Bleibt die Welt bei den aktuellen Bemühungen um eine Gleichstellung der Geschlechter, wird es über hundert Jahre dauern, bis diese vollständig erreicht ist. Zu diesem Schluss kommt der Global Gender Gap Report, der jährlich vom World Economic Forum (WEF) durchgeführt wird.
Am heutigen 8. März soll auf Umstände wie diese hingewiesen werden – aber nicht nur. Was wir genau feiern, warum und wie der 8. März vor über 100 Jahren als Weltfrauentag festgelegt wurde, erfahrt ihr hier:
Gemäss dem zitierten Global Gender Gap Report ist der globale sogenannte Gender Gap (Lücke der Geschlechter) derzeit zu 68 Prozent geschlossen – bei 100 Prozent wäre eine Gleichstellung erreicht.
UNO-Generalsekretär António Guterres befürchtet sogar, dieses Bestreben könnte noch über 300 Jahre andauern. Guterres warnte kurz vor dem Weltfrauentag, die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern rücke «derzeit in immer weitere Ferne».
«Die über Jahrzehnte erzielten Fortschritte verschwinden vor unseren Augen», sagte der UNO-Generalsekretär 2023 in einer Rede anlässlich des Weltfrauentags. Wir befänden uns in einer Zeit, in der «das Patriarchat zurückschlägt»; Frauenrechte würden auf der ganzen Welt «geschmäht, bedroht und verletzt».
Tatsächlich hat der Graben zwischen den Geschlechtern insbesondere durch die Coronapandemie wieder massiv zugenommen. Das bestätigt auch das WEF in seinen jährlichen Berichten. Aber nicht nur die Pandemie, auch autoritäre Tendenzen – Stichwort Afghanistan oder Iran – sowie Konflikte schaden der globalen Gleichstellung; die Müttersterblichkeit nimmt wieder zu und Frauen werden erneut von Bildung ferngehalten. Guterres sagt: «Von der Ukraine bis zum Sahel sind Frauen und Mädchen durch Krisen und Konflikte zuerst und am schlimmsten betroffen.»
Der Internationale Frauentag wird seit über hundert Jahren in vielen Ländern der Welt zelebriert. Die Vereinten Nationen beschreiben den Tag so:
Weltweit schliessen sich Gruppen und Einzelpersonen zusammen, um die Förderung von Frauen zu feiern und zu unterstützen. Jedes Jahr am 8. März nehmen sie den Tag zum Anlass, um ...
Der erste nationale Frauentag wurde in den USA ins Leben gerufen – am 28. Februar 1909. Die Sozialistische Partei (Socialist Party of America) bestimmte diesen Tag zu Ehren eines Streiks von Näherinnen in New York ein Jahr zuvor. Die Frauen hatten gegen die Arbeitsbedingungen protestiert.
Der Tag wurde als Erfolg gefeiert, vor allem weil sich auch bürgerliche Frauenrechtlerinnen (Suffragetten) den Sozialistinnen anschlossen. Die Proteste inspirierten in Übersee die deutsche Sozialistin Clara Zetkin, die im Jahr darauf auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen die Einführung eines internationalen Frauentages vorschlug.
1911 wurde als Folge in einer Reihe von europäischen Ländern, auch in der Schweiz, ein Tag für Frauen gefeiert. Zunächst aber am 19. März, um der Revolutionen von 1848 zu gedenken. Neben dem Wahlrecht und dem Recht, öffentliche Ämter zu bekleiden, forderten die Frauen das Recht auf Arbeit, auf Berufsausbildung und ein Ende der Diskriminierung am Arbeitsplatz.
Der Internationale Frauentag wurde aber auch zu einem Mittel des Protests gegen den Ersten Weltkrieg. 1917 begingen als Teil der Friedensbewegung russische Frauen am letzten Sonntag im Februar ihren ersten Internationalen Frauentag. Weil aber in Russland damals noch der Julianische Kalender galt, fiel dieser 23. Februar im restlichen Europa auf den 8. März.
Vor dem Hintergrund des Krieges und der über zwei Millionen Toten entschieden sich die Frauen in Russland am letzten Sonntag im Februar (nach dem Gregorianischen Kalender der 8. März) für Proteste und Streiks – für «Brot und Frieden». Vier Tage später dankte der Zar ab und die provisorische Regierung gewährte den Frauen das Wahlrecht. Der Tag löste also unter anderem die Februarrevolution in Russland aus – und besiegelte den 8. März als internationalen Tag der Frau.
In anderen europäischen Ländern fanden um den 8. März des folgenden Jahres dann ebenfalls Kundgebungen statt, um gegen den Krieg zu protestieren oder die Solidarität mit den russischen Aktivistinnen und Aktivisten zu bekunden.
In einigen Ländern ist der internationale Frauentag sogar ein offizieller Feiertag. Dazu gehören gemäss der Plattform internationalwomensday.com: Armenien, Belarus, Burkina Faso, Kambodscha, China (nur für Frauen in Staatsbetrieben), Kuba, Eritrea, Kasachstan, Kirgistan, Laos, Madagaskar (nur für Frauen), Mongolei, Nepal (nur für Frauen), Russland, Tadschikistan, Uganda, Ukraine, Vietnam und Sambia. 2019 führte das deutsche Bundesland Berlin – als erste Verwaltungseinheit in der EU – den 8. März als gesetzlichen Feiertag ein. Mittlerweile hat auch Mecklenburg-Vorpommern nachgezogen.
Viele Gruppen seien allerdings der Meinung, dass der 8. März kein gesetzlicher Feiertag sein soll, so internationalwomensday.com. Die Idee: Der Weltfrauentag sei ein Tag des Aktivismus. So biete er eine wesentliche und vor allem sichtbare Gelegenheit, etwas zu bewirken.
Unabhängig davon, ob der Tag ein offizieller Feiertag ist oder nicht, wird der 8. März weltweit unterschiedlich gefeiert. Einige Beispiele:
Umgekehrt können insbesondere Frauen und Kinder vom Krieg flüchten, währendem die Männer dort bleiben und kämpfen müssen…
Hört niemand gern, ist aber so…
Aber so, wie sich die Situation aktuell darstellt, müssten wir die Frauen in der westlichen Welt massiv übervorteilen, wenn wir - im Durchschnitt gerechnet - weltweit eine Gleichstellung suggerieren möchten.
Mit anderen Worten. Wenn wir über die Gleichstellung der Frauen in der Schweiz sprechen, ist das ein völlig anderes Thema als wenn wir das Gleiche weltweit tun. Aber wirklich völlig anders!