Die iranischen Behörden forderten am Samstag die Justiz und das Parlament auf, ein Gesetz aus dem Jahr 1983 über die Kopftuchpflicht zu überprüfen. Dies, um einen Ausweg aus der Protestbewegung zu finden, die in den letzten zweieinhalb Monaten Hunderte von Todesopfern gefordert hat.
Am Samstag kündigte der iranische Generalstaatsanwalt Mohammad Jafar Montazeri an, dass «das Parlament und die Justiz daran arbeiten», die Frage der Kopftuchpflicht zu klären. Dabei sagte er jedoch nichts dazu, was am Gesetz konkret geändert werden könnte – zumal der ultrakonservative Präsident Ebrahim Raissi erst diesen Sommer neue Kleiderbeschränkungen verhängt hat.
Das am 5. Juli eingeführte Gesetz «über den Schleier und die Keuschheit des Landes» zwängt den Frauen weitere Einschränkungen auf. Das vorgeschriebene Kopftuch muss neben den Haaren auch den Hals und die Schultern bedecken.
Es handelt sich um ein hochsensibles Thema im Iran, bei dem sich zwei Lager gegenüberstehen: die Konservativen, die sich auf das Kopftuchgesetz von 1983 stützen, und die Progressiven, die den Frauen das Recht geben wollen, selbst zu entscheiden, ob sie einen Schleier tragen wollen oder nicht.
Der Schleier wurde im Iran vier Jahre nach der islamischen Revolution von 1979 zur Pflicht. Die Sittenpolizei, bekannt als Gasht-e Ershad, wurde gegründet, um «die Kultur des Anstands und des Kopftuchtragens zu verbreiten».
Nach einem seit 1983 geltenden Gesetz müssen iranische und ausländische Frauen, unabhängig von ihrer Religion, in der Öffentlichkeit einen Schleier und ein weites Kleidungsstück tragen.
Auf einer Pressekonferenz am Samstag in Teheran schien das Staatsoberhaupt jedoch die Tür für mögliche Änderungen zu öffnen: «Unsere Verfassung hat starke und unveränderliche Werte und Prinzipien (...), aber es gibt Methoden zur Umsetzung der Verfassung, die geändert werden können», sagte er.
Seit dem Tod von Mahsa Amini und den anschliessenden Protesten entblössen immer mehr Frauen ihre Köpfe, vor allem im Norden Teherans.
Am 24. September, eine Woche nach Beginn der Proteste, forderte die grösste Reformpartei des Iran den Staat auf, die Kopftuchpflicht aufzuheben.
Die Volksunion des Islamischen Iran, die von Vertrauten des reformorientierten Ex-Präsidenten Mohammad Khatami (1997-2005) gebildet wurde, sagte, sie «verlange» von den Behörden, dass sie «die rechtlichen Elemente vorbereiten, die den Weg für die Aufhebung des Gesetzes über die Kopftuchpflicht ebnen», wie es in einer Ende September veröffentlichten Erklärung hiess.
Die nicht regierende Gruppierung forderte ausserdem, dass die Islamische Republik «offiziell das Ende der Aktivitäten der Sittenpolizei» bekannt geben und «friedliche Demonstrationen zulassen» solle, hiess es in dem Text weiter.
Seit Beginn der Bewegung wurden Tausende Menschen festgenommen. Am Samstag wurde eine weitere Filmschauspielerin, Mitra Hajjar, in ihrem Haus festgenommen. Sie hatte kürzlich auf ihrem Instagram-Account ein Video über Demonstrationen im Oktober in Berlin zur Unterstützung der Bewegung im Iran veröffentlicht (ats/afp).