Die Waffenruhe im Gazastreifen findet ein klares Ende: Gut fünf Wochen nach dem Beginn seiner Bodenoffensive im Norden des Gazastreifens weitet das israelische Militär die Einsätze am Boden wohl auf das gesamte Palästinensergebiet aus.
Gleichzeitig wird die internationale Kritik am Vorgehen Israels immer deutlicher.
Das israelische Militär führte eigenen Angaben zufolge seit dem Ende der mehrtägigen Feuerpause am Freitag im Süden massive Luftangriffe durch. Damit ist klar, dass sich die Kämpfe nicht mehr nur auf den Norden des Gazastreifens beschränken.
Augenzeugen hatten der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag berichtet, israelische Bodentruppen seien in ein Gebiet östlich der Stadt Chan Junis im Süden des Gazastreifens vorgerückt. Die Berichte liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Ein israelischer Armeesprecher hatte in arabischer Sprache die Einwohner bestimmter Wohngebiete im Süden des Gazastreifens dazu aufgerufen, diese zu verlassen und in ausgewiesene andere Gebiete zu fliehen.
In der Nacht zu Sonntag griffen israelische Kampfflugzeuge und Hubschrauber «Terrorziele», darunter Tunnelschächte, Kommandozentralen und Waffenlager an, wie das Militär selber mitteilte. Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben seit Beginn des Gaza-Kriegs mehr als 800 Tunnelschächte gefunden. Rund 500 davon seien unter anderem durch Sprengung zerstört worden. Einige der Tunnelschächte hätten strategische Einrichtungen der Hamas unterirdisch miteinander verbunden, hiess es. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Hunderttausende Palästinenser sind nach Anweisungen des israelischen Militärs bereits zuvor aus dem umkämpften Norden des abgeriegelten Küstengebiets in den Süden geflohen – wo es nun auch verstärkt Kämpfe am Boden geben dürfte.
Die Soldaten gingen gegen Ziele der islamistischen Hamas vor, sagte Armeesprecher Daniel Hagari am Sonntagabend. Die Armee habe im nördlichen Gazastreifen stark und gründlich gekämpft und tue dies nun auch im südlichen Gazastreifen, hatte Israels Generalstabschef Herzi Halevi kurz zuvor gesagt – ohne dabei explizit von einer Bodenoffensive zu sprechen. Israelische Bodentruppen sind bereits seit Ende Oktober im Norden im Einsatz.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte erst kürzlich gesagt, ein Bodeneinsatz sei der einzige Weg, die islamistische Hamas zu zerstören. Man werde den Krieg gegen die islamistische Hamas «bis zum Ende» und bis zum «totalen Sieg» über die Hamas fortsetzen.
Insbesondere aus Frankreich und den USA wird die Kritik am Vorgehen Israels derzeit immer lauter. So sagte der französische Präsident Emmanuel Macron am Rande der Klimakonferenz in Dubai: «Wir sind an einem Punkt angelangt, da die israelische Regierung ihr Ziel genauer definieren muss». Weiter stellte Macron das israelische Kriegsziel infrage: «Die totale Vernichtung der Hamas – was ist das? Und denkt jemand, dass das möglich ist?»
Und wenn die totale Zerstörung wirklich der Terrororganisation wirklich das Ziel sei, dann dauere dieser Krieg «zehn Jahre». Macron forderte eine weitere Feuerpause, um schliesslich zur einen dauerhaften Waffenstillstand auszuhandeln.
Auch die US-Vizepräsidentin Kamala Harris sprach am Samstag eine deutliche Mahnung in Richtung Israel aus. «Zu viele unschuldige Palästinenser sind getötet worden. Offen gesagt, das Ausmass des zivilen Leids und die Bilder und Videos aus dem Gazastreifen sind verheerend», sagte sie in Dubai. In einem Gespräch mit Ägyptens Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi bekräftigte Harris zudem, dass die USA «unter keinen Umständen die Zwangsumsiedlung von Palästinensern aus dem Gazastreifen oder dem Westjordanland, die Belagerung des Gazastreifens oder die Neuziehung der Grenzen» zulassen werden.
Zudem appellierte der US-Verteidigungsminister, Lloyd Austin, an Israels «moralische Verantwortung», Zivilisten zu schützen. «Wenn man sie in die Arme des Feindes treibt, ersetzt man einen taktischen Sieg durch eine strategische Niederlage. Deshalb habe ich der israelischen Führung wiederholt deutlich gemacht, dass der Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen sowohl eine moralische Verantwortung als auch ein strategisches Gebot ist.» Harris wie Austin machten deutlich, dass es eine politische Perspektive eines eigenen Staates neben Israel für die Palästinenser geben müsse.
Der Sprecher des UN-Kinderhilfswerks Unicef, James Elder, kritisierte die israelischen Angriffe während eines Besuchs im Süden des Gazastreifens scharf. Dort finde ein «Blutbad» statt, das «unmoralisch» sei und das mit «mit Sicherheit als illegal verstanden werden wird», sagte Elder dem Nachrichtensender Al-Dschasira. Wer das hinnehme, mache sich selbst schuldig. «Schweigen ist Mittäterschaft», sagte der sichtlich erschütterte Elder.
Während seines Besuchs habe er überall Kinder mit schweren Verbrennungen, mit Verletzungen durch Granatsplitter, Gehirnverletzungen und mit Knochenbrüchen gesehen. Die jüngsten Angaben über sogenannten «sicheren Zonen» für die Bevölkerung in Gaza bezeichnete Elder als «Falschdarstellung». Die Menschen würden dabei zu «winzigen Flecken Land bewegt», dort gebe es nur Sand, kein Wasser, keine Sanitäranlagen und keinen Schutz vor dem Wetter.
Der israelische Regierungsberater Mark Regev wies Vorwürfe zurück, sein Land würde zu wenig unternehmen, um die Zivilbevölkerung in Gaza zu schützen. «Wir unternehmen maximale Anstrengungen, vielleicht sogar nie da gewesene in ähnlichen Umständen», sagte Regev der BBC am Sonntag. Die Schuld für zivile Todesopfer liege zudem bei der Hamas, weil sie militärische Infrastruktur in Wohnvierteln verstecke.
Die Hamas will nach den Worten eines ihrer Anführer, Saleh al-Aruri, erst wieder Geiseln freilassen, wenn Israel seine «Aggression» beende und ein dauerhafter Waffenstillstand herrsche. Unter den verbliebenen Geiseln seien nur Männer, die in der Armee gedient hätten und Soldaten. Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant sagte dagegen, es seien noch 15 Frauen und zwei Kinder unter den Geiseln in der Gewalt der Hamas. Vorige Woche hatten Israel und die Hamas 105 Geiseln frei, unter ihnen 14 Deutsche, und 240 palästinensische Häftlinge ausgetauscht. (lak/sda/dpa)
Das ist was ich hier auch schon meinte. Ich vermisse die langfristige Strategie Israels (nicht erst seit Herbst 2023) Israel züchtet gerade fleissig die nächste Generation von militanten Extremisten.
Für wen ist das gut? Hardlinern auf beiden seiten.