Der Krieg in Israel und Palästina flutet Social Media mit Bildern und Videos, die (angebliche) Gräueltaten zeigen. Immer wieder kommen Vorwürfe an die Kriegsparteien auf, dass die gezeigten Videos entweder irreführend, manipuliert oder schlicht gefälscht seien. Das Ziel: den Gegner als barbarischen Kriegsverbrecher darzustellen.
Aber wie geht man als Medienkonsumentin mit solchen Videos um? Wie erkennt man Fake News? Wir haben mit einer Faktencheckerin gesprochen und zeigen anhand eines Beispiels, wie man vorgehen kann, um Falschinformationen nicht auf den Leim zu kriechen.
Am Montag tauchte ein Video in den sozialen Medien auf. Zu sehen ist ein Panzer, der auf ein Auto schiesst. Die Behauptung dazu: Ein israelischer Panzer habe auf ein ziviles Fahrzeug geschossen und dabei drei Mitglieder einer Familie getötet.
Falls diese Behauptung stimmt, wäre dies ein Kriegsverbrechen – begangen durch die israelischen Streitkräfte. Aber entspricht dies auch den Tatsachen?
Wir haben mit Catherine Gilbert gesprochen. Sie ist Faktencheckerin bei der Schweizer Nachrichtenagentur Keystone-SDA und hat ein paar Tipps auf Lager.
Der erste Schritt ist stets der gleiche: Hinterfragen und eine Information nicht einfach als wahr akzeptieren. Gilbert sagt:
In unserem Fallbeispiel mit dem Panzer haben dies bereits einige englischsprachige Newsplattformen gemacht:
Beide haben mit dem Beifahrer des Mannes gesprochen, der das Video gefilmt hat. Beim Beifahrer handelt sich dabei um den freischaffenden Fotografen Bashar Talib. Sein Kollege, ein Lokaljournalist namens Youssef Al-Saifi, hat das Video aufgenommen und auf Instagram hochgeladen.
Gemäss Talib entstand das Video am Montag auf der «Salah ad-Din»-Strasse, einer der wichtigsten Verkehrsachsen des Gazastreifens.
Wenn noch kein (seriöses) Medium darüber berichtet hat, kann man auch selbst nachforschen. Gilbert sagt:
In unserem Panzervideo ist das nicht der Fall. Als Nächstes kann man versuchen, die Verortung selbst vorzunehmen. «In diesem Video gibt es markante Gebäude, die bei der Geolokalisierung helfen», sagt Gilbert. Und sonst hilft ein Blick in die Kommentare: «Oftmals hat schon jemand den Ort des Geschehens lokalisiert oder es melden sich Leute, die schon einmal da waren.»
Und tatsächlich: Die Schwarmintelligenz in einem X-Thread hat den Ort ziemlich schnell gefunden.
— Aurora Intel (@AuroraIntel) October 30, 2023
Gilbert erklärt weiter: «Dann kann man sich fragen: Was sieht man überhaupt? Ist es realistisch? Was sind die Reaktionen des Filmenden? Sind diese logisch und der Situation angemessen? In diesem Video fahren sie hin und zoomen rein. Dann gibt es eine Explosion und als Reaktion darauf fahren sie sofort weg. Die Reaktion wirkt nachvollziehbar, die Kameraführung realistisch.»
Das Video scheint also echt zu sein. Aber stimmen auch die mitgelieferten Informationen?
Hier wird es schwierig. In etlichen Posts auf Social Media hiess es, drei Zivilisten seien bei der Explosion gestorben. Die Behauptung stammt aus dem Video selbst, eine Person sagt auf Arabisch, dass das Auto getroffen wurde und der Mann und die ganze Familie tot sei. Stimmt das?
Gilbert sagt dazu: «Zur Quelle kann man sich fragen: Wer hat das gepostet? Ist es eine Person, ein Medium? Wieso haben sie das gepostet? Ist die Quelle vertrauenswürdig?»
In unserem Fall fehlten zunächst offizielle Behördenangaben zu Opferzahlen. Und auf dem Video kann man nicht erkennen, wer im Auto sitzt. Ebenso wenig sieht man, ob das Auto tatsächlich getroffen wurde. Gilbert meint: «Ich weiss nicht, wer im Auto sitzt. Ob das stimmt? Es gibt keine weiteren Hinweise. Da wäre ich sehr vorsichtig.»
Nun kommt der in diesem Fall unbefriedigende Schlusspunkt: Die entscheidende Frage, ob hierbei unschuldige Zivilisten getötet wurden, kann nicht beantwortet werden. Was kann man da als Medienkonsumentin tun? Gilbert sagt: