Hakim, du standest eben noch in der Schlange, um Benzin zu bekommen. Konntest du deinen Tank füllen?
Ich musste mehr als 48 Stunden für nur 10 Liter Benzin anstehen! Aber zwei Tage sind nichts. Andere müssen vier bis fünf Tage anstehen.
Was?
Der Treibstoffmangel hier ist eine der grössten Krisen der Gegenwart. Dieser Treibstoffmangel löst dann eine Kettenreaktion aus: Die öffentlichen Verkehrsmittel sind so eingeschränkt, dass es für die Menschen schwierig ist, zur Arbeit zu fahren, die Schulen sind geschlossen, die meisten staatlichen Einrichtung sind geschlossen.
Wir haben Fotos gesehen von Menschen, die für Kochgas anstehen. Ist es da auch so extrem wie beim Benzin?
Der Mangel an Kochgas ist noch einmal ein ganz anderes Kaliber. Weil das Gas fehlt, kochen die meisten Menschen mit Holz, auch zu Hause verwenden wir Brennholz und elektrische Geräte. Allerdings sind wir täglich mit drei Stunden Stromausfall konfrontiert, weshalb das auch nicht zuverlässig ist.
Du betreibst eine Bäckerei. Für dich muss die Situation ja auch beruflich sehr einschneidend sein, wegen des fehlenden Gases.
Das stimmt, ich betreibe eine Bäckerei und ein Restaurant 40 Kilometer von der Stadt Kandy entfernt. Es ist sehr schwer, das Unternehmen weiterzuführen. Denn es fehlt an Kochgas, importiertem Milchpulver, Mehl – einfach an allem. Die meisten kleinen Betriebe wurden darum bereits geschlossen.
Am Mittwoch wurde ein neuer Präsident gewählt. Ist schon ein Ende dieser Situation in Sicht?
Nein. Die Regierung hat angekündigt, dass dies noch zwei Jahre andauern könnte.
Wer hat mit den gestiegenen Preisen am meisten zu kämpfen?
Tagelöhner und Familien der Mittelschicht trifft es am härtesten. Die Inflation hat uns so hart getroffen wie nie zuvor. Die Preise für absolut alles sind in die Höhe geschnellt!
Was ist deiner Meinung nach derzeit das grösste Problem im Land – abgesehen von den inflationären Preisen?
Der Mangel an Arzneimitteln in den Krankenhäusern hat die Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Nun sterben die Menschen wieder aufgrund von Schlangenbissen. Besonders in den nördlichen und zentralen Landesteilen.
Wie ist die Stimmung im Land allgemein?
Die Menschen sind wütend und müde. Die Arbeitslosigkeit steigt: Gestern habe ich gelesen, dass mehr als 1,5 Millionen Bauarbeiter ihre Arbeit verloren haben!
Viele wandern derzeit in andere Länder aus. Einige auch illegal mit Booten nach Indien. Sie riskieren dabei ihr Leben. Es ist wirklich herzzerreissend, Sri Lanka so zu sehen.
Warst du vor all diesen Ereignissen politisch interessiert oder aktiv?
Eher nicht. Aber ich war am 15. April selbst in Colombo, um dort zu protestieren. Während der Pandemie ging es bachab bei uns, denn der Tourismus fehlte. Zudem versäumte es die Regierung, ausreichend Dünger für die Landwirtschaft zu importieren. Das war der Punkt, an dem die Menschen begannen, gegen die Regierung zu protestieren. Die Menschen forderten den Rücktritt des Präsidenten und starteten im Mai den friedlichen Protest #GotaGoHome.
Was muss sich konkret ändern, damit die Situation besser wird? Was erwartest du von der Politik?
Die Menschen brauchen eine Regierung, der sie vertrauen können, und das ist in diesem Parlament leider nicht der Fall. Eine Regierung, die keine Minderheiten unterdrückt und keine Misswirtschaft betreibt.
Solange werden wir nicht aufhören, gegen die Regierung zu protestieren.
Müssten meine verwöhnten Mitmenschen 2-3 Tage anstehen für ein bissche Benzin gäbe es warscheinlich Mord und Todschlag...