Laut einem Bericht der «Washington Post» sollen Israel und die Hamas kurz vor einiger möglichen Einigung auf eine Feuerpause stehen. In einem unter Vermittlung der USA verhandelten Abkommen erwägen die beiden Kriegsparteien demnach eine fünftägige Feuerpause, in der Dutzende von der islamistischen Terrororganisation im Gazastreifen festgehaltene israelische Geiseln freigelassen werden könnten. Das berichtete die Zeitung in der Nacht zum Sonntag unter Berufung auf mit den Bestimmungen vertraute Personen. Als Reaktion auf den Beitrag schrieb die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Adrienne Watson, auf der Plattform X: «Wir haben noch keine Einigung erzielt, aber wir arbeiten weiter hart daran».
Der «Washington Post» zufolge könnte die Freilassung der Geiseln bereits in den nächsten Tagen beginnen, sofern es keine Probleme in letzter Minute gebe. Die Einstellung der Kampfhandlungen soll demnach auch ermöglichen, dass deutlich mehr humanitäre Hilfe, einschliesslich Treibstoff, von Ägypten in den Gazastreifen gelangen kann. Der Entwurf des Abkommens sei in wochenlangen Gesprächen in der katarischen Hauptstadt Doha zwischen Israel, den USA und der Hamas ausgearbeitet worden.
Nach dem Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober mit 1200 Toten wurden rund 240 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt – die meisten wurden von der Hamas entführt. Daraufhin begann Israel massive Luftangriffe und Ende Oktober eine Bodenoffensive im Gazastreifen. Dabei wurden nach palästinensischen Angaben bislang mehr als 11'500 Menschen getötet. Die Versorgungslage ist nach UN-Angaben katastrophal. Israel steht international wegen seiner Kriegsführung unter Druck.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) arbeitet unterdessen mit Hochdruck an einem Plan zur Rettung der verbliebenen Patientinnen und Patienten aus dem Schifa-Krankenhaus im Gazastreifen. Das schrieb WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus in der Nacht zum Sonntag bei X. Mitarbeiter hätten das Krankenhaus am Samstag aufgesucht und eine desolate Lage vorgefunden. Es gebe dort kein Wasser, keinen Strom und keine Nahrungsmittel mehr und kaum noch medizinischen Bedarf.
Das Team habe am Eingang des Krankenhauses ein Massengrab vorgefunden und sei informiert worden, dass dort mehr als 80 Menschen begraben seien, schrieb die WHO in einer Mitteilung am Samstag.
«Angesichts dieser erbärmlichen Situation und des Zustands vieler Patienten, darunter Babys, bat das Personal um Unterstützung bei der Evakuierung von todkranken Patienten, die dort nicht mehr versorgt werden können», so der WHO-Chef. Man arbeite mit Partnern daran und verlange Unterstützung für diesen Plan. Tedros nannte weder Israel, dessen Militär das Krankenhaus eingenommen hat, noch die im Gazastreifen regierende Hamas beim Namen. «Die derzeitige Situation ist unerträglich und nicht zu rechtfertigen», schrieb er. «Feuerpause. JETZT», fügte er hinzu.
US-Präsident Joe Biden hat sich erneut für die sogenannte Zwei-Staaten-Lösung im Nahost-Konflikt ausgesprochen und skizziert, wie er sich die Zeit nach Ende des Gazakrieges vorstellt. Dabei hat er in einem am Samstag veröffentlichten Meinungsbeitrag in der «Washington Post» auch Sanktionen gegen extremistische Siedler im Westjordanland ins Spiel gebracht. Der Demokrat kritisierte abermals «die extremistische Gewalt gegen Palästinenser im Westjordanland».
Biden zeichnete in dem langen Beitrag auf, wie die Zukunft in der Region seiner Auffassung nach aussehen soll - und wie der Weg dorthin gestaltet werden soll. «Soviel ist klar: Eine Zwei-Staaten-Lösung ist der einzige Weg, um die langfristige Sicherheit sowohl des israelischen als auch des palästinensischen Volkes zu gewährleisten», schrieb Biden. «Auch wenn es im Moment den Anschein hat, als sei diese Zukunft nie weiter entfernt gewesen, ist sie durch die Krise dringender denn je geworden.»
Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas hat am Samstagabend zu einem sofortigen Ende des Kriegs im Gazastreifen aufgerufen. In einer Fernsehansprache forderte Abbas US-Präsident Biden dazu auf, «zu intervenieren und diese Aggression sofort zu stoppen». Er fragte: «Worauf warten die USA angesichts des fortwährenden Völkermords an unserem Volk in Gaza?» Abbas forderte Biden ausserdem dazu auf, sich für die Einfuhr von mehr humanitärer Hilfe in den blockierten Küstenstreifen einzusetzen.
Mehrere Hundert Menschen haben am Samstagabend in Tel Aviv gegen den Gaza-Krieg demonstriert. Die Demonstration auf der Strandpromenade fand auf Initiative der linksorientierten Chadasch-Partei statt, wie israelische Medien berichteten. Jüdische und arabische Israelis protestierten dabei gemeinsam gegen eine Fortsetzung des Militäreinsatzes im Gazastreifen.
«Auge um Auge und wir sind alle blind», stand auf einem der Schilder. Der TV-Sender Kan berichtete, die Demonstranten hätten dazu aufgerufen, «die schlechteste Regierung in der Geschichte Israels» abzulösen.
Die Nachrichtenseite «ynet» berichtete, es habe eine Gegendemonstration mit mehreren Dutzend Teilnehmern gegeben. Es sei zu verbalen und physischen Konfrontationen zwischen den beiden Seiten gekommen. Die Demonstranten gegen den Krieg seien dabei mit Wasserflaschen beworfen worden. «Geht nach Gaza» und «Tod den Arabern» hätten Teilnehmer der Gegendemonstration ihnen zugerufen.
Die Lage im Schifa-Krankenhaus im Gazastreifen bleibt angespannt. Die WHO dürfte ihre Pläne zur Rettung der verbliebenen Patienten vorantreiben. Mit Spannung wird zudem erwartet, ob und wann die von den USA vorangetriebene Feuerpause zwischen Israel und der Hamas tatsächlich zustande kommt. (sda/dpa)