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Politische Krise in Nordirland: Neuwahl soll Patt lösen

Leader of the Democratic Unionist Party Jeffrey Donaldson speaks to party delegates during the DUP party conference in Belfast on Saturday, Oct. 8, 2022, as members met for its first annual conference ...
Jeffrey Donaldson, Chef der Democratic Unionist Party DUP.Bild: keystone

Politische Krise in Nordirland: Neuwahl soll Patt lösen

28.10.2022, 10:18
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Weil sich die beiden wichtigsten Parteien bis Freitag nicht in der vorgegebenen Zeit auf eine Einheitsregierung einigen konnten, steuert die britische Provinz nun auf die zweite Wahl innerhalb eines Jahres zu. Die britische Zentralregierung dürfte noch an diesem Freitag eine baldige Neuwahl ankündigen; als möglicher Termin gilt der 15. Dezember.

Doch Experten sind überzeugt, dass auch die nächste Abstimmung nicht zu einer Lösung führen wird. Vielmehr wird in Belfast erwartet, dass sich die Fronten verhärten. Der früheren Bürgerkriegsprovinz droht ein Teufelskreis. Im kleinsten Landesteil des Vereinigten Königreichs mit gut 1.9 Millionen Einwohnern geht es um Religion, Demografie und die Rolle zwischen Grossbritannien und Irland.

Auslöser für das Patt ist die Weigerung der protestantischen Partei DUP, in eine Regierung mit der katholischen Sinn Fein einzutreten, die bei der Wahl im Mai die meisten Stimmen erhalten hatte. Eine solche Einheitsregierung beider Lager ist durch das Karfreitagsabkommen von 1998 vorgeschrieben, das den Bürgerkrieg beendet hatte. Zuvor hatten sich Katholiken, die für eine Wiedervereinigung mit Irland eintreten, und Protestanten - meistens Anhänger der Union mit Grossbritannien - jahrzehntelang bekämpft.

Demografie macht Lage schwieriger

Auch knapp 25 Jahre nach dem Friedensschluss verlaufen die politischen Fronten entlang konfessioneller Grenzen. Dass in der einst protestantisch dominierten Provinz mittlerweile mehr Katholiken leben, macht die Lage noch diffiziler. Nun fürchten Unionisten wie die DUP, dass die Demografie eine Abspaltung von Grossbritannien und eine Vereinigung mit Irland fördert.

Als Bedingung für ihren Einstieg in die Regierung fordert die DUP, dass Sonderregeln für Nordirland gekippt werden, auf die sich London und Brüssel im Zuge des Brexits geeinigt hatten. Mit der Regelung soll eine harte Grenze zum EU-Mitglied Irland vermieden werden. Doch damit ist zugleich eine Zollgrenze zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs entstanden, samt Problemen im Handel.

«Die öffentlichen Haushalte zur Unterstützung der Bevölkerung sind eingefroren, weil die DUP die lokale Regierung blockiert.»
Anna Cavazzini, Europaabgeordnete

Dass alle anderen Parteien in Nordirland, aber auch die Regierung von Nachbarland Irland und mittlerweile selbst die britische Zentralregierung sie zum Einlenken auffordern, ficht die DUP nicht an. Es sei Wille seiner Wähler, das sogenannte Nordirland-Protokoll zu beerdigen, sagte Parteichef Jeffrey Donaldson.

Nordirland-Protokoll unbeliebt

Kritiker werfen der DUP vor, die Provinz in Geiselhaft zu nehmen. «Die öffentlichen Haushalte zur Unterstützung der Bevölkerung sind eingefroren, weil die DUP die lokale Regierung blockiert», sagte die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini, Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im Europaparlament.

Erschwerend hinzu kommt, dass London das international bindende Nordirland-Protokoll am liebsten aufheben würde. Auch die EU hat eingeräumt, dass die Regelung, die eine Umgehung der EU-Zollgrenze verhindern soll, zu Schwierigkeiten im Alltag geführt hat. So können manche Lebensmittel nicht mehr zollfrei von Grossbritannien nach Nordirland exportiert werden. Doch bei einer Lösung sind Grossbritannien und die EU noch weit auseinander. Dass im britischen Parlament ein Gesetz vorliegt, mit dem London das Abkommen einseitig kündigen könnte, macht die Sache nicht besser.

Manche Experten weisen bereits auf einen letzten Ausweg hin. Rechtlich gesehen könnte Nordirland direkt aus London regiert werden, ohne eine lokale Exekutive zu bilden. Doch ein solcher Schritt riskiert neue Spannungen und womöglich neue Gewalt: Für die Nationalisten käme dies einer feindlichen Übernahme gleich. (cpfsda/dpa)

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