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Israel: Die Proteste gegen Netanjanhu in Tel Aviv in 3 Punkten

Demonstranten in Israel befürchten «das Ende der Demokratie» – das steckt dahinter

Benjamin Netanjahus Regierung plant einen Wandel im Justizsystem des Landes: die Macht des Parlaments soll auf Kosten des Höchsten Gerichts vergrössert werden soll. Demonstranten schlagen Alarm – ein Urteil gegen einen Minister giesst nun weiter Öl ins Feuer.
23.01.2023, 18:0823.01.2023, 18:10
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Was ist in Israel los?

In Israel sind am Wochenende mehr als 100'000 Menschen auf die Strassen gegangen, um gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu demonstrieren. Medienberichten zufolge sollen alleine in Tel Aviv rund 100'000 Menschen protestiert haben. Auch in den Städten Jerusalem, Haifa und Be'er Scheva gingen Tausende Menschen auf die Strassen.

epa10421188 People light torches and take part in a protest against the new government in Tel Aviv, Israel, 21 January 2023. A statement made by the country's new Justice Minister Levin declaring ...
Demonstranten am Samstagabend in Tel Aviv.Bild: keystone

Die Demonstranten erhoben dabei schwere Vorwürfe gegen Netanjahu und seine Regierung. «Stoppt das Ende der Demokratie», war auf einigen Plakaten zu lesen, «Verbrecher» stand auf manchen mit dem Bild des Ministerpräsidenten.

epa10421101 People take part in a protest against the new government in Tel Aviv, Israel, 21 January 2023. A statement made by the country's new Justice Minister Levin declaring his intention to  ...
Die Demonstranten werfen «Bibi» Netanjahu vor, so machtbesessen wie Julius Cäsar zu sein.Bild: keystone

Es war die bisher grösste Demonstration gegen die aktuelle Regierung des Landes. In Tel Aviv sollen rund 1000 Polizisten im Einsatz gestanden sein. Nach der Vereidigung Ende Dezember war es immer wieder zu Protestaktionen gekommen.

Was steckt hinter den Protesten?

Hauptgrund für die grossen Protestaktionen am Wochenende ist ein Plan von Justizminister Jariv Levin, der grundlegende Veränderungen im Justizsystem des Landes zur Folge hätte. Levin will durchsetzen, dass das nationale Parlament neu Gesetze verabschieden kann, ohne dass diese vom Höchsten Gericht abgesegnet werden müsste.

Israeli Justice Minister Yariv Levin attends a weekly cabinet meeting at the Prime Minister's office in Jerusalem on Sunday, Jan. 15, 2023. (Menahem Kahana/Pool Photo via AP)
Jariv Levin, Justizminister in Israel, hat umstrittene Pläne.Bild: keystone

Da Israel keine endgültige Verfassung hat, nimmt das Höchste Gericht eine zentrale Rolle bei der Verteidigung der Grundgesetze ein. Durch die neue Regelung könnten diese neu übergangen werden, was den Ministern viel grössere Macht gewähren würde. Das Parlament soll zudem mehr Kontrolle über die Ernennung von Richtern erhalten.

Die Demonstranten befürchten durch diese Pläne das Ende der Demokratie. Ex-Ministerpräsident Jair Lapid, der ebenfalls zu den Demonstranten gehörte, sprach von einem «Protest zur Verteidigung des Landes.»

Warum will die Regierung das höchste Gericht schwächen?

Netanjahu und seine ultra-rechten Koalitionspartner machen kein Geheimnis daraus, wie wenig sie vom Höchsten Gericht in der momentanen Form halten. Netanjahus Likud-Partei wirft diesem seit geraumer Zeit vor, von linken Richtern dominiert zu sein, welche ihre Autoritäten überschreiten.

Auch in diesen Tagen verärgerte das Höchste Gericht die Regierung wieder. Letzte Woche stellten sich die Richter gegen die Ernennung von Arie Deri zum Innen- und Gesundheitsminister. Dies sei «unangemessen», so das Höchste Gericht.

epa10413638 (FILE) - Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu (R) speaks with Interior and Health Minister Aryeh Deri at a weekly cabinet meeting at the Prime Minister's office in Jerusalem, 08  ...
Arie Deri (links) und Benjamin Netanjahu.Bild: keystone

Der Vorsitzende der strengreligiösen Schas-Partei wurde bereits mehrfach verurteilt, 2021 hatte er bei einem Verfahren wegen Steuerhinterziehung vor Gericht versichert, sich aus der Politik zurückzuziehen. Bis vor Kurzem war es für Vorbestrafte in Israel verboten, ein Ministeramt zu übernehmen. Die Regierung hatte dieses Gesetz extra geändert, um Deri zum Minister zu ernennen.

Netanjahu leistete dem Urteil des Höchsten Gerichts schliesslich Folge und entliess Deri am Wochenende, «schweren Herzens und mit grosser Sorge», wie er in einer Mitteilung verlauten liess. Er sei zu dieser Entscheidung gezwungen worden, betonte er. Justizminister Jariv Levin kündigte an, er werde «alles Notwendige tun, um das Unrecht gegenüber Deri wiedergutzumachen».

Deris Ernennung war eine entscheidende Forderung der Schas-Partei bei den Koalitionsverhandlungen mit Netanjahu gewesen. Mitglieder der Partei hatten vor dem Urteil gedroht, die Regierung zu verlassen, falls Deri seinen Posten verlieren sollte. Die Partei hält elf der 64 Sitze der Regierungskoalition im Parlament.

(dab)

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7 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Stadt Luzerner
23.01.2023 22:54registriert Oktober 2021
Israel hat ein Problem und ist ein Problem.
So lange hardliner das sagen haben wird die Situation sich im nahen Osten nicht bessern. Landenteignungen helfen da definitiv nicht.
Auch ist Israel am Elend des Libanons teilweise mitschuldig.
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webedr45
23.01.2023 23:39registriert Januar 2020
Immer mehr Staaten dieser Welt mit (bisher noch) demokratischen Verfassungen und einigermassen unabhängiger Justiz mutieren bzw. bilden sich immer schneller zurück zu finanzfeudalen/konservativreligiösen über "gelenkte Demokratien" hin zu gottesstaatähnlichen Diktaturen.
Den Weg ebnen ihnen dort arme bereits Entrechtete und hier die bequemen Wohlstandsprofiteure.
Die einen glauben es werde nicht noch schlechter, die andern an grenzenloses Wachstum, egal wer wie regiert.
CN, alle eh. SU, Arabs, viele Afr., TK, HU, SRB, sind, + USA (fast) schon da.
ISR, keine 80 Jahre alt, bald.
Quo vadis, Welt?
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