Der Ukraine wurden von westlichen Ländern einige leichte und schwere Panzer versprochen: Bradley, Marder, AMX 10, Challenger, Leopard 2. Sind diese Panzer für den gefrorenen Boden in der Ukraine geeignet?
Alexandre Vautravers: Mit Ausnahme des leichten französischen Radpanzers AMX 10 sind alle anderen Panzer Kettenpanzer und können nicht nur auf gefrorenem, sondern auch auf lockerem, d. h. nachgiebigem Boden eingesetzt werden. Die schwersten dieser Panzer, nämlich der Challenger und der Leopard 2, wiegen 65-70 Tonnen bzw. 56-60 Tonnen.
Ist ein sehr hohes Gewicht bei winterlichen Bedingungen nicht ein Nachteil?
Nein. Das Gewicht der Panzer wird über die gesamte Oberfläche der Raupe verteilt. Dadurch ist der spezifische Bodendruck selbst bei den schwersten Panzern sehr gering. Er ist vergleichbar mit dem Gewicht eines Menschen. Der Einsatz von Raupenpanzern ist daher für gefrorenen oder schneebedeckten Boden geeignet. Hierzu müssen vorab sogenannte «Schneesteigeisen» montiert werden. Der Leopard 2 zum Beispiel, ein Panzer, den ich gut kenne, kann auf einem Boden mit 1,20 m Schnee fahren oder einen Fluss mit der gleichen Wasserhöhe durchwaten.
Einige Internetnutzer weisen darauf hin, dass die Brücken in der Ukraine, die unter sowjetischer Herrschaft gebaut wurden, nicht für die schwersten Panzer ausgelegt sind. Wie sieht es aus?
Das ist eine Fehlinformation, denn die Infrastrukturen sind so ausgelegt, dass sie mehreren 40-Tonnen-Lastwagen standhalten können. Sie halten also dem zwei- bis dreifachen des in Friedenszeiten zulässigen Höchstgewichts stand. Die ruckelfreie Überfahrt eines Raupenpanzers ohne Richtungswechsel in Kriegszeiten stellt kein Problem dar. Die Schweizer Armee wie auch andere Armeen (Spanien, Schweden, Finnland) haben übrigens lange Zeit Brückenlegepanzer der älteren Generation eingesetzt, die nur 40 Tonnen tragen können, und das ohne Probleme.
Wie steht es um die Wirksamkeit von Radpanzern?
Sie haben zwar ein geringeres Gewicht, zwischen 15 und 30 Tonnen, aber der Druck wird auf nur 6 oder 8 Räder verteilt, sodass sie im Schnee genauso einsinken wie in schlammigem Boden. Im Gelände müssen übrigens Ketten montiert werden.
Voilà à quoi ressemble l'AMX-10-RC que les Français ont transmis pic.twitter.com/bQKvqLNlIo
— buckler🇫🇷🇪🇺🇺🇦 #NAFO (@bucklerbuckler1) January 4, 2023
Für welchen Boden ist der AMX 10 geeignet?
Es ist für das Fahren auf Strassen konzipiert. Der grosse Vorteil eines gepanzerten Fahrzeugs auf Rädern ist, dass es schnell fahren kann, bis zu über 80 km/h, was schneller ist als Kettenfahrzeuge. Ein weiterer Vorteil ist der Treibstoffverbrauch. Radpanzer können Hunderte von Kilometern zurücklegen, ohne betankt werden zu müssen. Sobald sie jedoch auf Hindernisse wie Granatlöcher oder Schutt stossen, müssen sie wie ein Geländewagen im Schritttempo fahren, was ihre Einsatzmöglichkeiten stark einschränkt. Sie sind nicht in der Lage, sich auf der Stelle zu drehen und Hindernisse oder grosse Steigungen zu überwinden. In städtischen Gebieten ist ihr Einsatz daher sehr begrenzt.
Können all diese Panzer, wenn sie an die Ukraine geliefert werden, vor Ort einen Unterschied machen?
Es kommt darauf an, wie sie eingesetzt werden. Es sind zwei Fälle denkbar. Der erste Fall bezieht sich auf die Art und Weise, wie die Ukrainer im Sommer 2022 Artilleriesysteme einsetzten, die sie aus dem Westen erhalten hatten. Zu diesem Zeitpunkt standen sie so unter Druck, dass sie diese Artillerie sofort an die Front schicken mussten. Das bedeutet, dass dieses moderne und leistungsfähige Material in kleinen Mengen an der Front verteilt wurde. Wenn man wieder so vorgeht, wird man taktische Einsätze gewinnen, die punktuell den Unterschied ausmachen. Dies ist jedoch nicht das, was die Ukraine derzeit anstrebt.
Was will sie?
Seit August ist die Ukraine zu einem anderen strategischen Konzept übergegangen, das darin besteht, Bataillone oder Brigaden aus homogenem Material zu bilden. Als Beispiel nenne ich 30 slowenische Kampfpanzer, die an die Ukraine geliefert wurden. Diese Panzer werden am selben Ort zusammengeführt, mit Besatzungen aus derselben Einheit zusammengestellt und ausgebildet, bevor sie an die Front geschickt werden. Wenn man jetzt nach derselben Logik deutsche, britische und französische Panzer hinzufügt, kann man durch die Schaffung eines Masseneffekts grössere Erfolge erwarten, als sie die Ukraine im letzten Sommer erzielt hat. Schon allein deshalb, weil Russland gegen Challenger- und Leopard-2-Panzer derzeit keine gleichwertigen Kapazitäten hat.
Westliche Panzer werden sich jedoch der russischen Artillerie aussetzen...
Sowohl die russische als auch die ukrainische Artillerie waren bislang gefürchtet. Es wird geschätzt, dass über 60 % der Verluste an Kampfpanzern auf beiden Seiten seit Beginn des Konflikts durch die Artillerie verursacht wurden. Nur sind das Feuervolumen der russischen Artillerie sowie ihre Beobachtungsfähigkeiten heute nicht mehr so hoch wie vor sechs Monaten oder zu Beginn des Konflikts.
Wie sehen Sie die Entwicklung der Front, insbesondere im Osten um Bakhmut und Soledar, wo die Kämpfe am heftigsten sind? Wie sehen die russischen und ukrainischen Taktiken in diesem Gebiet aus?
Auf russischer Seite findet ein interner Wettbewerb zwischen verschiedenen bewaffneten Gruppen statt, bei dem es darum geht, taktische Erfolge zu erzielen. Dies führt dazu, dass die verschiedenen russischen Einheiten sowohl gegen den Gegner als auch untereinander kämpfen. Dies ist eine schwierige Situation für die Russen, die ihre Vorbilder hat: Während des Zweiten Weltkriegs führte Stalin einen Wettbewerb zwischen seinen Generälen und Marschällen ein. Er tat dies bei der Schlacht um Berlin 1945, als er Schukow aufforderte, von rechts zu kommen, und Konjew, von links zu kommen, mit der Anweisung, dass der Beste gewinnen solle. Heute erleben wir auf russischer Seite wieder diese Form des Wettbewerbs zwischen militärischen Führern und Einheiten oder sogar privaten Militärunternehmen - sicherlich mit Orden, Beförderungen und Belohnungen als Ergebnis.
Kann das funktionieren?
In der Praxis geht das derzeitige russische Engagement mit einem sehr hohen Verlust an Menschenleben einher. Es mag auf russischer Seite Erfolge geben, aber dann geht es darum, diese auszunutzen. Es reicht nicht aus, eine Stadt einzunehmen, sondern man muss am nächsten Tag über genügend Männer verfügen, um sie zu halten und den Kampf fortzusetzen. Die ukrainischen Gegenoffensiven konnten innerhalb weniger Tage Gebiete zurückerobern, die die russische Armee im Frühjahr 2022 erst nach Wochen einnehmen konnte.
In letzter Zeit ist von einer «Grossoffensive» auf russischer Seite die Rede. Ist dies zu erwarten?
In Wirklichkeit werden mehrere Offensiven vorbereitet. Man ging davon aus, einen relativ ruhigen Winter zu verbringen, doch seit Oktober sammeln beide Konfliktparteien Kräfte, um im Laufe des Winters eine oder sogar zwei Offensiven starten zu können. Man muss sich das wie ein Wettrennen vorstellen, bei dem derjenige, der zuerst in die Offensive geht, mit den grössten Gebietsgewinnen rechnen kann. Russische Verstärkungen wurden in die Region Lughansk gebracht, vor allem um die hohen Verluste dort auszugleichen. Eine andere Möglichkeit wäre eine Offensive von Weissrussland aus, doch müssten die Weissrussen dies zulassen und dann die russische Logistik nachziehen, was alles andere als sicher ist - wie die Probleme im Frühjahr 2022 und der Stillstand der Kräfte vor Kiew gezeigt haben.
Ist mit einer ukrainischen Offensive zu rechnen?
Es sind sicherlich ein oder zwei in Vorbereitung: in Zaporijjia und vielleicht in Richtung der Halbinsel Krim. Dies sind Grossoffensiven, die die Lage in Russland erschüttern könnten.
Die Ukraine kann nicht in die NATO.
Die Ukraine kommt wirtschaftlich nicht auf die Füsse.
Europa wird dauerhaft wirtschaftlich geschwächt.
Putins Freunde (Prigoschin & Co) verdienen sich eine goldene Nase.
Russland bleibt innerlich geeint, da sie gegen die böse NATO kämpfen.
Die USA haben ein massives innenpolitisches Problem.
Ganz nach dem Motto: Divide et Impere.