International
Israel

Sorge um Eskalation im Nahostkonflikt wächst

Sorge um Eskalation im Nahostkonflikt wächst – die Ereignisse in 8 Punkten

Nach zwei Anschlägen in Ost-Jerusalem wächst die Sorge vor einer neuen Eskalation im Nahostkonflikt. Die Ereignisse in 8 Punkten.
28.01.2023, 10:1729.01.2023, 10:01
Mehr «International»

Die Razzia im Westjordanland

Die Eskalation begann am Donnerstag nach einer Razzia von israelischen Soldaten im Westjordanland. Neun Menschen sind getötet worden, darunter mehrere Mitglieder der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad. Es war einer der tödlichsten Militäreinsätze seit Jahren in dem palästinensischen Autonomiegebiet. Kurz darauf flogen Raketen aus Gaza, Israel flog Luftangriffe.

Der Angriff auf eine Synagoge

Am internationalen Holocaust-Gedenktag am Freitag ereignete sich in der israelischen Siedlung Neve Yaakov in Ost-Jerusalem ein Anschlag auf eine Synagoge. Nach ersten Erkenntnissen handelte es sich bei dem Attentäter um einen 21-Jährigen aus Ost-Jerusalem. Er wurde auf der Flucht erschossen. Laut Polizei handelte er allein. Bis Samstag wurden dennoch mindestens 42 Verdächtige festgenommen, den Beamten zufolge waren es Verwandte und Nachbarn des Attentäters.

Der Angriff auf eine israelische Siedlung

Am Samstag habe ein gerade mal 13-jähriger palästinensischer Junge in einer israelischen Siedlung im Stadtteil Silwan in Ost-Jerusalem auf Anwohner geschossen. Dies teilte die örtliche Polizei mit. Bewaffnete israelische Passanten hätten schliesslich auf den Jungen geschossen. Zwei Menschen seien bei dem Schusswechsel verletzt und ins Krankenhaus gebracht worden. Medienberichten zufolge sei auch der junge palästinensische Angreifer medizinisch behandelt worden.

Ob die beiden Angriffe in Zusammenhang standen, ist nicht geklärt.

Weiterer Mann «neutralisiert»

Wie Israels Armee berichtet, hatte zudem ein weiterer Mann geplant, eine Siedlung im Westjordanland anzugreifen. Wachleute hätten den bewaffneten «Terroristen» in der Nähe von Kedumim westlich der Stadt Nablus aber zuvor entdeckt und «neutralisiert», teilte die Armee in der Nacht zum Sonntag mit. Zunächst war unklar, ob sie den Angreifer getötet haben.

Der Angriff in Jericho

Auch in der Nähe der Stadt Jericho hat ein weiterer palästinensischer Schütze versucht, Menschen zu töten. Der Mann habe am Samstagabend in einem Restaurant im Westjordanland einen Schuss abgegeben, wie Israels Armee mitteilte. Anschliessend sei er davongerannt. Verletzt wurde demnach niemand. Streitkräfte fahnden derzeit nach dem Mann.

Aufnahmen einer Überwachungskamera sollen zeigen, dass der Angreifer mit einem Sturmgewehr bewaffnet gewesen sei, berichteten israelische Medien. Demnach habe es aber Probleme mit seiner Waffe gegeben, was wohl weitere Schüsse und Opfer verhindert hat.

Streitpunkt Jerusalem

In Silwan in Ost-Jerusalem wohnen überwiegend Palästinenser, aber auch israelische Siedler leben in dem Stadtteil. Im Sechstagekrieg 1967 hatte Israel das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Heute leben in den besetzen Gebieten mehr als 600'000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat Palästina mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt.

Immer mehr junge Palästinenser schliessen sich dem Aufstand an und seien bereit, zu kämpfen und auch zu sterben, warnte jüngst Michael Kobi vom israelischen Institut für Nationale Sicherheitsstudien. Die Entwicklung sei bedenklich.

Israel beschliesst neue Massnahmen

Nach den Angriffen hat Israels Sicherheitskabinett neue Massnahmen zur Terror-Bekämpfung beschlossen. So sollen israelische Bürger etwa leichter und schneller Lizenzen für Schusswaffen bekommen, wie das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in der Nacht zum Sonntag mitteilte. Details dazu, wie genau die Erleichterungen für den Waffenerwerb aussehen sollen, gab es zunächst nicht. Das Sicherheitskabinett war Samstagabend zusammengekommen, um sich mit der Lage nach den Terrorangriffen zu befassen.

Benjamin Netanjahu, Ministerpr
Benjamin NetanjahuBild: sda

Bei der Sitzung wurde auch beschlossen, Angehörigen von Attentätern, die Terrorismus unterstützen, ihre Sozialversicherungsansprüche sowie Gesundheitsleistungen zu entziehen. Ob und wie genau überprüft werden soll, ob jemand Terror-Unterstützer ist, war zunächst unklar. Weiterhin wurde beschlossen, dass Armee und Polizei gezielt illegale Waffen einsammeln sollen. Weitere Schritte, um etwa «Siedlungen zu stärken», werden demnach noch zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht.

Die Reaktionen auf die Angriffe

Saudi-Arabien

Saudi-Arabien pflegt keine diplomatischen Beziehungen zu Israel. Trotzdem verurteilt Riad den Angriff auf Zivilisten. Saudi-Arabien hat sich in der Vergangenheit zwar oft zur Lage der Palästinenser, nicht aber zu Terror, der auf Israelis abzielt, geäussert. Der einflussreiche Golfstaat warnte vor einer gefährlichen Eskalation der Lage.

Oman

Auch der Oman lehnte in einer Erklärung «alle Formen von Gewalt und Terrorismus, die auf Zivilisten abzielen», ab.

Deutschland

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich nach den Angriffen entsetzt. «Die Nachrichten über die schrecklichen Attentate in Jerusalem erschüttern mich zutiefst. Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Familien, Deutschland steht an Israels Seite», schrieb er auf Twitter.

Palästinenser und die Hisbollah

Viele Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland reagierten dagegen mit Freudenfeiern auf den Terroranschlag vom Freitag. Auch die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah lobte den Angriff. Die eng mit dem Iran verbündete Organisation sieht in Israel einen Erzfeind.

Isreal

Netanjahu erklärte nach dem Anschlag nahe der Synagoge: «Wir werden entschlossen und ruhig handeln.» Er rief die Bevölkerung auf, das Gesetz nicht in die eigenen Hände zu nehmen. Der rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben-Gvir forderte hingegen, Bürger «besser zu bewaffnen, um solche Anschläge zu vermeiden». Ben-Gvir gilt als politischer Brandstifter und war bereits wegen rassistischer Hetze und Unterstützung einer jüdischen Terrororganisation verurteilt worden.

Gegen die neue ultrarechte Regierung und ihre Vorhaben regt sich auch unter Israelis grosser Widerstand. Netanjahus Koalition plant etwa weitreichende Reformen im Justizsystem. Manche Experten warnen deshalb bereits vor einem Ende der israelischen Demokratie. Für Samstagabend wurden landesweit wieder grosse Demonstrationen erwartet. Sie sollen den Organisatoren zufolge mit einer Schweigeminute für die Opfer des Terroranschlags in Jerusalem beginnen.

(cst, mit Material der sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
15 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Skunk42
28.01.2023 18:07registriert Februar 2022
Wollte eigentlich schon lange mal in die Region in die Ferien. Schade, die Kultur (und vor allem das Essen), hätte mich interessiert.
5817
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hardy18
28.01.2023 16:56registriert Oktober 2015
Das viele Erwachsene nen Schaden haben ist kein Geheimnis. Aber bitte, lasst die Kinder aus eurem scheiss Spiel! Traurig sowas.
3212
Melden
Zum Kommentar
avatar
Toni.Stark
28.01.2023 21:43registriert Juli 2018
Nahostkonflikt. Da wo niemand wirklich den Überblick hat, aber jeder ein Spezialist sein will.
2819
Melden
Zum Kommentar
15
All diese Nobelpreisträger stellen sich gegen Putin und äussern eine dringliche Warnung
In einem offenen Brief rufen hunderte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, darunter 40 Nobelpreisträger, zu mehr westlicher Unterstützung der Ukraine auf. Und sie warnen vor zu laschem Vorgehen gegen Putin.

«Als Mitglieder der internationalen akademischen Gemeinschaft sind wir zutiefst besorgt», heisst es in einem offenen Brief, in dem sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für ein entschlosseneres Vorgehen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin einsetzen.

Zur Story