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Ex-Berater John Bolton: «Putin sieht in Trump ein leichtes Ziel»

June 17, 2020, Washington, District of Columbia, USA: FILE PHOTO: The Justice Department filed a federal lawsuit against John Bolton on Tuesday in an attempt to block the publication and sale of his n ...
Skeptischer Blick: Im Juli 2019 war das Tuch zwischen Donald Trump und John Bolton (rechts) bereits zerschnitten.Bild: www.imago-images.de
Interview

«Putin sieht in Trump ein leichtes Ziel» – sagt sein Ex-Berater John Bolton im Interview

Spitzendiplomat John Bolton beriet den damaligen Präsidenten Trump in Sicherheitsfragen. Jetzt sagt er, was ein Comeback des Republikaners im Weissen Haus für die Ukraine, den Nahost-Konflikt und die Schweizer Neutralität bedeuten würde.
30.09.2024, 09:46
Stefan Brändle und Patrik Müller / ch media
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Sie arbeiteten 2018 und 2019 eng mit US-Präsident Donald Trump zusammen und bestimmten seine aussenpolitischen Entscheidungen mit. Das endete nicht gut. Warum?
John Bolton: Als ich den Posten des Nationalen Sicherheitsberaters annahm, glaubte ich, dass sich Trump durch das Gewicht seiner Verantwortung und die Schwere der Entscheidungen disziplinieren würde. So wie jeder andere amerikanische Präsident lernen musste, dass nationale Sicherheit ein durchdachtes Vorgehen erfordert. Mir wurde aber recht schnell klar, dass es Trump ziemlich egal war, etwas zu lernen.​

Weil er nach seinem Selbstverständnis schon alles weiss?
Er glaubte, dass es genügte, gute persönliche Beziehungen zu Amtskollegen wie Wladimir Putin zu pflegen. Dann, so bildete er sich ein, wären auch die Beziehungen zwischen den beiden Ländern gut. Trump dachte nicht in politischen Dimensionen, sondern stellte nur eine Frage: Kommt es Trump zugute? Deshalb habe ich im September 2019 meinen Rücktritt eingereicht.

Was war der wichtigste Streitpunkt mit Trump?
Da gab es viele. Ein Problem war der Umgang mit Nordkorea. Die USA liefen Gefahr, Kim Jong-un bezüglich des Nuklearproblems grosse Zugeständnisse zu machen. Denn Trump wollte unbedingt einen «Deal», schliesslich hat er ja ein Buch geschrieben: «The Art of the Deal». Das zweite Problem war Afghanistan und das Abkommen mit den Taliban. Trump initiierte es und begann mit der Umsetzung; Biden setzte dann den Truppenabzug schlecht um.​

Die USA erleben eine dramatische Wahlkampagne, mit Schiessereien und einem Kandidatenwechsel. Wer profitiert?
Ich glaube, das alles hilft eher Donald Trump, weil er in Pennsylvania buchstäblich nur einen Zentimeter davon entfernt war, sein Leben zu verlieren. Zwischen Kennedys Ermordung 1963 und dem Anschlag auf Ronald Reagan 1981 hatte es eine Reihe von Angriffen gegeben. Gerald Ford wurde zweimal beschossen, George Wallace wurde angeschossen, Robert F. Kennedy wurde ermordet, Martin Luther King wurde ermordet. Es war eine gefährliche Zeit. Ich denke, die Leute sind jetzt zu Recht besorgt.

Nach dem Attentat schien es einige Tage, Trump würde versöhnlicher. Bald fiel er aber wieder in die alte, aggressive Rhetorik zurück. Warum?
Man könnte denken, dass jemand, der nur knapp mit dem Leben davongekommen ist, sich selber reflektiert. Aber Trump ist nicht so. Ihn interessiert nur etwas: Was nützt mir? Trump ist zutiefst überzeugt, dass er davon profitiert, wenn er sich als Opfer inszeniert, als Ziel von finsteren Mächten.​

John Bolton
Das Interview von CH Media mit John Bolton wurde über Zoom geführt. Im Hintergrund sieht man Ernennungsurkunden, die Bolton im Laufe seiner Karriere seit der Reagan-Regierung erhalten hat.Bild: chmedia/zoom

Sind die USA bereit für eine weibliche Präsidentin?
Das Geschlecht ist kein entscheidender Faktor. Schon 2016 waren die Leute bereit für eine Frau. Aber sie waren nicht bereit für Hillary Clinton, weil sie die nicht mochten.​

Sind sie bereit für Kamala Harris?
Schwer zu sagen. Diese Wahlkampagne ist beispiellos, weil Biden sehr spät zurückgetreten ist und Harris die Nominierung ohne einen innerparteilichen Wettbewerb erhielt. Was klar ist: Harris weckt nicht dieselbe Feindseligkeit und Abneigung wie Hillary.​

Unter normalen Umständen hätte Harris als relativ weit links stehende Kandidatin – eine San-Francisco-Demokratin – wohl keine Chance. Aber die Abneigung gegen Trump ist bei mindestens 50 Prozent sehr stark.
In normalen Zeiten würde wahrscheinlich jeder andere Republikaner gegen Harris mit grossem Vorsprung gewinnen. Aber Trump ist Trump. Deshalb ist die Wahl so knapp wie kaum eine davor.

Was ist das Wichtigste, das der Präsident oder die Präsidentin tun sollte?
Die Defizite senken! Das ist enorm schwierig, weil die USA gleichzeitig ihr Verteidigungsbudget wieder auf Reagan-Niveau anheben müssen, also von zurzeit 3 Prozent auf 5 bis 6 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Die schlechte Nachricht für Europa ist, dass auch diese Länder ihre Ausgaben verdoppeln müssen.

Weil die Amerikaner nicht mehr für die Nato zahlen?
Die Europäer müssen mehr in die Verteidigung investieren und mehr für sich selber schauen. Ich denke, es ist keine leere Drohung von Trump, dass er aus der Nato austreten will. Er meint es ernst. Ich war 2018 mit ihm auf dem Nato-Gipfel in Brüssel, und er war sehr nah dran, das zu tun.

Hat die Neutralität, wie sie die Schweiz hochhält, in dieser polarisierten Welt noch eine Zukunft?
Ich glaube nicht. Finnland und Schweden kamen nach mehr als 75 Jahren Neutralität zu dem Schluss, dass der einzige sichere Ort hinter der Nato-Grenze liegt. Die Schweiz meint vielleicht, sie werde automatisch mit verteidigt, wenn der Rest Europas verteidigt wird. Aber sicher ist das nicht. Die Trittbrettfahrer müssen absteigen und sich aktiv einbringen, in der Nato.​

Wie würde Trumps Vorgehensweise den Krieg in der Ukraine beeinflussen, falls er ins Weisse Haus zurückkehrt?
Auf einer Kundgebung hat er gesagt, dass die Russen in einem Krieg stets gewinnen, sie hätten ja auch die Nazis und Napoleon besiegt. Das impliziert natürlich, dass die Ukraine unweigerlich verlieren muss. Trump sagte auch, das Land sei zerstört und es würde Hunderte von Jahren dauern, die Ukraine wieder aufzubauen. Ein Treffen mit Präsident Selenskyj hat er zuerst abgesagt, weil dieser den Vorschlag von Trumps Vize J.D. Vance zur Beendigung des Krieges als zu radikal bezeichnet hatte.

Gemäss diesem Vorschlag würde die Ukraine viel Territorium verlieren.
Ja, gemäss Vance würden die Russen alle annektierten Gebiete behalten. Es gäbe eine demilitarisierte Zone und die Ukraine würde der Nato fernbleiben. Das ist im Wesentlichen auch Putins Position. Ein Wahlsieg Trumps wäre eine sehr schlechte Nachricht für die Ukraine.​

Was führt Putin zurzeit im Schild?
Ich denke, er spielt nur noch auf Zeit. Er wartet ab, wie die US-Wahl ausgeht, und wenn Trump Präsident wird, ist er in einer sehr guten Position.​

President Donald Trump, left, shakes hands with national security adviser John Bolton in the Cabinet Room of the White House in Washington, Monday, April 9, 2018, at the start of a meeting with milita ...
Da stimmte die Chemie noch: Donald Trump mit John Bolton im April 2018, als es um Sanktionen gegen Syrien ging.Bild: AP/AP

Wie würden Sie Trumps Haltung gegenüber Putin umschreiben? Sympathie? Faszination?
Ich bin kein Psychologe, aber Trump bewundert offensichtlich autoritäre Führer wie Xi Jinping, Kim Jong-un und eben Putin. Er denkt, dass sie «starke Kerle» sind und dass er sich mit ihnen gut versteht. Bloss sehen diese Männer ihrerseits in Trump ein sehr leichtes Ziel.​

Im Nahen Osten haben die Spannungen jüngst zugenommen. Wie ordnen Sie die Entwicklung langfristig ein?
Das übergeordnete Problem ist der Iran. Die Europäer verstehen nicht, dass die Produktion iranischer Atomwaffen nicht nur Israel bedroht, sondern auch Europa. Denn der Iran hat zwar keine Interkontinentalraketen, aber vielleicht mehr als tausend Mittelstreckenraketen, die international verboten sind. Und er baut mit terroristischen Stellvertretergruppen wie den Huthi in Jemen, der Hamas oder der Hisbollah im Libanon einen «Ring des Feuers» auf. Dieser bedroht Israel, aber auch die Golfstaaten. Das ist der Kern des Konfliktes.

Sein neuer Höhepunkt ist die Tötung des Hisbollah-Chefs Nasrallah. Wie weiter?
Nasrallahs Tod wird die Ayatollahs in Teheran nur noch nervöser machen. Sie haben Angst, dass sich Benjamin Netanyahu (der israelische Ministerpräsident, die Red.) über die Warnrufe seiner westlichen Verbündeten hinwegsetzt. Genau das muss Israel aber tun. Auch wenn die Zukunft im Nahen Osten düster ist, ist es zu begrüssen, dass Israel entschlossen scheint, sich zu verteidigen. Es hat gar keine Wahl: Die Hisbollah im Südlibanon bedroht Israel stärker als die Hamas. Sie verfügt laut CIA über 150'000 Raketen. Bevor man über eine Zukunft in Frieden und Sicherheit für Israel nachdenkt, muss sich jemand um die Hisbollah kümmern.​

Würde die US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris die Unterstützung für Israel reduzieren, wenn sie gewinnt?
Harris hat wenig Erfahrung mit der nationalen Sicherheit, was Vorhersagen erschwert. Aber sie wäre Israel gegenüber negativer eingestellt als Biden. Die Tatsache, dass sie Josh Shapiro, den jüdischen Gouverneur von Pennsylvania, nicht als ihren Vize auswählte, spricht Bände. Sie befürchtete wohl, Wähler zu verlieren, wenn sie einen Juden auf das Ticket setzt. Das ist ein ziemlich entmutigender Gedanke.

Hat die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem in den Trump-Jahren zur aktuellen Instabilität beigetragen?
Nein, wir hätten das schon viel früher tun sollen! Die neue Botschaft liegt auf der westlichen Seite der Grünen Linie, also ausserhalb eines allfälligen palästinensischen Staates. Trotzdem haben wir mit den Golfstaaten die Abraham-Abkommen erreicht, weil diese Länder gemerkt haben, dass die Bedrohung vom Iran kommt.​

Wie müsste man sich die Beziehung zwischen Harris und Netanyahu vorstellen?
Schwer zu sagen. Wobei: Trump mag Netanyahu auch nicht, weil dieser mehr Publicity für sich bekommt. Das kann Trump nicht ausstehen.​

Während Ihrer Zeit in der Trump-Administration hat sich das Verhältnis USA-China verschlechtert, mit Zöllen und Handelskriegen. Wie würde es sich unter Harris entwickeln?
Auch das ist nicht einfach abzusehen, weil Harris wenig Profil in Fragen der nationalen Sicherheit hat. Sie diente im Geheimdienstausschuss des Senats, nahm an den Sitzungen des Nationalen Sicherheitsrats teil, wo sie von Bidens Beratern und Leuten umgeben war. Generell würde sich ihre Aussenpolitik im ersten Jahr ihrer Präsidentschaft stark an derjenigen Bidens orientieren.

Auch gegenüber China?
Tatsache ist, dass Biden törichterweise einen Klimadeal mit China anstrebte, den er natürlich nicht bekommen hat. Die Chinesen haben geistiges Eigentum aus Europa, Japan und den USA gestohlen und sie dann zu niedrigeren Kosten auf unseren Märkten verkauft. Sie missbrauchen das internationale Handelssystem, gilt doch China immer noch als «Entwicklungsland» in der Welthandelsorganisation (WTO). Das ist lächerlich.​

China ist zu Unrecht als Entwicklungsland eingestuft?
Ja, völlig. Peking rüstet seine Unternehmen für staatliche Zwecke auf. Huawei und ZTE sind nicht wirklich Telekommunikationsunternehmen, sondern Arme des chinesischen Staates. Ihr Ziel ist es, die Kontrolle über die 5G-Verbindungen zu erhalten und Informationen abzusaugen. Im Westen waren wir alle naiv gegenüber China. Während der Ära von Deng Xiaoping hiess es, China werde von marxistischen zu marktwirtschaftlichen Prinzipien übergehen. Das Gegenteil ist eingetreten. Wir haben zurzeit die autoritärste Regierung seit Mao Zedong.​

Schlussfrage. Sie sind kein Demokrat, aber auch kein Trump-Republikaner. Wen werden Sie wählen?
Ich lebe in Maryland, wo es erlaubt ist, alle Kandidaten einzutragen. 2020 habe ich Dick Cheney, den ehemaligen Vizepräsidenten, gewählt, weil ich für einen konservativen Republikaner stimmen wollte. Jetzt aber unterstützt seine Tochter Liz Cheney die Demokratin Harris … Vielleicht stimme ich diesmal aus Protest für Ronald Reagan.​

Zur Person: Das ist John Bolton
John Bolton, 76, war von April 2018 bis September 2019 Nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump. Nach gut einem Jahr in Trumps Diensten trat der konservative Politiker und Diplomat aus Baltimore spektakulär von seinem Posten zurück. In dem Buch «The Room Where It Happened» («Der Raum, in dem alles geschah») beschrieb er später den amateurhaften und unberechenbaren Umgang seines Vorgesetzten mit internationalen Themen von grösster Tragweite. Früher den Neokonservativen zugerechnet, vertritt Bolton heute eher eine klassisch republikanische Linie im Stil von George W. Bush, für den er von 2005 bis 2006 UN-Botschafter gewesen war. Bei seinem Interview aus seinem Büro in Washington mit CH Media war seine Verachtung für den mehr an seiner Person als an seinem Land interessierten Trump zu spüren. Deshalb für Kamala Harris zu stimmen, bringt der viel reisende Diplomat aber nicht über sich. Zum Schluss des auf die Minute festgelegten Interviewtermins sagte Bolton, er kenne die Schweiz sehr gut, auch wenn er noch nie nach Davos eingeladen worden sei. Das liesse sich im Zuge der US-Wahlen vielleicht nachholen. (brä.) (aargauerzeitung.ch)
ARCHIV - John Bolton, damaliger nationaler Sicherheitsberater der USA, im Sommer 2019. Foto: Patrick Semansky/AP/dpa
Bild: sda
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40 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Fernrohr
30.09.2024 10:01registriert Januar 2019
Bolton ist zwar eine unerträgliche Kriegsgurgel, zugleich aber ein brillianter Analyst. Seinen Argumenten kann man Folgen, seinen Vorschlägen zur Lösung eines Problems aber, eher nicht.
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Allgood
30.09.2024 10:12registriert Juli 2016
Selbst Bolton bestätigt indirekt, dass Trump ein krankhafter Narzisst ist, indem er lauter typische Symptome nennt:
- Trump interessiert bei einem Thema nur, wie es Trump hilft
- Trump mag nicht, wenn jemand anderes im Mittelpunkt steht und
- Trump stellt sich immer als Opfer dar.

Wäre eigentlich Zeit, dass die Demokraten sich einen guten Psychotherapeuten ins Wahlkampfteam holen, um das noch gezielter auszunutzen! (Haben sie vielleicht schon getan zugegebenermassen)
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Gina3
30.09.2024 10:00registriert September 2023
„ Ich bin kein Psychologe, aber Trump bewundert offensichtlich autoritäre Führer wie Xi Jinping, Kim Jong-un und eben Putin. Er denkt, dass sie «starke Kerle» sind und dass er sich mit ihnen gut versteht. Bloss sehen diese Männer ihrerseits in Trump ein sehr leichtes Ziel.​“

Sehr euphemistisch ausgedrückt.
Ich würde sagen, dass diese Despoten in Trump... einen perfekt manipulierbaren Schwachkopf sehen.

Diejenigen, deren einziges Projekt lautet: "Was gewinne ICH dabei?“ ist weder weitblickend noch strategisch sehr fit
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