagen würden, zu demonstrieren. Aber wir zeigen, wie entschlossen Frauen sind, für ihre Rechte zu kämpfen», erzählt sie weiter.
Ein zusätzliches Problem sei, dass es keine gute Sexualaufklärung gebe und der Zugang zu Verhütungsmitteln sehr eingeschränkt sei. «Wenn man sieht, wer über das Abtreibungsgesetz entscheidet, sind das nur Männer. Ich möchte, dass die Regierung anfängt, uns Frauen zuzuhören und uns ernst zu nehmen. Wir müssen nicht alle die gleiche Meinung haben, aber wir müssen anfangen, uns zusammenzusetzen und ernsthaft über das Problem zu diskutieren», fordert sie.
Aljaksandr Lukaschenka ist seit 1994 der belarussische Präsident. Wegen seines quasi-autoritären Regierungsstils wird Lukaschenka immer wieder als «der letzte europäische Diktator» beschrieben. Genau das hat in den letzten Monaten zu den grössten Massenprotesten in der Geschichte des Landes geführt – die massgeblich von Frauen mitgetragen wurden.
Im August 2020 fanden in Belarus Wahlen statt, die allerdings von internationalen Beobachtern als manipuliert eingestuft wurden. Schon im Vorfeld hatte Lukaschenka aussichtsreiche Gegenkandidaten für die Wahl sperren oder verhaften lassen.
In einem Fall fand sich aber unerwarteter Ersatz: Nachdem ihr Ehemann als Kandidat von der Wahl ausgeschlossen und schliesslich festgenommen wurde, trat Swetlana Tichanowskaja an seiner Stelle an – und erfuhr grosse Unterstützung.
Veronika Zepkalo, die Ehefrau eines ebenfalls nicht zugelassenen Kandidaten, und Maria Kolesnikowa, Wahlkampfmitarbeiterin eines gesperrten Oppositionspolitikers, stellten sich hinter Tichanowskaja. Zu dritt wurden die Frauen die Gesichter des Widerstands gegen Lukaschenka.
Dass gerade drei Frauen den Widerstand anführen, dürfte Lukaschenka nicht gefallen haben. Der Präsident ist nämlich für sein sexistisches Weltbild bekannt: Frauen sollten am besten drei bis vier Kinder in die Welt setzen und ihre Bestimmung sei vor allem, «die Welt zu schmücken», verkündete Lukaschenka etwa.
Nach den Wahlen erklärte sich Lukaschenka trotz Gegenwind zum Sieger, woraufhin im gesamten Land Proteste ausbrachen. Nachdem es in den ersten Tagen immer wieder zu heftiger Gewalt gegenüber den Protestierenden kam, schlossen sich auch vermehrt Frauen den Protesten an: In weissen Kleidern und mit weissen Blumen in den Händen bildeten sie Menschenketten, als Zeichen gegen die Staatsgewalt.
Swetlana Tichanowskaja ist inzwischen ins Ausland geflohen. Den Widerstand gegen Machthaber Lukaschenko hat sie dennoch nicht aufgegeben: «Die Belarussen haben sich nicht ergeben und werden sich nicht ergeben», schrieb Tichanowskaja vor kurzem laut Redaktionsnetzwerk Deutschland in ihrem Telegram-Kanal. »Der Durst nach Freiheit ist nicht verschwunden."
Täglich werden in Mexiko Frauen Opfer eines Femizids. Sie werden also ermordet, weil sie Frauen sind. Und der Staat schaut untätig zu. Nur wenige Fälle werden juristisch verfolgt und Präsident Andrés Manuel López Obrador spielt die hohen Mordzahlen runter. Doch gerade die jüngeren Frauen nehmen das nicht mehr so einfach hin, die Wut wird immer grösser und die Proteste gegen brutale Frauenmorde und sexuelle Gewalt lauter.
Today the women of Mexico are fighting for our freedom, today we do not celebrate, we ask for protection 💜💜💜#8M2021 #InternationalWomensDay pic.twitter.com/H3Jn4kJSvF
— 𝙼𝚒𝚔𝚛𝚘𝚔𝚘𝚜𝚖𝚘⁷🍊 (@LYMagicshop23) March 8, 2021
Italy Ciani hat ein Buch über die Gewalt gegen Frauen in Mexiko geschrieben und arbeitete an einem Gesetz zu Femiziden in Mexiko Stadt mit. Sie sagt gegenüber watson: «In den vergangenen Jahren hat sich die Situation für Frauen in Mexiko an sich positiv entwickelt. Wir haben in vielen öffentlichen Bereichen Parität erreicht. Im Kongress und in vielen mexikanischen Staaten sind Frauen in wichtigen Positionen, bei denen es noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre. Bei der Frage der Geschlechtergerechtigkeit geht es aber nicht nur um Parität. Gerade was die Sicherheit von Frauen angeht, haben wir noch viel Arbeit vor uns.»
Die Gewalt gegen Frauen sei das grösste Problem. «Eine von vier Frauen hier hat irgendeine Art von Gewalt erlebt», sagt sie. Ciani erzählt, dass Frauen nicht unbesorgt auf die Strasse gehen können, nicht die Kleidung tragen können, die sie wollen.
«In der Berichterstattung wird den Frauen oft selbst die Schuld gegeben, wenn sie angegriffen werden – es heisst, dass sie durch ihre Kleidung sexuelle Übergriffe provozieren. Es gibt also insgesamt eine Normalisierung von Gewalt. Und das nicht nur auf sozialer Ebene und im Alltag, sondern auch in der Berichterstattung der Medien», sagt sie.
The National Palace in Mexico City, surrounded by protective barriers amidst protests. Now covered with the names of all murdered women. #NiUnaMenos pic.twitter.com/D92CLj3Td2
— Señorita Existencial (@mysticglorious) March 8, 2021
Und weiter: «Das Hauptproblem einer Frau in Mexiko ist genau das: eine Frau zu sein. Denn der Staat ist nicht dazu in der Lage, unser Leben und unser körperliches, sexuelles und emotionales Wohlbefinden zu garantieren.»
Was sie sich für die Zukunft wünscht? Dass die Regierung ihre Arbeit macht. «Die Daseinsberechtigung eines Staates beruht auf der Sicherheit seiner Bewohnerinnen und Bewohner. Und was ist, wenn er diese Aufgabe nicht erfüllt?» Es sei aber eine so wichtige Aufgabe, dass nicht alleine die Regierung sie übernehmen könne. «Wir als Gesellschaft müssen Verantwortung übernehmen und besonders wir Frauen müssen den Begriff 'Schwesternschaft' verinnerlichen.»
Indien ist das gefährlichste Land der Welt für Frauen – zu dieser Einschätzung kam im Jahr 2018 eine Studie der Reuters-Nachrichtenagentur, bei der weltweit über 500 Experten befragt wurden. Jeden Tag werden in Indien über 100 Vergewaltigungen angezeigt, immer wieder machen besonders grausame Übergriffe und eine mangelhafte Strafverfolgung Schlagzeilen.
Einer dieser grausamen Fälle ist die Vergewaltigung von Manisha Valmiki im vergangenen Herbst. Die 19-Jährige soll von vier Männern vergewaltigt und misshandelt worden sein. Bei dem Übergriff wurde unter anderem ihre Wirbelsäule gebrochen – 15 Tage später starb Valmiki im Krankenhaus an ihren Verletzungen.
Valmikis Fall steht dabei nicht nur für die Gewalt gegenüber indischen Frauen, sondern auch für eine in der indischen Gesellschaft verankerte Ungerechtigkeit: das Kastensystem, das Menschen bei ihrer Geburt in eine soziale Rangordnung teilt.
Eigentlich ist das Kastensystem in Indien offiziell abgeschafft, noch immer bestimmt es an vielen Stellen jedoch den Alltag im Land. Manisha Valmiki war eine sogenannte Dalit und gehörte damit der untersten Kaste an, den «Unberührbaren». Dalit-Frauen werden überdurchschnittlich häufig Opfer von sexueller Gewalt. Jeden Tag werden laut einer Statistik zehn Dalit-Frauen in Indien vergewaltigt. Dazu haben die Frauen und Mädchen aus der untersten Kaste gleichzeitig die geringsten Chancen, Zugang zu Gerechtigkeit zu erhalten.
Der Übergriff auf Manisha Valmiki löste daher eine landesweite Protestwelle aus – gegen Gewalt und insbesondere die Benachteiligung von Frauen durch das Kastensystem. Schilder mit Manisha Valmikis Namen wurden hochgehalten, der Hashtag #JusticeForManishaValmiki trendete auf Twitter.
Seitdem haben immer mehr Dalit-Aktivistinnen begonnen, über die von ihnen durchlebte Diskriminierung zu sprechen und sich gemeinsam in Gruppen zu organisieren. Die Organisation «Dalit Women Fight» etwa, unterstützt Dalit-Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, und bildet Aktivistinnen aus.
Im Global Gender Gap Report 2020 des Weltwirtschaftsforums, der die Situation von Frauen und Mädchen weltweit untersucht, belegt der Iran einen der letzten Plätze. Nur fünf Länder weltweit haben die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau nicht unterschrieben – und es ist auch offensichtlich, warum.
Im Iran gilt die Scharia, also islamisches Recht, das Frauen systematisch diskriminiert und unterdrückt. Frauen dürfen beispielsweise viele Berufe nicht ausüben, dürfen ohne Einwilligung ihres Mannes nicht verreisen und haben die Pflicht, ein Kopftuch zu tragen. Sie sind zudem zur sexuellen Verfügbarkeit in der Ehe verpflichtet, Vergewaltigungen und körperliche Gewalt gegenüber Frauen bleiben daher weitestgehend straffrei.
Shiva Mahbobi ist eine iranische Frauenrechtsaktivistin und Vorsitzende des Vereins «Free Political Prisoners In Iran (CFPPI)». Sie selbst wurde mit 16 Jahren im Iran aufgrund ihres Engagements verhaftet und verbrachte über drei Jahre im Gefängnis. Nach ihrer Entlassung machte Shiva weiter als Frauenrechtsaktivistin auf sich aufmerksam. Heute lebt sie in Grossbritannien, arbeitet als Therapeutin und engagiert sich weiterhin für die Rechte von Frauen im Iran.
Die Lage von Frauen im Iran beschreibt sie gegenüber watson so: «Seit 42 Jahren begeht das islamische Regime im Iran immer wieder Verbrechen gegen die Menschlichkeit und insbesondere gegen Frauen. Die Regierung nutzt jede Möglichkeit, um Frauen zu unterdrücken. Angriffe auf Frauenrechte werden durch das Regime legalisiert und legitimiert und immer wieder werden neue Gesetze verabschiedet, die Frauen kontrollieren und unterdrücken sollen.»
Aber die iranischen Frauen setzen sich seit Jahrzehnten für eine Liberalisierung ein, erklärt Shiva. "Trotz all dieser Hürden kämpfen Frauen im Iran seit 42 Jahren für ihre Rechte. Als das islamische Regime beispielsweise ein 1979 eine Kopftuch-Pflicht für Frauen einführte, gingen Millionen von Frauen am 8. März 1979 auf die Strasse, um dagegen zu protestieren.
Seitdem kämpfen Frauen und auch viele Männer, die sich dem Kampf für Gleichberechtigung angeschlossen haben, gegen das Regime. Wir haben weder Kopftuch noch die islamischen Gesetze akzeptiert. Frauen standen immer wieder in der ersten Reihe bei Protesten gegen das Regime, sei es bei den Demonstrationen gegen gefälschte Wahlen im Sommer 2009 oder gegen die Benzinpreiserhöhung um 50 Prozent im Herbst 2019.
Trotz des immensen Drucks, trotz Verhaftungen, Folter und Hinrichtungen haben die iranischen Frauen weiterhin ihre sozialen und politischen Forderungen immer aufs Neue wiederholt. Die Bewegung für Frauenrechte im Iran bleibt stark."
Eine Szene nimmt sie als besonders prägend für die iranische Frauenrechtsbewegung wahr: Im Dezember 2017 versammelten sich Frauen im Iran, um erneut gegen die Kopftuchpflicht zu protestieren. Eine Frau stellte sich dabei mitten auf einer Strasse in Teheran auf eine Werkzeugkiste und nahm ihr Kopftuch ab. Sie knotete es an einen Stock und winkte damit der Menge zu – ein Zeichen ihres Protests gegen die islamische Kleidervorschrift.
Viele Frauen wurden von ihr inspiriert: Mehrere dutzend Frauen taten es ihr in verschiedenen Städten gleich und nahmen ihre Tücher ab. Daraufhin wurden über 35 Frauen verhaftet und viele von Sicherheitskräften angegriffen, weil sie an den Protesten gegen den Kopftuchzwang teilnahmen.
Momentan sitzen im Iran mehrere 1000 Aktivisten in Haft und werden gefoltert, darunter auch viele Frauenrechts-Aktivistinnen. Einige von ihnen wurden sogar hingerichtet. Es ist nicht möglich, die Unterdrückung der Frauen im Iran zu beenden, ohne das islamische Regime dort zu stürzen. Die Menschen dort kämpfen seit Jahren gegen die Regierung an und werden nicht aufhören, bis das Regime endlich geschlagen ist.
Ich finde, es ist an der Zeit für die Menschen in Deutschland und ganz Europa, die iranischen Frauen bei diesem Kampf zu unterstützen und ihre Regierungen dazu zu zwingen, den Iran politisch zu boykottieren. Denn dieses Regime begeht seit 42 Jahren Verbrechen gegen die Menschlichkeit und unterdrückt Millionen von Frauen und Mädchen."
Was mir ein wenig fehlt ist die Erwähnung des "Machismo", also das fast weltweit geltende "übersteigerte Gefühl männlicher Überlegenheit und Vitalität".
Wenigstens hält man langsam, ganz langsam etwas entgegen, indem man inzwischen hohe Strafen androht und auch sehr langsam auch umsetzt (z.B. Indien, Lateinamerika).
Bezüglich Machismo darf man hier ebenso die Augen offen halten und gewissen Typen halt mal "ausreden", dass Frauen Freiwild seien und sowieso nichts zu melden haben.