Das US-Aussenministerium hat mit scharfen Tönen Äusserungen aus Israels Regierung zu einer möglichen Vertreibung von Palästinensern aus dem Gazastreifen kritisiert. «Die Vereinigten Staaten weisen die jüngsten Äusserungen der israelischen Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir zurück, die sich für die Umsiedlung von Palästinensern ausserhalb des Gazastreifens aussprechen», teilte der Sprecher des US-Aussenministeriums, Matthew Miller, am Dienstag in Washington mit. «Diese Rhetorik ist aufrührerisch und unverantwortlich.»
Die israelische Regierung und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hätten mehrfach versichert, dass derartige Äusserungen nicht die Regierungslinie darstellten, betonte Miller. «Sie sollten sofort aufhören.» Der Gazastreifen sei palästinensisches Land und werde dies auch bleiben, wenn die Hamas dort nicht mehr die Kontrolle habe.
Der rechtsextreme Polizeiminister Ben-Gvir verbat sich umgehend jegliche Kritik aus den USA in der Angelegenheit: «Ich schätze die Vereinigten Staaten von Amerika sehr, aber bei allem Respekt, Israel ist kein weiterer Stern auf der amerikanischen Flagge», schrieb er auf der Plattform X. «Die Abwanderung von Hunderttausenden aus dem Gazastreifen wird es den Bewohnern der Peripherie des Gazastreifens ermöglichen, nach Hause zurückzukehren. Die Vereinigten Staaten sind unser guter Freund, aber wir werden vor allem das tun, was für Israel das Beste ist», fügte Ben-Gvir hinzu.
Er und der ebenfalls rechtsextreme Finanzminister Smotrich hatten sich für eine israelische Wiederbesiedlung des Gazastreifens nach dem Krieg gegen die Hamas ausgesprochen. Ben-Gvir sagte am Montag, der Krieg sei eine Gelegenheit, die «Umsiedlung der Bewohner des Gazastreifens» zu fördern. Smotrich sagte am Sonntag dem israelischen Armeesender, wenn Israel richtig vorgehe, werde es eine Abwanderung von Palästinensern geben, «und wir werden im Gazastreifen leben».
Smotrich gilt als Verfechter der Vision von «Gross-Israel» sund setzt sich auch für eine Annexion des Westjordanlands ein. Die Palästinenser dagegen beanspruchen das Westjordanland, Gaza sowie den arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Gebiet eines künftigen eigenen Staates. Israel hatte die Gebiete 1967 erobert.
2005 hatte sich Israel aus dem Gazastreifen zurückgezogen und mehr als 20 israelische Siedlungen geräumt. Für die Vereinten Nationen ist der Gazastreifen weiterhin von Israel besetztes Gebiet, weil es bis auf einen Grenzübergang alle Zugänge kontrolliert. Israel steht auf dem Standpunkt, die Besatzung sei mit dem Abzug 2005 beendet worden.
Die USA sind klar gegen eine Wiederbesetzung des Gazastreifens durch Israel. Sie lehnen auch eine Zwangsvertreibung der 2,2 Millionen Palästinenser ab, die in dem schmalen Küstenstreifen leben. Die USA wollen, dass eine reformierte Palästinensische Autonomiebehörde nach dem Krieg die Kontrolle übernimmt. Netanjahu lehnt dies jedoch ab. Er will, dass die Armee auch nach dem Krieg die Sicherheitskontrolle beibehält und fordert eine Entmilitarisierung Gazas. (sda/dpa)
Wir müssen der Wahrheit ins Auge sehen, der Westen hat mit seiner Art von Kritik und Sorgen, die man jahrelang geäussert hat, sich aber nie in handfeste Politik gewandelt hat, zur aktuellen Situation und der Gewaltspirale beigetragen.