Netanjahu will kompletten Gazastreifen besetzen
Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu will den kompletten Gazastreifen besetzen. Das teilte sein Büro am Montagabend mit, wie die «Jerusalem Post» berichtet. Es sind demnach auch Operationen in Gebieten geplant, in denen Geiseln festgehalten werden.
Das Nachrichtenportal «ynetnews.com» zitierte einen Offiziellen, der ihm nahe steht, mit den Worten: «Die Würfel sind gefallen - wir beabsichtigen, den Gazastreifen vollständig zu besetzen.»
Netanjahus Büro soll zudem diese Botschaft an Militär-Stabschef Eyal Zamir übermittelt haben:
Armeeführung sieht Komplett-Besatzung kritisch
Medienberichten zufolge soll sich Zamir bei vergangenen Sitzungen des Sicherheitskabinetts heftige Diskussionen mit den ultrarechten Ministern geliefert haben. Netanjahu soll sich dabei kommentarlos zurückgehalten haben.
Zamir soll laut Medienberichten eine für Montagabend geplante Dienstreise in die USA kurzfristig abgesagt haben – aufgrund der «grossen Verantwortung, die auf seinen Schultern liegt».
Das israelische Militär hat sich in der Vergangenheit gegen eine Komplett-Besatzung des Gazastreifens ausgesprochen. Die Beseitigung sämtlicher Hamas-Tunnel und -Bunker könne Jahre dauern, beschrieb die «Times of Israel» die Bedenken der Armeeführung. Auch könnten demnach Geiseln in Gefahr geraten und getötet werden, sollten israelische Truppen den Orten ihrer Gefangenschaft zu nahe kommen.
Den Medienberichten zufolge würde aber Netanjahu nunmehr dieses Risiko eingehen. «Es wird Militäreinsätze auch in Gebieten geben, in denen Geiseln festgehalten werden», zitierte «ynetnews» den Offiziellen weiter.
Netanjahu: Hamas zu keiner Verhandlungslösung bereit
Netanjahu selbst hatte zuvor nur so viel gesagt, dass er in dieser Woche das Sicherheitskabinett einberufen werde, um über das weitere Vorgehen in dem abgeriegelten und grossflächig zerstörten Küstenstreifen am Mittelmeer zu entscheiden. In einer Video-Botschaft am Sonntag hatte er dargelegt, dass die islamistische Hamas, die dort vor 18 Jahren die Macht an sich gerissen hatte, aus seiner Sicht zu keiner Verhandlungslösung bereit sei.
Die israelischen Streitkräfte kontrollieren derzeit rund 75 Prozent der Fläche des Küstengebiets, das in etwa so gross ist wie München. Die Geiseln werden in jenen Teilen vermutet, in die das israelische Militär bislang nicht vorgedrungen ist und die weiterhin von der Hamas kontrolliert werden.
Israel: 50 Geiseln in der Gewalt der Hamas – 20 noch am Leben
Nach israelischer Einschätzung befinden sich derzeit noch 50 Geiseln in der Gewalt der Hamas, von denen noch 20 am Leben sein sollen. Monatelange indirekte Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas, um eine Waffenruhe herbeizuführen und die letzten Geiseln freizubekommen, brachten kein Ergebnis.
Bisher hatten vor allem die Minister aus den rechtsextremen und ultrareligiösen Parteien der Regierungskoalition die vollständige Einnahme des Gazastreifens gefordert. Sie verlangen ausserdem die Abschiebung der palästinensischen Bevölkerung in andere Länder und die Errichtung jüdischer Siedlungen im Küstenstreifen.
Der Regierungschef werde am Dienstag sein Kabinett einberufen, um eine Entscheidung in dieser Angelegenheit zu treffen, berichten israelische Medien. Eine Stellungnahme der israelischen Regierung liegt zunächst nicht vor.
(hkl, mit Material von t-online/sda/dpa)