Nach dem tödlichen Anschlag eines Palästinensers in Tel Aviv haben israelische Soldaten am Sonntag nahe Dschenin im Westjordanland auf ein palästinensisches Fahrzeug geschossen. Drei Insassen seien dabei getötet worden, berichtete der israelische Armeesender. Nach Angaben des Militärs waren sie zu einem Anschlag unterwegs. Ein Gewehr des Typs M-16 sei in dem Fahrzeug gefunden worden.
Ein Palästinenser aus Dschenin hatte am Samstagabend in der israelischen Küstenstadt Tel Aviv einen Wachmann erschossen. Ein zweiter Wachmann tötete daraufhin den Attentäter. Es war der vierte Anschlag in Tel Aviv seit Jahresbeginn. Dschenin gilt als Hochburg militanter Palästinenser, es kommt dort immer wieder zu Razzien der israelischen Armee.
Den Angaben zufolge war der Mann am Samstagabend von zwei Wachmännern der Tel Aviver Stadtverwaltung angesprochen worden, weil er ihnen verdächtig vorkam. Daraufhin habe er das Feuer eröffnet und einen der Männer getroffen. Der zweite habe zurückgeschossen und den Attentäter ausser Gefecht gesetzt.
Der junge Mann habe einen Abschiedsbrief bei sich getragen, teilte Polizeichef Kobi Schabtai am Anschlagsort mit. «Er ist gekommen, um zum Märtyrer zu werden.» In Moscheen in Dschenin wurde über Lautsprecher mitgeteilt, der Täter sei Mitglied der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad gewesen.
Ein führendes Mitglied der im Gazastreifen herrschenden Palästinenserorganisation Hamas nannte den Anschlag eine «heldenhafte Tat und natürliche Reaktion auf die Tötung zweier junger Männer im Westjordanland am Freitag». Bei einer Razzia der israelischen Armee in der palästinensischen Stadt Tulkarem wurde nach Angaben des Gesundheitsministeriums ein 18-Jähriger getötet.
Israelische Siedler hatten zudem nahe Ramallah einen 19-jährigen Palästinenser erschossen. Zwei mutmassliche Täter wurden nach Polizeiangaben festgenommen. Der rechtsextreme israelische Polizeiminister Itamar Ben-Gvir rechtfertigte ihr Vorgehen am Sonntag als Selbstverteidigung. Bei einem der Tatverdächtigen handelte es sich nach Medienberichten um ein Mitglied von Ben-Gvirs Partei Otzma Jehudit und früheren Sprecher einer Abgeordneten der Partei.
Der Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, Ronen Bar, warnte nach Angaben der Nachrichtenseite ynet den rechtskonservativen Regierungschef Benjamin Netanjahu eindringlich vor jüdischem Terror gegen Palästinenser. Dieser stelle eine strategische Gefahr dar und heize wiederum palästinensischen Terror an, sagte der Geheimdienstchef demnach.
Die Sicherheitslage in Israel und dem Westjordanland ist seit langem angespannt. Seit Jahresbeginn wurden 24 Israelis, eine Ukrainerin sowie ein Italiener bei Anschlägen von Palästinensern getötet. Im gleichen Zeitraum kamen 173 Palästinenser bei israelischen Militäreinsätzen, Konfrontationen oder nach eigenen Anschlägen ums Leben. Bei einem Grossteil handelt es sich um bewaffnete Kämpfer, unter den Toten bei Militäreinsätzen sind jedoch auch unbeteiligte Zivilisten.
Ungeachtet des Anschlags demonstrierten am Samstagabend in Tel Aviv erneut Zehntausende gegen die umstrittene Justizreform im Land. Die Veranstalter sprachen von etwa 120 000 Teilnehmern.
Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute mehr als 600 000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat Palästina mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt. (sda/dpa)