Tiefes Misstrauen überschattet neue Atomgespräche mit dem Iran
Mit einer grossen Portion Misstrauen und Anspannung nehmen Diplomaten einen neuen Anlauf zur Rettung des iranischen Atomabkommens von 2015. Die Gespräche, die am Montagnachmittag in Wien beginnen, lagen zuvor fünf Monate auf Eis, während in Teheran der pragmatische Präsident Hassan Ruhani sein Amt an den erzkonservativen Ebrahim Raisi übergab.
In dieser Zeit trieb die Islamische Republik ihr Nuklearprogramm entgegen den Abmachungen weiter voran und setzte internationale Atominspektoren unter Druck. Die Rücknahme dieser Schritte im Austausch für die Aufhebung von US-Sanktionen erscheint angesichts der Lage nicht in greifbarer Nähe.
Wenn Teheran weiter eine Lösung verzögere, werde es Konsequenzen aus Washington geben, drohte US-Chefverhandler Robert Malley kurz vor den neuen Gesprächen in Wien. «Wenn sie nicht zu dem Pakt zurückkehren, dann werden uns wir klarerweise andere Wege ansehen, um mit den Atom-Bestrebungen des Iran umzugehen – auf diplomatischer und anderer Ebene», sagte Malley dem US-Sender NPR. Der iranische Chefverhandler Ali Bagheri wiederum warf seinen westlichen Gesprächspartnern am Vorabend des Treffens mangelnde Aufrichtigkeit vor. «Nach unserer Erfahrung will der Westen den Pakt nicht umsetzen», schrieb er in einem Kommentar in der Londoner «Financial Times».
Im Grunde dreht sich beim JCPOA alles darum, ob die internationale Staatengemeinschaft darauf vertrauen kann, dass Iran seine technologische Fähigkeit – innerhalb kürzester Zeit eine Atomwaffe zu entwickeln – nicht nutzen wird. Denn die Führung der Islamischen Republik machte nie einen Hehl aus dem Wunsch, Israel aus der Region verschwinden zu sehen.
Dabei hatte Iran konsequent abgestritten, an einer Atombombe zu bauen. Andererseits sträubte sich Iran stets, verdächtige Aktivitäten rund um sein ziviles Atomprogramm aufzuklären.
Das zivile Atomprogramm Irans ist legitimiert durch den Atomwaffensperrvertrag von 1970. Dieser verbietet zwar allen Staaten den Besitz der Atombombe (mit Ausnahme der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates der UN), erlaubt aber die gezielte, friedliche Nutzung von Kernenergie und Nukleartechnologie.
2018 kündigte Trump an, dass sich die USA aus dem Atomabkommen mit Iran zurückziehen und die Sanktionen wiedereingesetzt würden.
Fünf Monate nach der letzten Gesprächsrunde kommen nun hochrangige Diplomaten aus Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Russland und China wieder in die österreichische Hauptstadt, um zwischen Vertretern Teherans und Washingtons zu vermitteln. Das Ziel ist die Rettung des Abkommens, das das Atomprogramm des Irans einschränkte, um die Entwicklung von Nuklearwaffen zu verhindern. Im Gegenzug wurden westliche Sanktionen aufgehoben.
Doch die USA stiegen 2018 unter dem damaligen Präsident Donald Trump aus dem Pakt aus und liessen Sanktionen aufleben, die der iranischen Wirtschaft schweren Schaden zufügten. Teheran baute daraufhin seine Atomanlagen wieder aus, produzierte fast waffenfähiges Uran und schränkte internationale Inspektionen ein. Nun wird nach Wegen gesucht, die beiderseitigen Eskalationsschritte zurückzuschrauben. «Diese Gespräche dürfen nicht ewig dauern. Es ist dringend notwendig, den Prozess zu beschleunigen», schrieb der russische Verhandler Michail Uljanow auf Twitter. Er traf sich bereits am Sonntag mit chinesischen und iranischen Delegierten zu informellen Vorgesprächen. (saw/sda/dpa)